Unterwegs mit Katze Kim

Als erste Diözese bundesweit startet das Bistum Aachen das Präventionsprogramm „Starke-Kinder-Kiste“

Jerome Braun, Initiator des Projektes und Geschäftsführer der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel, demonstriert Almuth Grüner, der Präventionsbeauftragten beim Bistum Aachen, das Anschauungsobjekt. (c) Dorothée Schenk
Jerome Braun, Initiator des Projektes und Geschäftsführer der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel, demonstriert Almuth Grüner, der Präventionsbeauftragten beim Bistum Aachen, das Anschauungsobjekt.
Datum:
22. Juni 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 25/2021 | Dorothée Schenk

„Nein!“ Jerome Braun, Initiator des Projektes und Geschäftsführer der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel, demonstriert eindrucksvoll, welche Wirkung ein durchs Megafon gerufenes Wort haben kann. Alle Kinder gucken neugierig vom Spielen auf, alle Erwachsenen zucken zusammen.

Ortstermin in der Kindertagesstätte (Kita) St. Josef in Viersen. Das analoge Megafon gehört zur „Starke-Kinder-Kiste“, die von Hänsel+Gretel entwickelt und ab sofort der Einrichtung zur Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt zur Verfügung steht. Es geht darum, Kinder stark zu machen, sie zu befähigen, klare und die richtigen Worte für gute und schlechte Gefühle parat zu haben und sie deutlich auszusprechen.

Völlig normal und damit nicht in die Ecke „Tabu“ gehört für Kita-Leiterin Iris Oster-Pergens die altersgerechte Entdeckung des Körpers und die Beschäftigung mit Sexualität. „Es ist ein Teil der ganz normalen Entwicklung und dafür soll eben auch eine ganz normale Sprache verwendet werden.“ Dazu gehört eben auch, dass verniedlichende, vulgäre oder gar abstruse Wörter für die Geschlechter kein geeignetes Vokabular sind. „Die beste Prävention ist, wenn ein Kind sagen kann: Ich möchte nicht am Penis angefasst werden“, unterstreicht Jerome Braun. „Dann weiß das Gegenüber: Das Kind weiß genau, wovon es spricht. Das hat im Ernstfall eine enorme Wirkung in der direkten Konfrontation bei einem sexuellen Übergriff.“ Anlassbezogen oder in sechswöchigen „Präventionseinheiten“ kann mit der Kiste gearbeitet werden.

Magnettafeln mit Abbildungen von Kindern helfen, die Punkte zu markieren, an denen sich das einzelne Kind gerne oder eben lieber nicht anfassen lassen möchte. Auf spielerische Art und Weise soll die Vermittlung erfolgen, damit sie „Freude haben an dem Thema Prävention“, wie Braun sagt. Begleitet werden sie dabei vom „Alter Ego“, der Katze Kim, die durch das Programm führt. Sie gibt es zum Anfassen und als Protagonistin im Buch „Echte Schätze“, in dem die finale Erkenntnis bei der Bilderbuchbetrachtung ist: „Der größte Schatz bin ich“ – und den gilt es zu schützen. Da haben auch schlechte Geheimnisse keinen Platz, die schwer wie der Sandsack sein können, der ebenfalls zur „Starke-Kinder-Kiste“ gehört. „Wenn sie ihn loslassen und er fällt, merken sie, was es bedeutet, ein Geheimnis oder ein schlechtes Gefühl loszulassen“, beschreibt Braun den Effekt.

Die Kita St. Josef gehört zu den zehn Prozent der katholischen Einrichtungen im Bistum Aachen, die sich schon jetzt für dieses Programm entschieden haben.  „Ich freue mich sehr, dass das Bistum Aachen bundesweit das erste Bistum ist – ein klares Signal, das die katholische Kirche hier setzt“, sagt Jerome Braun. „Es war ein schöner Weg miteinander, und er geht jetzt weiter.“ – „Das Interesse ist sehr groß“, bestätigt Almuth Grüner, Präventionsbeauftragte beim Bistum Aachen und Fädenknüpferin der Kooperation. Mit 33 Einrichtungen wird gestartet. „Wir wollten den Startschuss geben und in die erste Phase eintreten“, weil die Kitas schon ganz „gespannt und sehr aufgeschlossen“ seien.


Der Anfang ist gemacht

Vor zwei Jahren ist Almuth Grüner auf den Aufruf von Hänsel+Gretel gestoßen, die 2019 gestartet sind und inzwischen rund 200 Starke-Kinder-Kisten in 13 Bundesländern in Umlauf gebracht haben. Im Bistum Aachen gibt es 344 katholische Tageseinrichtungen, in denen rund 18400 Kinder von rund 4500 pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut werden.

Finanziert werden die 2150 Euro teuren Kisten zur Hälfte durch das Bistum Aachen, 500 Euro Eigenanteil bringen die Kitas auf, und die Restsumme wird durch die Deutsche-Postcode-Lotterie gefördert. Wichtig zu wissen ist, dass sich auch mehrere Kitas eine Kiste teilen können – aus Kostengründen und zur Förderung des Austauschs. „Es geht auch um das Vernetzen zwischen Präventionsschutzkräften, Trägern, die in den Schutzkonzepten aktiv sind, und darum, jetzt auch Kinder und Eltern mit einzubeziehen“, erläutert Almuth Grüner.

Das Bistum Aachen hat Malu Thönnes und Sigrid Siebertz über Hänsel+Gretel qualifiziert, die die Teams schulen sollen. Grundvoraussetzung, um bei der „Starke-Kinder-Kiste“ mitzumachen, ist ein Schutzkonzept, das vorliegen muss. „Hier liegt die Quote im Bistum Aachen bei 97 Prozent“, lässt Almuth Grüner wissen und meint schmunzelnd: „Also kann sich fast jede Kita anmelden.“

Die "Starke Kinder Kiste"

3 Bilder