Viele Wege führen zur Erstkommunion

Die Vorbereitungen werden immer flexibler und vielfältiger. Sie beziehen auch die Eltern ein

Vor der Teilnahme an der Erstkommunionfeier werden die Kinder in den Gemeinden auf ganz unterschiedliche Weise vorbereitet. (c) Bistum Aachen/Andreas Steindl
Vor der Teilnahme an der Erstkommunionfeier werden die Kinder in den Gemeinden auf ganz unterschiedliche Weise vorbereitet.
Datum:
24. März 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 12/2024 | Stephan Johnen

Kommunionunterricht? Melanie Thelen rollt mit den Augen. Dann muss sie lachen. „Früher hieß das so, stimmt. Wir machen aber keinen Frontalunterricht“, sagt die Gemeindereferentin der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) St. Lukas, die in Kooperation mit Kolleginnen ein neues Konzept für die Erstkommunion-Vorbereitung für die Region Düren entwickelt hat. 

"Pflicht und Muss sind bei uns gestrichen", sagt Melanie Thelen, Gemeindereferentin in derGemeinschaft der Gemeinden St. Lukas Düren.

Die Vorbereitungswege werden insgesamt an vielen Orten flexibler und vielfältiger, die wöchentlichen, festen Gruppenstunden, die vermutlich zur Entstehung des Wortes „Kommunionunterricht“ beigetragen haben, gibt es zwar zum Teil immer noch, aber hinzu gekommen sind ganz neue, flexible und eher projektbezogene und auch spielerische Angebote, bei denen es nicht ums „Auswendiglernen“ von Inhalten geht, sondern um das Erfahren, Begreifen und Ausprobieren.

„Wir möchten, dass die Kinder Spaß und Freude dabei haben, Glaubensthemen zu entdecken, und wir versuchen, über Emotionen einen Zugang zu wecken. Pflicht und Muss sind bei uns gestrichen“, sagt Melanie Thelen. Im Vordergrund der Kommunionvorbereitung steht die Einladung, am Glaubens- und Gemeindeleben teilzunehmen und teilzuhaben. Denn die Verankerung des Glaubens im Alltag ist alles andere als selbstverständlich. „Wenn wir bei uns auf die Schulen schauen, ist nur rund ein Viertel der Kinder katholisch getauft“, sagt Melanie Thelen. Getauft sein heiße aber nicht, dass Kinder auch religiös erzogen oder kirchlich sozialisiert wurden. Die nüchterne aber nicht ernüchternde Bilanz der Gemeindereferentin: „Regelmäßige Gottesdienstbesuche finden so gut wie gar nicht mehr statt, die Rituale im Jahreskreis werden nur noch von wenigen Familien gelebt und dieses Wissen geht verloren.“

Doch Melanie Thelen und ihre Kolleginnen und Kollegen sowie alle ehrenamtlich Tätigen wollen weder mit Klemmbrett an der Kirchentür stehen und während der Kommunionvorbereitung Anwesenheitslisten führen, noch den Kopf in den Sand stecken. „Unsere Haltung gegenüber allen Familien, die ihre Kinder anmelden, ist Wertschätzung. Jeder wird mit dem, was er mitbringt, willkommen geheißen“, betont sie. Denn, Hand aufs Herz, es sei für viele Familien ohnehin schon schwer genug, allen Aufgaben und terminlichen Verpflichtungen nachkommen zu können. Anders als noch vor 40 Jahren gehen beide Elternteile arbeiten, die Arbeitsverdichtung hat massiv zugenommen, ganz oft seien Eltern „Einzelkämpfer“ und auch die Großeltern, die eine entscheidende Rolle in der Vermittlung des Glaubens gespielt haben, sind nicht mehr in allen (Patchwork-)Familien als wichtige Ressource der Unterstützung greifbar. Zeit ist die knappste aller Ressourcen geworden. Umso schöner also, wenn sich Menschen Zeit für die Erstkommunion-Vorbereitung nehmen.

Das Konzept möchte all diesen Herausforderungen und Bedürfnissen gerecht werden – und zudem noch die Unterschiede zwischen „Stadt“ und „Land“ nicht aus dem Blick lassen. Nach einem kurzen, für alle gleichen Vorbereitungsteil, der mit einem Gottesdienst für alle Familien nach den Herbstferien startete, konnten sich die Familien für unterschiedliche Wege der Vorbereitung entscheiden: Unter Anleitung und mit zur Verfügung gestelltem Material werden die Kinder zuhause in Eigenverantwortung vorbereitet, angeboten werden aber auch vier Familientage, vier digitale Vorbereitungen per Videokonferenz (ein Konzept, das zur Corona-Zeit entstand und sich bewährt hat) und Gruppentreffen – dort, wo es örtlich möglich ist. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Angebote wie Ausflüge und Veranstaltungen für Eltern und Kinder.

„Ich wurde getauft und gehöre einer Gemeinschaft an. Ich lebe diesen Glauben. Aber die Gemeinschaft der Gläubigen ist ein wenig verlorengegangen“, sagt Melanie Thelen, die überzeugt ist, dass es in jedem Kind, in jeder Familie ein Fünkchen Gott gibt. Es ist ihr wichtig, dass sich jeder auch mit eigenen Ideen einbringen kann. „Wenn wir mit Eltern und Kinder zusammen etwas machen, merken wir oft, dass es auch für viele Eltern eine Erstkatechese ist“, berichtet Melanie Thelen. „Ich sehe die Menschen auf einem lebenslangen Glaubensweg. Die Erstkommunion-Vorbereitung ist nur ein kleiner Teil davon. Wenn wir uns auf diesem Weg einbringen, können wir Impulse für das weitere Leben geben.“ 

Drei Fragen an Pfarrer Norbert Glasmacher

Pfarrer Norbert Glasmacher (c) Stephan Johnen

Herr Glasmacher, vor ihrer Rückkehr nach Deutschland haben Sie 23 Jahre als Priester in Ontario gewirkt. Wie sah in Kanada die Erstkommunion-Vorbereitung aus?

Gibt es eine Schule in katholischer Trägerschaft, findet die Vorbereitung dort automatisch während des Unterrichts statt. An staatlichen Schulen gibt es keinen Religionsunterricht. Der findet dann in den Gemeinden statt und wird von Ehrenamtlichen übernommen, die entsprechend geschult worden sind. Die Kirche ist in Kanada ganz anders aufgestellt, es gibt viel weniger hauptamtlich Mitarbeitende, da es keine Kirchensteuer gibt. In unserer Arbeit sind wir daher immer auf Freiwillige angewiesen, und es finden sich immer recht viele. Die Pfarre veröffentlicht, wann Erstkommunion gefeiert wird, dann melden sich die Menschen an.


 
Werden die Familien nicht angeschrieben?

Es gibt kein Meldewesen wie in Deutschland. Ich weiß als Pfarrer nicht, wie viele Katholiken im Gebiet der Gemeinde wohnen. Aber Katholiken können sich freiwillig bei der Pfarre registrieren lassen. 99 Prozent aller Menschen, die das getan haben, melden auch ihre Kinder zur Erstkommunion-Vorbereitung an. Diesen Menschen bedeutet es ganz viel, Religion spielt eine Rolle im täglichen Leben. Übrigens nehmen nicht nur Kinder einer Altersgruppe teil – oft ist es eine sehr gemischte Gruppe, oft auch mit Erwachsenen.


 
Welchen Stellenwert hat die Erstkommunion in Kanada?

Mit Blick auf die Ausrichtung des Festes hat sie nicht den Stellenwert, den die Feier traditionell in Deutschland hat. In Kanada steht der religiöse Inhalt viel stärker im Mittelpunkt. Die Vorbereitung ist oft eingebunden in ein langfristiges Angebot für Kinder und Jugendliche, die über Jahre begleitet werden. Es gibt von vielen Gemeinden ganz unterschiedliche Angebote für Familien und Kinder. Bei uns in Deutschland ist die Vorbereitung für viele eher punktuell, plötzlich und intensiv, ebenso wie bei der Firmung. Es ist vielleicht schwierig, sich in so etwas hineinzudenken, wenn man vorher nur wenig Kontakt zur Kirche hatte. Ich erlebe ja und bedauere sehr, wie Familien aus den verschiedensten Gründen, manche sehr verständlich, nicht mehr so am Leben der Kirche teilnehmen. In dieser Hinsicht ist die Vorbereitung auf die Erstkommunion auch eine Gelegenheit, wieder mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die wir vorher nicht mehr erreicht haben.