Mag die Zahl der Teilnehmenden auch in manchen Orten rückläufig sein, pilgern und wallfahren hat in den Gemeinden der Region einen festen Platz im Kalender. Ob nach Kevelaer, Heimbach, Trier oder zu einem der kleineren Wallfahrtsorte in der Nähe: Man machte sich in größeren Gruppen auf den Weg, übernachtete in Unterkünften und Turnhallen, sang gemeinsam, betete und plauderte – bis Corona kam.
Nicht die Heilige, deren Grab im Aachener Dom liegt und das in vergangenen Jahrhunderten selbst ein Ziel von Pilgern war, sondern das Virus, das wir seit vergangenem Jahr unter diesem Namen kennen. Wegen der Pandemie fielen nicht nur die drei Heiligtumsfahrten in diesem Jahr aus, auch zahlreiche Gemeindewallfahrten wurden abgesagt. Wie sollte das auch gehen, wenn man Abstand halten soll, im Gottesdienst und auch sonst nur eingeschränkt gemeinsam singen darf und eine Übernachtung vieler auf engem Raum wegen der Infektionsgefahr auch nicht möglich ist? Wie so vieles in den vergangenen Monaten, mit Kreativität und Augenmaß. Vor Ort entwickelten die Organisatoren Alternativen, wie pilgern und Gemeinschaft trotzdem möglich sein können. Das reicht von der Pilgerwoche vor Ort, pilgern in kleinen Gruppen und Etappen, bis zur Kevelaerwallfahrt in der verkürzten Ein-bis-zwei-Tage-Version.
„Nicht schon wieder gar nix“, darin war sich das Planungsteam der Burtscheider Familienwallfahrt zum Grab des heiligen Matthias in Trier einig. So sei irgendwie die Idee entstanden, statt gemeinsam in der Woche vor Christi Himmelfahrt, als Familien und in kleinen Gruppen über den Sommer bis zum Herbst die einzelnen Etappen an die Mosel zu pilgern, erzählt Martin Feinendegen. „Wir haben ein Pilgerheft mit Erinnerungen aus den
früheren Jahren, Impulsen und Streckenplänen gestaltet und das zusammen mit Blasenpflaster, Sonnencreme und Gummibärchen als ,Care-Paket‘ zum Selbständig- Pilgern an alle Familien geschickt, die wir in unserer Datenbank haben.“ Eingeladen sind auch alle anderen Gemeindemitglieder, die Lust an dieser etwas anderen Art zu pilgern haben oder denen es nicht möglich ist, über mehrere Tage mitzupilgern. Eine Idee, die gut angekommen ist.
Anfang Mai machte sich das Trier-Pilgerkreuz (geschnitzt hat es Gemeindemitglied Hans-Martin Lützenburg) mit einem Aussendungsgottesdienst auf seinen Weg nach Trier. Seitdem sind bereits eine ganze Reihe Leute auf den einzelnen Stre-ckenetappen unterwegs gewesen. „Unser Pfarrer Frank Hendriks hat sogar schon alle Etappen absolviert“, berichtet Martin Feinendegen.
Jeder Pilger erhält einen hölzernen Pilgertaler mit auf den Weg, den er am Etappenziel in eine Box einwirft, die das Planungsteam in den dortigen Kirchen aufgestellt hat. Am Ende sollen alle Boxen in der Matthiasbasilika in Trier zusammenkommen, als sichtbarer Beweis, wieviele Burtscheider zwar individuell, aber im Geiste doch als Pilgergemeinschaft unterwegs waren.
Gemeinschaft sei durch nichts zu ersetzen, sagt Uschi Weisgerber, Pastoralreferentin in St. Sebastian in Würselen. Aber Gemeinschaft lasse sich auch in anderer Form schaffen. Der Beweis ist die Pilgerwoche, die sie zusammen mit Kollegin Anna Jünger und Pfarrer Karl-Josef Pütz organisiert hat. Unter dem Thema „Wo du stehst ist heiliger Boden“ waren große und kleine Gemeindemitglieder Ende Juni auf die Suche nach ihren heiligen Orten in Würselen und darüber hinaus gegangen. „Heilige Orte müssen nicht unbedingt weit weg sein. Man muss gar nicht weit laufen“, erläutert Anna Jünger die Idee. Im kleinen Rahmen könne man auch als Familie oder in kleinen coronakonformen Gruppen pilgern.
Als Handreichung dazu entwickelten die Organisatoren ein Pilgerheft mit Impulsen und Anregungen. Darüber soll, so ihre Hoffnung, auch über die Woche hinaus eine spirituelle Gemeinschaft entstehen. In der hatten sie zum Gebet für Trauernde auf die Friedhöfe der Stadt eingeladen, zur stillen Anbetung in der Pfarrkirche St. Sebastian und zu Gottesdiensten für Kinder und Familien, sowie zu einem kurzen Pilgerweg mit Abstand und anschließender Komplet. Besonders schön sei gewesen, dass alle Kindergärten der Pfarrei sich beteiligt hätten. Die freuten sich schon auf 2022. Die Kinder, aber auch Erwachsene, konnten ihre ganz persönlichen heiligen Orte auf Zetteln notieren und an einem Fischernetz in der Kirche hinterlassen. „Die Menschen haben sehr Persönliches geteilt“, erzählt Anna Jünger. Das habe Verbundenheit geschaffen. Auch die Gottesdienste seien sehr intensiv gewesen.
Ihre Fortsetzung findet die Woche in Impulsen des Pastoralteams zu ihren persönlichen Orten. „Darüber wird das Thema vertieft und die Menschen lernen uns als Team besser kennen. Auch das schafft Nähe“, sagt Uschi Weisgerber. Auch das Pilgerheft wollen sie beibehalten, weil es eine gute Möglichkeit sei Menschen etwas an die Hand zu geben.
Die Wallfahrt nach Kevelaer hat in Christus unser Friede Kohlscheid ebenso wie in St. Peter und Paul Eschweiler eine lange Tradition. Über mehrere Tage gemeinsam als große Fußpilger-Gruppe unterwegs zu sein geht aber auch in diesem Jahr nicht.
Deshalb haben sich die Bruderschaften an beiden Orten für eine Kompromisslösung entschieden. Gepilgert wird nur die letzte Etappe bis Kevelaer, wo dann mit anderen Pilgern aus der Pfarrei, die per Auto dazukommen, Gottesdienst gefeiert wird – quasi „Kevelaer light“. Die Kohlscheider Pilger starten frühmorgens in Hinsbeck, wohin jeder individuell anreist, pilgern bis Kevelaer, wo einige wenige Zimmer für die zu Übernachtung zur Verfügung stehen, die am nächsten Tag zu Fuß zurück nach Hinsbeck pilgern. Für alle anderen gibt es am Abend einen Shuttle.
Die Eschweiler Kevelaer-Bruderschaft hat ihren Fuß-Pilgertag ab Lüllingen in eine Kevelaerwoche eingebettet. Geplant sind verschiedene Angebote in und rund um Eschweiler (so dies nach dem Hochwasser vor zwei Wochen schon wieder möglich ist): Eine Abendandacht an der Gedächtniskapelle Kirchspiel Lohn, ein Kreuzweg nach St. Cäcilia im Stadtteil Nothberg, ein Tag für die Kevelaer-Jugend und ein Freiluftgottesdienst im Bonifatius-Forum in Dürwiß mit anschließendem Frühstück.
Nur vier Beispiele, dass Not nicht nur erfinderisch macht, sondern sich Gemeinden liebgewordene Traditionen auch von Corona nicht kaputt machen lassen. Manchmal sind Pilgerwege halt krumm.