Versöhnung im Bürgerkrieg

Die JournalistinAngela Krumpen und Erzbischof Simon Ntamwana berichten von Burundi

Nur wenn sich die Opfer mit den Tätern versöhnen, kann in Burundi Frieden entstehen und bleiben. Mitarbeiter des Versöhnungswerks werden mit Tanz und Trillerpfeifen von den Batwas begrüßt. (c) Angela Krumpen
Nur wenn sich die Opfer mit den Tätern versöhnen, kann in Burundi Frieden entstehen und bleiben. Mitarbeiter des Versöhnungswerks werden mit Tanz und Trillerpfeifen von den Batwas begrüßt.
Datum:
3. Apr. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 14/2018 | Garnet Manecke
Der Völkermord in Ruanda 1994 ist im öffentlichen Gedächtnis noch präsent. Weniger bekannt ist, dass zur gleichen Zeit auch im Nachbarland Burundi hunderttausende Menschen während des Genozids starben.

Seit 40 Jahren herrscht in dem Land Bürgerkrieg. In ihrem Buch „Nur Versöhnung kann uns retten“ berichtet Angela Krumpen, wie Erzbischof Simon Ntamwana mit seinem Versöhnungwerk dem Frieden Raum geben will. Im April werden die Journalistin und der Geistliche auf Lesereise gehen. Angela Krumpen hat einiges auf sich genommen, um das Buch zu schreiben. Sie ist in ein Land gefahren, vor dessen Besuch das Auswärtige Amt warnt. Aber es ging ihr darum, mit allen Beteiligten zu sprechen und das Land kennenzulernen, dessen Geschichte sie erzählt. Wie kann es dazu kommen, dass der Hass zwischen zwei Bevölkerungsgruppen so groß wird, dass die eine die andere umbringt? Ein Thema, das ja auch die deutsche Geschichte prägt.

Mit Tätern und Opfern zu sprechen, war die Bedingung der Journalistin, als sie gefragt wurde, eine Biografie über Erzbischof Simon Ntamwana zu schreiben. Die Familie des Geistlichen ist in Burundi während des ersten Völkermords 1972 ermordet worden, während er in Rom studierte. Die Verantwortlichen im Vatikan erlaubten ihm erst 1976, zwei Jahre nach seiner Priesterweihe, in seine Heimat zurückzugehen. Er gründete das Hilfswerk „Neues Leben für Versöhnung“, dessen Ziel es ist, wieder Frieden in das Bürgerkriegsland zu bringen. Zweifelsohne ist die Biografie von Erzbischof Simon Ntamwana interessant. Trotzdem wollte sich Angela Krumpen in ihrem Buch nicht allein darauf beschränken. „Jedes Leben braucht Versöhnung“, sagt sie. „Dadurch, dass ich auch die Geschichten der anderen erzähle, erfahren die Leser, zu welcher Größe jeder einzelne Mensch fähig ist.“ Und so erzählt Krumpen in ihrem Buch nicht nur die Biografie von Ntamwana: Sie lässt Menschen erzählen, die selbst Gewalt erfahren haben, die verfolgt und gefoltert wurden, deren Familien und Freunde umgebracht wurden. Daneben berichten Menschen, die gefoltert und gemordet haben, wie es dazu kommen konnte. Und schließlich berichtet die Autorin selbst über ihre Eindrücke von den Menschen in einem Land, in dem immer noch Gewalt und Korruption herrschen.

„Es sind am Anfang ja nur Kleinigkeiten, die in letzter Konsequenz zu solchem Hass führen“, sagt Angela Krumpen. In Burundi ist es die systematische Diskriminierung der Bevölkerungsmehrheit Hutu durch die Minderheit der Tutsi. Zum Beispiel, dass Hutu-Kindern ihre Schulabschlüsse vorenthalten werden und ihnen so weitere Bildung verwehrt bleibt. Es sind viele kleine Verletzungen, die sich zu einem großen Widerstand aufbauen, der sich in einem Gewaltexzess entlädt.

 

Es ist wichtig, in jedem den Menschen zu sehen – egal, was er getan hat

„Es ist so wichtig, dass wir immer in jedem den Menschen sehen“, betont Angela Krumpen. „Egal, was er getan hat und wie schrecklich das ist.“ Das Wort „unmenschlich“ benutze sie nicht mehr. „Alle Taten wurden von Menschen verübt“, sagt Krumpen. Dabei gebe es einen Zusammenhang zwischen der Sprache und dem Hass. „Bei Recherchen habe ich gelesen, dass es darüber eine linguistische Untersuchung gibt“, berichtet Krumpen. „Immer wenn im Radio die andere Volksgruppe öffentlich als Kakerlake bezeichnet wurde, gab es drei Jahre später einen Genozid.“ Dass sie Zeitzeugen die Ereignisse erzählen lässt, dient nicht allein der Dramaturgie. „Es ist etwas anderes, ob wir das nur im Geschichtsbuch lesen oder ob jemand das erlebt hat und davon berichtet“, sagt Krumpen.

Eine der eindrücklichsten Geschichten ist die von Emmanuel. Der Hutu erlebte als Junge 1972, wie die Hutus, die lesen und schreiben konnten, aus ihren Dörfern vertrieben wurden. In Ruanda machte er eine Ausbildung als Bibelkatechet und beschäftigte sich auch mit verschiedenen Gesellschaftsmodellen – darunter die Lehre von Marx. Als 1993 die Krise in Burundi begann, versteckte er noch Tutsi vor der Verfolgung. Um eine Antwort auf die Frage nach einer Lösung für die Krise zu finden, sperrte er sich drei Tage ein. Während auf den Straßen Chaos herrschte, kamen in Emmanuel die Jahre der Unterdrückung und Diskriminierung der Hutus hoch. „Mithilfe der marxistischen Theorie, so hatte ich es gelernt, kann man die Situation ändern“, sagt er in dem Buch. Die Legitimation für sein Verhalten später findet der Bibelkatechet in der Bibel: „Sogar in der Katechese ist das Böse erlaubt. Gott erlaubt das Böse.“ Emmanuel wurde zum Täter. Bis heute herrscht kein Frieden in Burundi. Ein Interview mit Erzbischof Simon Ntamwana ist nicht möglich. Zu gefährlich. Telefon und E-Mail-Verkehr werden vom Geheimdienst überwacht. Im April kommt der Geistliche ins Bistum Aachen. Gemeinsam mit Angela Krumpen wird er vom Versöhnungsprozess in Burundi berichten.

 

Angela Krumpen: Nur Versöhnung kann uns retten, 208 S., adeo Verlag, Preis: 18,– Euro

 

 

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