Verstehen und Verständnis

Diakon Josef Rothkopf kümmert sich im Bistum Aachen als Seelsorger um gehörlose Menschen

Rothkopf Nachricht (c) Andrea Thomas
Rothkopf Nachricht
Datum:
4. Apr. 2017
Von:
Andrea Thomas
Dass das Gespräch etwas schwierig ist, liegt ganz bestimmt nicht an Josef Rothkopf. Der 67-Jährige ist Gehörlosen-Seelsorger im Bistum Aachen, selbst gehörlos und ein ebenso freundlicher wie geduldiger Gesprächspartner.
Rothkopf Quadrat (c) Andrea Thomas
Rothkopf Quadrat

Das Problem ist eher die ihm gegenüber sitzende, hörende Journalistin, die sich gerade fragt „Wie spricht man so, dass der andere einem gut von den Lippen ablesen kann?“ – und das Gefühl hat, dabei auf ganzer Linie zu scheitern.

Das erlebe er öfter, das sei kein Beinbruch, versichert Josef Rothkopf. Wichtig ist ihm, dass es seinem hörenden Gegenüber auffällt und es sich Gedanken macht. Wenn er etwas nicht versteht, schiebt er dem anderen Zettel und Stift über den Tisch mit der Bitte, aufzuschreiben, was er sagen will. Nicht jeder Gehörlose geht so unkompliziert mit Kommunikationsproblemen in einer Welt um, die auf seine Bedürfnisse oft wenig Rücksicht nimmt. Im Bistum Aachen leben circa 2500 hörgeschädigte Menschen (Gehörlose und gebärdensprachlich kommunizierende Schwerhörige). Sie zu unterstützen und zu begleiten, ist Josef Rothkopfs Anliegen, der 1999 zum Ständigen Diakon geweiht wurde und seitdem als Diözesangehörlosenseelsorger im Bistum Aachen tätig ist. Jeden Montag sowie alle zwei Wochen mittwochs und donnerstags bietet er Sprechstunden im Hörgeschädigtenzentrum in Aachen an, wo er sein Büro hat. Als Diakon feiert Josef Rothkopf regelmäßig Gottesdienste für und mit gehörlosen Menschen, besucht die Vereine für gehörlose Menschen im Bistum und übernimmt Trauungen, Taufen und Beerdigungen sowie den Schulgottesdienst in der David-Hirsch-Schule, Förderschule mit Schwerpunkt Hören und Kommunikation in Aachen. Außerdem begleitet er die gemeinsame Kevelaerwallfahrt der Bistümer Aachen, Münster, Paderborn, Essen und Köln für Gehörlose sowie die europäische Gehörlosenwallfahrt nach Lourdes.

Seit 2003 ist er zudem Generalpräses im Verband der katholischen Gehörlosen Deutschlands und in dieser Funktion in Deutschland und vielen Ländern Europas unterwegs. Davon erzählt auch der prall gefüllte Terminkalender an seiner Bürowand. „Zum Glück unterstützt meine Frau mich. Sonst könnte ich nicht so viel unterwegs sein“, sagt er. Hilfreich ist dabei auch, dass er nach vielen Jahren beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW inzwischen im „Unruhestand“ ist. Einen guten Nachfolger zu finden, sei nämlich nicht ganz einfach.

 

Im Senioren- und Pflegeheim oft der einzige gehörlose Mensch

Was ihm in seiner Arbeit vor allem Sorge bereitet, ist, dass viele Betroffene immer mehr isoliert werden. Inklusion sei nicht für jeden ein Segen: „Einige schaffen es, viele nicht.“ Die meisten Gehörlosen lebten mit den Eltern oder einem hörenden Partner zusammen. Wer alleine lebe, lebe insbesondere im Alter oft sehr isoliert und einsam. „Wenn ein gehörloser Mensch ins Senioren- oder Pflegeheim muss, kann er sich das Heim meist nicht aussuchen und ist dann oft der einzige Gehörlose dort. Keiner kann Gebärdensprache, was dann noch einsamer macht, als man es in ungewohnter Umgebung und einer solchen Situation sowieso schon ist.“ Er unterstützt daher aktiv ein Projekt des Aachener Gehörlosenzentrums, das auf seinem Gelände ein Haus mit 14 Wohnungen errichten und betreutes Wohnen anbieten will. „Die Bewohner haben dann nicht nur Nachbarn, die sie verstehen können, sondern auch nebenan das Zentrum mit der Beratungsstelle und seinen zahlreichen Aktivitäten“, schildert er die Vorteile. Er nennt aber noch ein weiteres Beispiel, an dem deutlich wird, wie schwierig es ist, wenn ein Mensch seine Umwelt nicht oder nur schwer versteht. „Ich werbe dafür, bei einem Arztbesuch einen Gebärdendolmetscher mitzunehmen. Gehörlose verstehen oft nicht, was der Arzt ihnen erklärt, und sagen dann auf Nachfrage, alles sei okay, obwohl es das nicht ist.“ Was mitunter fatale Folgen habe.

 

Wichtig im Gottesdienst: die visuelle Darstellung der biblischen Geschichte

Am Herzen liegen Josef Rothkopf neben der seelsorglichen Begleitung auch die Gottesdienste für Gehörlose, die im Bistum Aachen regelmäßig in Aachen, Langerwehe, Mönchengladbach, Erkelenz und Krefeld stattfinden. Unterstützt wird er dabei von drei speziell ausgebildeten Wortgottesfeier-Leitern. Gestaltet werden die Gottesdienste in deutscher Gebärdensprache (DGS) oder in Lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG). „Wenn Hörende anwesend sind, benutze ich dazu auch die Lautsprache. Gesungen wird nicht, auch Musik gibt es nicht“, erläutert er. Dafür gibt es im Bistum Aachen den Gebärdenchor „Singende Hände“, den seine Frau leitet. Wichtig sei für den Gottesdienst die räumliche visuelle Darstellung der biblische Geschichte in der DGS.

Dazu dienen auch speziell entwickelte religiöse Gebärden. So ist beispielsweise die Gebärde für Jesus das Antippen der Handinnenflächen beider Hände in Erinnerung an die Wundmale Jesu. Die Gebärde für Maria sind vor der Brust verschränkte Hände (Gebärden für weitere biblische Begriffe finden sich unter anderem unter: http://taub-und-katholisch.de/ . Damit dieses besondere Gottesdienstangebot weiter bestehen kann, bildet Josef Rothkopf für die Bistümer Aachen und Münster weitere Wortgottesfeier-Beauftragte aus. Außerdem hat er mit österreichischen Kollegen das biblische Lesebuch „Gottes Wort“ erarbeitet – mit vielen Bildern und Texten in einer verständlichen Sprache. Verstehen und verstanden werden ist auch hier ein zentrales Element. Info: www.gehoerlosenpastoral.kibac.de

Jesus 1 Quadrat (c) Andrea Thomas
Jesus 2 Quadrat (c) Andrea Thomas