Viel gesehen, aber auch viel verpasst

Thomas Schmitz fährt seit 24 Jahren Lkw und hat dabei einiges erlebt.

Seit 24 Jahren ist Thomas Schmitz Lkw-Fahrer.  Inzwischen fährt der Vater von zwei Kindern die Kurzstrecke. (c) Kathrin Albrecht
Seit 24 Jahren ist Thomas Schmitz Lkw-Fahrer. Inzwischen fährt der Vater von zwei Kindern die Kurzstrecke.
Datum:
4. Dez. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 49/2024 | Kathrin Albrecht

Fast alles, was wir im täglichen Leben brauchen, ist irgendwann einmal mit einem Lkw transportiert worden. Auch die Dinge, die in einigen Wochen pünktlich unter dem Weihnachtsbaum liegen. Damit das klappt, sind täglich hunderte von Lkw-Fahrern auf den Straßen im Einsatz. Einer von ihnen ist Thomas Schmitz. 

Der Tag beginnt früh für den 49-Jährigen. Meist schon um 2, 3 Uhr morgens nimmt er am Lager Ware auf, um sie in die umliegenden Supermärkte zu verteilen. Schmitz fährt für das  Würselener Logistik-Unternehmen Schumacher, das überwiegend Tiefkühlware und Backwaren an Discounter wie Lidl oder Aldi ausliefert. Schmitz fährt die Kurzstrecke: „Wenn alles gut läuft, ist man gegen Mittag zu Hause.“ Wenn er selbst einkaufen geht, erzählt er schmunzelnd, kann es schon mal sein, dass er im Geschäft ein Produkt in der Hand hält, bei dem er denkt: „Das könnte auch von mir sein.“

Seit 24 Jahren fährt Thomas Schmitz Lkw. „1996 war ich vier Jahre bei der Bundeswehr. Da habe ich meinen Lkw-Führerschein gemacht. Das war damals die günstigste Möglichkeit. Dann bin ich bei der Fahrbereitschaft Schwertransporte gefahren.“ Nach dem Bund ging es in den Fernverkehr. „Irland, Schottland, Belgien bin ich viel gefahren“, erzählt Schmitz. Die weiteste Tour führte ihn bis an die russische Grenze: „Fast zwei Wochen war ich da unterwegs.“

Viel gesehen, aber auch viel verpasst

Neun Stunden beträgt für Fernfahrer die maximale Lenkzeit: „Viereinhalb Stunden fahren, dann 45 Minuten Pause, dann noch einmal viereinhalb Stunden fahren,“ zählt Thomas Schmitz auf. Für die langen Zeiten allein hinter dem Steuer hat er einige Tricks: „Radio hören, die Heizung nicht zu warm einstellen, anhalten und einen Kaffee trinken. Wenn gar nichts hilft, dann auch mal rausfahren und für eine halbe Stunde die Augen zumachen.“ Auch Podcasts oder Hörbücher seien gut gegen Müdigkeit, erzählt er. Gefragt, was den Reiz seines Berufs ausmacht, antwortet Thomas Schmitz: „Man ist unabhängig, man hat seine Aufgaben. Niemand steht hinter einem und klopft einem auf die Schulter.“

Skurriles hat Thomas Schmitz auch erlebt. Einmal musste er in Schottland in den Highlands pausieren: „Als ich vom Blöken der Schafe wachgeworden bin und die Gardine zurückzog, habe ich direkt in ein Schafgesicht geblickt.“ Er denkt gerne an diese Zeiten zurück: „Man hat viel gesehen, aber man hat auch viel verpasst. Es schränkt den Freundeskreis ein.“ Das Getrenntsein von der Familie war mitunter hart, sagt er, erst recht, wenn er in der Adventszeit unterwegs war. „Inzwischen gibt es in der Kommunikation ganz andere Möglichkeiten mit Video-Calls, so dass man sich auch sehen kann. Damals gab es nur das Telefon.“

Über die Feiertage musste Schmitz jedoch nie fahren, auch nicht im Fernverkehr. „Es konnte mal sein, dass wir bis Heilgabend gefahren sind. Aber Weihnachten waren wir zu Hause.“ Doch nach den Feiertagen ging es oft direkt weiter: „Einmal habe ich den Jahreswechsel auf einem Parkplatz in Kassel erlebt. Man denkt an die Familie zuhause, das ist einsam.“

Mit der Geburt des ersten Kindes wechselte Schmitz auf die Kurzstrecke. Hier fährt er Ziele innerhalb Deutschlands an. Doch er kann sich noch gut in seine Kollegen hineinversetzen, die die weiten Touren fahren. Das sei nicht einfach: „Es gibt zu wenig Parkplätze an den Rastplätzen, aber auch in den Industriegebieten, besonders für Lkw, die größer als 7,5 Tonnen sind.“ Er spürt auch, dass sich die Stimmung gegenüber Lkw-Fahrern zum Negativen hin verändert hat: „Da fehlt oft die Wertschätzung für das, was wir leisten.“

Auch der Verkehr habe sich verändert. Insgeamt beobachtet er, dass aggressiver gefahren wird. Thomas Schmitz lenkt einen 40-Tonnen-Sattelschlepper. 16 Meter lang ist sein Gefährt. Mit sieben Spiegeln kontrolliert er das Umfeld. Die modernen Lkw, erzählt er, verfügen über Monitore. Passiert ist ihm in der ganzen Zeit, die er fährt, wenig. „In England hatte ich einen Unfall. Da hat jemand versucht, mich im Kreisverkehr zu überholen. Die sind dort breiter als hier. Doch es war Gott sei Dank nur ein Blechschaden.“ Bei der Rückkehr von einer Tour nach Holland hat er einen Unfall eines Kollegen mitbekommen, der ungebremst in ein Stauende gefahren ist: „Der Kollege hat es leider nicht geschafft.“ 
Auf die Zukunft blickt er mit gemischten Gefühlen. Ab und an hat er mal Praktikanten dabei, die sich für den Beruf interessieren. Doch zu wenige bleiben bei der Stange. In Deutschland fehlen 80 000 Lkw-Fahrer. „Offenbar ist der Beruf für junge Menschen nicht attraktiv.“

Die Konkurrenz aus Osteuropa ist hart

Hier sieht Schmitz die Politik gefragt, im Ausbau der Infrastruktur, aber auch in der Sicherung der Arbeitsbedingungen. Denn insbesondere der Konkurrenzdruck von Unternehmen aus osteuropäischen Ländern ist hoch. Die Fahrer fahren oft deutlich unter dem deutschen Lohnniveau. Es müsste so geregelt sein wie in Frankfreich: „Da dürfen Fahrer, wenn die Verdienstnachweise nicht den französischen Standards entsprechen, nicht weiterfahren.“ Würde er jemandem heute zu dem Beruf raten? „Eher nicht“, sagt Thomas Schmitz.

Er selbst mag seinen Beruf nach wie vor, auch jetzt in der Vorweihnachtszeit, die für Schmitz im Grunde schon im Juli anfängt, wenn das erste Weihnachtsgebäck ausgeliefert wird. Der Termindruck halte sich in Grenzen: „Es ist eigentlich so getimt, dass alles passt.“ So hat er auch Zeit, die kommenden Wochen auf sich wirken zu lassen. Und er freut sich schon auf den firmeninternen Weihnachtsmarkt. „Da kommen auch die Familien der Fahrer mit.“