Unterwegs in Sachen Frieden

Jugendliche berichten von ihren Auslandseinsätzen und der Auseinandersetzung mit dem „Christ sein“

Veranstaltung des Jugendclubs des Arab Educational Institutes (AEI), den die Freiwilligen von Pax Christi mit betreuen.. (c) Pax Christi
Veranstaltung des Jugendclubs des Arab Educational Institutes (AEI), den die Freiwilligen von Pax Christi mit betreuen..
Datum:
8. Dez. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe49/2021 | Andrea Thomas

Wer nach dem Schulabschluss nicht sofort eine Ausbildung oder ein Studium anfangen, aber auch nicht einfach nur reisen möchte, entscheidet sich oft für einen Freiwilligendienst. Eine Möglichkeit ist da der Friedensdienst über Pax Christi. Was unterscheidet ihn von anderen Diensten, und wie dient man dem Frieden?

Die Gedenkstätte Auschwitz. Im Rahmen ihres Friedensdienstes begleiten und betreuen die Freiwilligen unter anderem Besuchergruppen. (c) www.pixabay.com
Die Gedenkstätte Auschwitz. Im Rahmen ihres Friedensdienstes begleiten und betreuen die Freiwilligen unter anderem Besuchergruppen.

Isabell Stelte und Alina Hötel (beide 22) waren beide als Freiwillige im Zentrum für Dialog und Begegnung im polnischen Oświęcim. Isabell 2017/18 und Alina – quasi ihre Nachfolgerin – 2019. Die Zeit in Polen im Schatten des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz und die Begegnungen mit Besuchern und Zeitzeugen haben die beiden jungen Frauen sehr beeindruckt.

Das seien schon besondere Erfahrungen gewesen, die man sonst so nicht machen kann. So hat Alina Gelegenheit gehabt, eine der letzten Schindler-Jüdinnen in Polen kennenzulernen. Eine Begegnung, die sie sehr beeindruckt hat. Auch für Isabell waren solche Begegnungen etwas Besonderes. „Ich habe unglaublichen Respekt davor, dass sie sich trotz allem auf die Reise machen, weil die Geschichte ihnen so wichtig ist.“

Isabell wollte nach dem Abitur ins Ausland, aber nicht einfach reisen, sondern „gerne einen Beitrag leisten, der sinnvoll ist“. Auch Bildungsarbeit und die Beschäftigung mit der jüngeren Geschichte haben sie gereizt.

Von Nähe, einer intensiven Zeit und der Notwendigkeit von Urlaub

Der Friedensdienst in Oświęcim habe daher gut gepasst, sagt Isabell. Das dortige Zentrum für Dialog und Gebet ist 1992 entstanden als Ort, der zur Versöhnung beitragen soll, an dem die Opfer geehrt werden, Menschen egal welcher Herkunft und religiösen Orientierung zusammen- und in den Austausch kommen können, damit das, wofür der Name Auschwitz steht, sich nie wiederholt.

„Ich habe Gruppen betreut, die die Gedenkstätte besucht haben, Führungen durch die Stadt und durch das jüdische Viertel gemacht“, erzählt sie. Das sei eine sehr intensive Zeit gewesen, verstärkt durch den Ort („Der Arbeitsweg führt jeden Tag an der Gedenkstätte vorbei“, berichtet Isabell) und durch die Leute, mit denen sie in den Austausch gekommen sei. Das empfindet auch Alina so, auch wenn sie zwischendrin Urlaub hätte nehmen müssen, um Abstand zu gewinnen.

Als sehr intensive Zeit hat auch Theresa ihren Friedensdienst empfunden. Sie war 2017/18 in Palästina und Israel, wo sie im Arab Educational Institute (AEI) in Bethlehem und für das lateinische Patriarchat in Jerusalem gearbeitet hat. Dort war sie in erster Linie als Dolmetscherin tätig. Am AEI hat sie vor allem mit Jugendlichen gearbeitet, unter anderem mit ihnen gemalt, Musik gemacht und einen Debattierkurs veranstaltet.

Religion ist ein Thema, mit dem sich  intensiv auseinandergesetzt wird

Ein Schwerpunkt des Friedensdienstes in Bethlehem ist die Arbeit mit Jugendlichen unterschiedlicher Religionen. Hier eine Gruppe vor der Mauer. (c) Pax Christi
Ein Schwerpunkt des Friedensdienstes in Bethlehem ist die Arbeit mit Jugendlichen unterschiedlicher Religionen. Hier eine Gruppe vor der Mauer.

„Ich habe in Bethlehem mitten in der Stadt gewohnt und bin herzlich in der Nachbarschaft willkommen geheißen worden und in die Umgebung eingetaucht“, erzählt sie. Nach 2015 habe sie Kontakt zu Geflüchteten gehabt und sich geärgert, dass sie deren Sprache nicht sprechen könne. „Ich wollte daher gerne Arabisch lernen und habe einen Weg gesucht, wie das vor Ort als blonde Frau möglich ist“, berichtet sie, wie sie zu dem Dienst in den Autonomiegebieten gekommen ist. Der war für sie auch eine spannende Auseinandersetzung mit dem „Christsein“. Gerade im Heiligen Land sei man lieber neutral. „Ich habe gesagt: ‘Ich bin ein Drittel christlich, ein Drittel muslimisch und ein Drittel jüdisch.’“ Auch bei den Jugendlichen ihrer Gruppe sei die Religion ein Thema gewesen, mit dem sie sich intensiv auseinandergesetzt hätten.

Geprägt hat der Dienst sie alle drei nachhaltig und war eine Erfahrung, die sie nicht missen möchten. Ob sie allerdings tatsächlich dem Frieden dienen konnten, da sind sie eher zurückhaltend. „Das ist schon ein sehr hoher Anspruch“, sagt Isabell. Aber wenn sich schon in einem Menschen etwas verändere, über ein Gespräch etwa mit einem Zeitzeugen, aus dem man etwas für sich mitnimmt, das zum Nachdenken und Reflektieren anregt, dazu Vorurteile zu überdenken, eine andere Perspektive einzunehmen… Es gebe unterschiedliche Narrative, die ihren Raum bräuchten. „Wir sind keine Weltverbesserer“, sagt auch Alina. Am meisten habe sie wohl selbst gelernt über unterschiedliche Perspektiven und Erinnerungskultur, über den Austausch mit den Gruppen, die nach dem Besuch der Gedenkstätte noch zusammengesessen hätten, oder den Austausch mit Überlebenden. Versöhnung könne gelingen, wenn man nicht auf eine gemeinsame Perspektive hoffe, sondern jeder seine vortrage.

Die Vorbereitung sei sehr wichtig, sagt Theresa. So hätte sie gerne noch mehr über länder- und kulturspezifische Dinge erfahren, worüber man nicht reden sollte, wie man auftritt. „Frieden gestiftet“ habe sie wenn, dann über Kommunikation, über Sport und israelische Freunde, die über sie ins Westjordanland gekommen seien, und über Gespräche mit palästinensischen Freunden.

Was alle drei mitnehmen, sind Einblicke in komplexe Zusammenhänge und Konflikte, in denen es nicht Schwarz und Weiß, sondern viele Grautöne, viele  Perspektiven und unterschiedliche Geschichten gibt. Pax Christi selbst hat sich intensiv mit dem Friedensprofil der Einsatzstellen auseinandergesetzt. „Die Freiwilligen bestätigen mit ihren Erfahrungen unsere Ideen zum Friedensdienst“, sagt Lea Scholtes, die für die Dienste zuständig ist. Dazu zähle für Pax Christi insbesondere die Motivation, sich gegen strukturelle Ungerechtigkeit und Gewalt in jeder Form einzusetzen und nach dem Weg der Versöhnung zu suchen. „Unsere Einsatzstellen sind sehr unterschiedlich und in verschiedenen Ländern und Gesellschaften angesiedelt. Verbunden sind sie durch das gemeinsame Ziel, sich für den Menschen und seine friedvolle Umgebung einzusetzen.“