Es ist der Schritt in einen neuen Lebensabschnitt: Der erste Schultag beginnt für Erstklässler und Fünftklässer traditionell im Bistum Aachen mit einem Gottesdienst oder einer Segensfeier durch einen Pfarrer, einen Gemeindereferenten oder Ehrenamtlichen. In der KirchenZeitung erzählen die Niederrheiner ihre Geschichten zur Einschulung: Von Gottes Segen, Regenschirmen und dem Anspruch, in jedem Schuljahr aufs Neue moderne Glaubenswege zu finden.
Schon jahrelang wird der Gottesdienst zur Einschulung an der Mosaikschule in der Krefelder Innenstadt erst Wochen nach dem ersten Schultag gefeiert. Ein überzeugendes Konzept, meint Gemeindereferentin Gunda Hagens. Mathilde Müller, Gemeindereferentin in Krefeld-Süd, feiert mehrfach: In den beiden Fischelner Grundschulen werden am Einschultag selbst ökumenische Gottesdienste mit begangen, außerdem gibt es inzwischen einen Moschee-Gottesdienst.
Gunda Hagens: „Als Kirche begleiten wir die Kinder in einen neuen Zeitabschnitt und schaffen dafür den Rahmen. Wir möchten ihnen einen Raum geben, an dem sie alle Gefühle wahrnehmen und aussprechen können. Sie dürfen fröhlich sein, aufgeregt sein, trauern, sich ärgern oder auch eifersüchtig sein. Dieses Gefühl möchten wir ihnen beim ersten Gottesdienst in ihrer Schullaufbahn vermitteln.“ Mathilde Müller: „Inzwischen sind die Einschulungsgottesdienste ein richtiges Event geworden. Es ist nicht mehr so wie früher, dass nur die Eltern die Kinder begleiten, sondern sie bringen Oma und Opa, Freunde und sogar Nachbarn mit. In einer schnelllebigen Zeit schaffen wir im Einschulungsgottesdienst eine Auszeit. Hier konzentrieren wir uns gemeinsam darauf, was wichtig ist: Die Zeit mit der Familie. Der neue Lebensabschnitt des Kindes, der uns an diesem Morgen zusammenführt.“
Gunda Hagens: „Beim Segen passiert etwas im Raum, das ist spürbar. Wir geben uns Mühe, bei der Segnung feinfühlige Worte zu wählen. Eben die, die für jedes Kind, egal welcher Konfession es angehört, richtig sind. Deswegen verzichte ich auch auf das Kreuzzeichen. Ich sage den Kindern: ,Du bist gewollt. Egal, was passiert, du bist nicht allein, Gott ist für dich da.‘“ Mathilde Müller: „Auch wenn viele der Einschulungsgottesdienstbesucher die Kirche vielleicht nicht mehr regelmäßig besuchen, merke ich, dass sie sich alle den Segen wünschen. Sie wünschen sich, dass ihnen jemand gute Wünsche und den Zuspruch Gottes mit auf den Weg gibt. Die Reaktion der Kinder berührt mich in jedem Jahr tief. Wenn sie nach dem Segen mich anlächeln und nicken, weiß ich, dass wir und Gott sie gestärkt haben.“
Es ist eine ungewohnte Situation für Marie-Therese Holtermann: Ihr ganzes Berufsleben lang war sie Teil unzähliger Einschulungsgottesdienste – 20 Jahre davon an der katholischen Grundschule Wiesenstraße in Kempen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren wird sie das nur aus der Ferne miterleben – als Rentnerin. „Für mich und das gesamte Kollegium sind die Einschulungen besondere Erlebnisse“, erzählt sie. Es gibt einen Gottesdienst, an den sie sich besonders gern zurückerinnert: Es wird gesungen, die älteren Geschwisterkinder lesen Fürbitten vor, gemeinsam beten sie die Kyrie-Rufe. Dann steht Schulpfarrer Marc Kubella mit einem geöffneten großen Regenschirm in der Hand da. Egal, ob Sonne oder Regen, der Schirm schützt vor Umwelteinflüssen. „Und das ist auch mit dem Glauben so“, sagt Holtermann. „Egal, was passiert, der liebe Gott hält die Hand über unsere Erstklässler und passt auf sie auf. Mit diesem Bewusstsein sollen sie jeden Tag gerne in die Schule gehen.“
Die Aula am Albertus-Magnus-Gymnasium in Viersen-Dülken ist gedrängt voll: Wache Neu-Fünftklässler sitzen in den ersten Reihen, hinter ihnen ihre Eltern, Großeltern und Geschwister, die heute mitfiebern. Es drängt sich noch eine junge Frau mit Kopftuch durch die hintere Glastüre auf den letzten Sitzplatz und gibt den Blick auf eine bronzene Statue, den Albertus Magnus, im Innenhof frei. Der zwanzigminütige Einschulungsgottesdienst mit Pfarrer Bomanns ist gut besucht – das ist kein Wunder, verspricht das Schulkonzept des katholischen Gymnasiums doch, die befreiende Botschaft Jesu im Schulalltag zu realisieren. „Unsere Schüler sind ein Querschnitt der Gesellschaft“, erklärt Schulleiter Thomas Kamphausen. „Ob Kinder mit christlichem Glauben, mit muslimischem Glauben oder Buddhisten, Hinduisten oder Atheisten, wir möchten, dass sich alle in der Hand Gottes sicher und behütet aufgehoben fühlen.“
Für Mia, Paul und Ben ist heute eine kleine Premiere: Noch im letzten Jahr saßen sie in der ersten Reihe des Gottesdienstes. Heute begleiten sie als Sechstklässler die Neuankömmlinge durch die Räumlichkeiten. Die Erinnerungen an ihren ersten Schultag vor einem Jahr am Albertus-Magnus-Gymnasium sind lebhaft. „Pfarrer Bomanns hat uns erzählt, wofür unser Namensgeber steht“, erzählt der elfjährige Paul. „Albert hat viel experimentiert und wenn es ‚Boom‘ gemacht hat, haben die Leute in der Nachbarschaft gesagt ‚Der Albert hat wieder rumgeforscht.‘“ – „Deswegen steht Albert für drei Eigenschaften“, erinnert sich Mia. „Er ist fromm, neugierig und fleißig. So, wie wir hier auch sein möchten.“ Albertus Magnus spielt im Schulleben eine große Rolle: Nicht nur im Einschulungsgottesdienst ist er sinnbildlich dabei, sondern auch die Abiturienten lassen sich in jedem Jahr zum Abschluss im Porträt mit ihm fotografieren. Anschließend tragen sie die bronzene Statue durch die Räumlichkeiten. Über dieses Engagement freut sich Pfarrer Bomanns. Glauben modern zu erleben, ihn als Halt zu empfinden und sich auf ihn verlassen zu können, das möchte er durch seine Tätigkeit erreichen, sagt er: „Wir beziehen die Kinder und Jugendlichen von Beginn ihrer Karriere hier am Gymnasium mit ein. Viele religiöse Elemente finden unbewusst statt. Das gemeinsame Mittagessen ist zum Beispiel eines davon.“
Das Albertus-Magnus-Gymnasium lebt nach einem Tagesheim-Konzept: Die Kinder sollen als ganzer Mensch gebildet werden. Neben einer Kapelle gibt es ein Schwimmbad, einen Spieleverleih, unterschiedliche Musikangebote und Gemeinschaftsräume. Jeden Mittag treffen die Schüler auch auf Pfarrer Bomanns beim Mittagessen, der nicht nur speist, sondern genau wie alle anderen hilft, die Tische einzudecken und nach dem Essen die Räumlichkeiten wieder herzurichten. „Bei uns heißt es ‚Speiseraum‘ und nicht ‚Mensa‘“, erklärt der Pfarrer. „Denn unser Mittagessen findet gemeinsam und nicht nebeneinander statt. Das gemeinsame Speisen war in der Bibel schon ein starkes Motiv.“ Gemeinschaft im Unterricht, im Speisen, im Spielen oder im Gottesdienst: Gemeinschaft wird am Albertus-Magnus-Gymnasium gelebt. Für Schulleiter Thomas Kamphausen ist es genau dieses Gemeinschaftsgefühl, was zu glauben ausmacht. Und deswegen ist es für den elfjährigen Ben auch ganz natürlich, wenn er sagt: „Ich wünsche den Fünftklässlern zur Einschulung viele Freunde und genug Zeit zum Spielen.“