Lützerath ist geräumt, die Bagger haben freie Bahn. Dass die Proteste gegen den Kohleabbau damit verstummen, ist unwahrscheinlich. Denn das Klima kippt. Wer es retten will, darf sich nicht nur auf den Tagebau konzentrieren. Es sind auch viele kleine Schritte im Alltag, die dazugehören. Die Worte „Macht euch die Erde untertan“ sind eine Aufforderung, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen.
Man kann es so sehen: Die Menschen haben die Worte aus der Genesis 1,28 eins zu eins umgesetzt. „[…] füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“ heißt es da. Wer sich umsieht, kann nicht übersehen, dass der Mensch da äußerst gründlich war: Massentierhaltung in der Geflügel- und Viehmast. Überfischung der Meere, Versiegelung der Flächen, Ausbeutung von Bodenschätzen, Lebensmittelverschwendung. Die Folgen sind ebenso klar zu sehen: heiße Sommer, eine zunehmende Zahl von Naturkatastrophen, Trockenheit im Sommer, Schneemangel im Winter. Die Phänomene häufen sich, die Folgen sind gravierend. Dass Demonstranten wie Polizei mit Sturmböen und Dauerregen zu kämpfen hatten, der die Böden aufweichte, kann nicht darüber wegtäuschen, dass der Januar zu trocken und zu warm ist.
Der eklatante Schneemangel in den Wintersportorten ist nicht nur eine Unannehmlichkeit für Skifahrer. Er wird im Frühjahr dazu führen, dass Flüsse wegen ausbleibender Schneeschmelze zu wenig Wasser führen. Sollte der Sommer so heiß werden wie der Sommer 2022, dann wird es noch früher zu beobachten sein, dass die Flussbetten austrocknen.
Die Klimaerwärmung sorgt nicht nur für Schneemangel, sondern lässt auch die Gletscher wegschmelzen. Wenn es die nicht mehr gibt, wird es noch trockener. Die Trinkwassergewinnung wird schwieriger. Für all das steht auch Lützerath, der kleine Ort östlich von Erkelenz, um den am Wochenende zum Teil heftig gekämpft wurde.
Je weiter die Klimakatastrophe fortschreitet, um so mehr ist mit Bildern von Menschen zu rechnen, die sich feindlich gegenüber stehen und aufeinander einschlagen. Im Kampf um Wasser, um fruchtbaren Boden, um die Nutzung einer Fläche als Parkplatz oder Blühwiese. Im Kleinen wird das vorbereitet: Wider besseres Wissen werden in Neubausiedlungen die Flächen vor den Häusern versiegelt. Weil es praktisch ist und sauber aussieht. Dass bei Starkregenereignissen Wasser nicht mehr abfließen kann oder sich die Umgebung bei hohen Sommertemperaturen aufheizt, wird nicht berücksichtigt.
„Unterwerft sie (die Erde) und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen“, ist eine Aufforderung, Verantwortung zu übernehmen. Das drückt sich in friedlichen Demonstrationen aus, wenn im großen Stil ganze Dörfer zerstört werden und fruchtbarer Ackerboden abgetragen wird, um veraltete Technologien zu unterstützen. Das geschieht im Kleinen, wenn Kinder Blühwiesen anlegen, um Insekten eine Heimat zu geben.
Auch bei vielen anderen Gelegenheiten lassen sich Ressourcen sparen und damit die Schöpfung bewahren. Die Repaircafés in vielen Gemeinden sind dafür ein gutes Beispiel. Statt kaputte Dinge zu entsorgen, werden sie wieder funktionsfähig gemacht und weiter benutzt. Auch Sozialkaufhäuser zeigen, dass Kleidung und Gegenstände oft für ein zweites Leben bereit sind. Wurden sie eingerichtet, um Menschen mit geringem Haushaltsbudget eine Alternative zu bieten, finden sie in regulären Secondhand-Shops zunehmend Nachahmer.
Einen relativ großen Einfluss auf das Klima hat unsere Ernährung. Der stetig steigende Fleischkonsum hat seinen Preis. Mit dem wachsenden Wohlstand hat sich der Fleischkonsum drastisch erhöht. Seit Beginn der 1960er Jahre ist der weltweite Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch von 23,1 Kilogramm pro Jahr auf 43,2 Kilo gestiegen. Ein Zuwachs von fast 100 Prozent. Das gibt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) an. Tendenz: steigend.
Die Produktion eines Kilos Rindfleisch setzt eine Treibhausgasemission von 99,48 Kilogramm frei. Bei der Produktion eines Kilos Kartoffeln kommt man auf 0,46 Kilo Treibhausgasemission. Der Großteil davon entsteht bei der Fleischproduktion durch die Futtermittelproduktion (58 Prozent) und Verdauungsgase wie Methan (31 Prozent). Dazu kommen die oft qualvollen Bedingungen in der Tierhaltung, vor allem in der Massentierhaltung: zu enge Ställe und kein natürliches Licht.
Dem gegenüber steht eine enorme Lebensmittelverschwendung. Laut Bericht des Statistischen Bundesamtes sind 2020 in Deutschland rund 10,9 Mio. Tonnen Lebensmittel weggeworfen worden. 59 Prozent (6,5 Mio. Tonnen) gehen auf private Haushalte zurück. Hier kann jeder selbst den Hebel ansetzen. Auch das gehört zur Verantwortung für die Schöpfung – wie die Demonstrationen in Lützerath.