Drei Jahre ist das Bistum Aachen inzwischen unterwegs auf dem Weg im „Heute-bei-dir“-Prozess, um ein neues Verständnis von Kirchengemeinschaft zu entwickeln. Der Aufbruch in die Zukunft soll gelingen. Einige bahnbrechende Veränderungen sind vorgesehen. Wann der Weg ins Ziel führt, ist seit einer Woche wieder ungewiss.
Die Veränderungen sind so komplex, dass sie nicht einfach in Worte zu fassen sind und selbst von den „Sitzungsprofis“ nach drei Jahren offenbar noch nicht eindeutig formuliert werden können. Um Wörter und Formulierungen rangen die Mitglieder der
Synodalversammlung am vergangenen Samstag im „Montforts Quartier“ in Mönchengladbach. Jugendliche und junge Erwachsene sollen mehr in den Blick genommen werden. Was aber ist mit Kindern? Andreas Wittrahm, Bereichsleiter Facharbeit und Sozialpolitik beim Diözesan-Caritasverband Aachen, hatte gefordert, dass Kinderrechte, wenn sie schon nicht ins Grundgesetz kämen, im kirchlichen Kontext berücksichtigt werden müssten. Den Kindern soll sich nun gesondert gewidmet werden, beschloss die Versammlung.
Mit dem Begriff „Charismen“, bekannte Mechthild Jansen, Geschäftsführerin vom Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen, würde sie fremdeln. Zum selben Thema „Charismen-Orientierung im Ehrenamt“, forderte Gabi Terhorst vom Regionalteam Kempen-Viersen die Vokabel „Steuerung“ durch „Koordinierung“ auszutauschen. Sie merke auch die Sprachverwirrung von Engagement und Ehrenamt an: „Gibt es nicht auch engagierte Hauptamtliche?“
Endlich ersetzt werden müsse der Begriff „Geschlechtersensibilität“, unterstrich Heribert Rychert, stellvertretender Vorsitzender des Diözesanrats. „Es geht in diesem Papier um Diskriminierung und die Umsetzung von Menschenrechten in der Kirche. Es muss Gendergerechtigkeit heißen.“ Viel Szenenapplaus gab es für diesen Wortbeitrag.
Die größten Wogen schlugen in den vergangenen Wochen die Ankündigungen, dass die Zahl der Pfarreien drastisch bis 2028 verringert werden solle. Es sollen 50 am Sozialraum orientierte Pastorale Räume entstehen und künftig lediglich 8 bis 13 Pfarreien gebildet werden. Eingeführt wurde in diesem Zusammenhang der Begriff „Orte von Kirche“, die die Gemeinden und Gläubigen selbst bestimmen sollen. Rückgebunden werden sollen sie finanziell und personell an die Pfarreien. Wie genau das vonstatten gehen soll, muss die Zukunft weisen. Die sogenannte Basis-AG 3 zu Veränderungen der sogenannten „Pastoralen Räume“ war darum der größte Diskussionspunkt. Auch deshalb, weil hier noch kirchenrechtliche Details zu klären sind.
Anita Zucketto-Debour, Leiterin für das Mentorat Aachen, war es in diesem Zusammenhang wichtig, dass es keine Zwangsfusionen geben werde: „Ich freue mich, wenn wir uns darauf verlassen können.“ Entscheidend für Demokratieprozesse sei es, dass Transparenz herrsche. Sie formulierte die Bedeutung, dass „die gute Tradition“ weitergeführt werden solle, dass Räte bei den Wahlen von Regionalteams wieder beteiligt und diese nicht benannt würden. Die verbindliche Beteiligung der Räte hinterfragte auch Pfarrer Hans-Georg Schornstein und wollte wissen, ob die Entscheidung für die Pastoralen Räume schon feststünde: „Sind wir nur an der Umsetzung – sagen wir – an der Auflösung beteiligt?“
Für die Aufnahme des Begriffs „Demokratie“ in die Beschlüsse appellierte der Mönchengladbacher Propst Peter Blättler gerade angesichts einer Zeit der Umbrüche, in denen der Konflikt zwischen West und Ost neu aufflamme. „Es gibt Historiker, die sagen, dass die Kirchen in der Weimarer Republik versagt haben, weil sie in einer entscheidenden Stunde der Geschichte die Demokratien nicht gestärkt haben.“ Unterstützung fand er durch Marie-Theres Jung, Sprecherin des Diözesanrats der Katholiken, die eine „Verjüngung“ der Entscheidungen auf den Synodalkreis im Sinne der Demokratie nicht als Fortschritt empfand und konkret fragte: „Wie werden wir beteiligt?“
Generalvikar Andreas Frick betonte: „Es geht nicht darum, jemandem etwas an Beteiligung zu nehmen. Ich höre den Ruf nach mehr Demokratie. Ohne die Kultur des Hörens, des Mitverantwortens geht es nicht – da sind wir mittendrin.“ Und: „Wir wollen solide Entwicklungen, darum wollen wir keine Schnellschüsse.“ Daher werde man sich 2022 noch Zeit lassen für die Klärung der Kritikpunkte. Die finalen Entscheidungen werden nun voraussichtlich im Januar 2023 in einer dritten Synodalversammlung entschieden. Der Wunsch nach Verlängerung wurde wegen des Klärungsbedarfs aus dem Kreis der Mitwirkenden der Synodalversammlung laut. Mit klarem Auftrag versehen haben die über 100 Teilnehmer den Synodalkreis, der an diesem Samstag tagt, um die Anregungen vom vergangenen Wochenende aufzunehmen. „Wir wollen neu handeln“, heißt die Überschrift der Phase III des Prozesses, deren Start damit aufgeschoben wurde.