Unterwegs als Trainerin für die Seele

Pastoralreferentin Elisabeth Keilmann ist Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz sowie Geistliche Bundesbeirätin im DJK-Sportverband

Elisabeth Keilmann – hier noch in München zum Eröffnungsgottesdienst der UEFA-Euro 2024 – bereitet sich derzeit auf die Olympischen Spiele und Paralympics in Paris vor. (c) DBK/Marko Orlovic
Elisabeth Keilmann – hier noch in München zum Eröffnungsgottesdienst der UEFA-Euro 2024 – bereitet sich derzeit auf die Olympischen Spiele und Paralympics in Paris vor.
Datum:
4. Juli 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 27-28/2024

Die Fußballer von Borussia Mönchengladbach haben den Klassenerhalt in der Bundesliga geschafft, Alemannia Aachen ist in die 3. Fußballliga aufgestiegen und der KFC Uerdingen in die Regionalliga West. Und dann hat sich die Nationalmannschaft noch fürs Achtelfinale der Europameisterschaft qualifiziert. Angesichts des Fußball-Freudentaumels im Bistum Aachen hat sich die KirchenZeitung mit Elisabeth Keilmann, Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz, unterhalten.

Brauchten Sie eine besondere Qualifikation, um Sport- und Olympiaseelsorgerin zu werden?

Elisabeth Keilmann: Als Pastoralreferentin war ich im Bistum Essen für den Bereich „Kirche und Sport“ verantwortlich, außerdem war ich geistliche Beirätin im DJK-Diözesanverband Essen und ehrenamtlich tätig als Vizepräsidentin des DJK-Bundesverbandes. Ich habe das Bistum Essen im Arbeitskreis „Kirche und Sport“ der katholischen Kirche in Deutschland vertreten, ebenso auf Ebene von Nordrhein-Westfalen. Mit Leidenschaft habe ich schon immer über Medien sportliche Großereignisse verfolgt und großes Interesse am Sport und seinen Themen gezeigt. Vielleicht waren diese Erfahrungen mit ausschlaggebend für meine Ernennung zur Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).  

 

Gleichzeitig sind Sie Geistliche Beirätin des DJK-Sportverbandes …

Elisabeth Keilmann: Wegen der Synergieeffekte und der optimalen Vernetzung ist es sehr sinnvoll, dass diese beiden Positionen in Personalunion geführt werden. 

 

Gibt es eine Sportart, die Sie selbst ausüben oder ausgeübt haben?

Elisabeth Keilmann: Wenn ich mal Zeit habe, gehe ich gerne wandern, fahre gerne Fahrrad und bin natürlich auch Mitglied in einem DJK-Sportverein. 

 

Zurzeit steht ja der Fußball im Vordergrund. Wie sehen ganz konkret Ihre Auf-gaben rund um die Fußball-EM aus?

Elisabeth Keilmann:  Aktuell bereite ich mich schon auf die Olympischen Spiele und Paralympics in Paris vor. Während der Euro 2024 gab es für mich zwei Schwerpunkte. Zum einen habe ich mitgearbeitet an einer ökumenischen Homepage. Die DBK und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben eine gemeinsame Plattform erarbeitet: fussball-begeistert.de, die gute Ideen bündelt. Fußballbegeisterte sind eingeladen, diesen Fundus für Initiativen und Aktionen oder Gottesdienste und Impulse rund um die Zeit der Fußball-Europameisterschaft zu nutzen. Zu diesem Zweck haben wir Rubriken eingerichtet. Einmal gibt es dort „begeisterte Statements“, unter anderem vom Präsidenten des Deutschen Fußballbundes Bernd Neuendorf, zum Thema „Fußball und Glaube“. Dann haben wir noch eine Rubrik mit „Materialien“. Dort werden Gottesdienstentwürfe oder Impulse vorgestellt, aber auch Hinweise zum Public Viewing gegeben. Das dritte Feld sind die „Kopfbälle“. Da findet man Texte zum Beispiel zum Fair play, zur Geschichte des Fußballs, zum Thema Fankultur. Die vierte Rubrik gibt Informationen zu Terminen und beinhaltet Hinweise aus unterschiedlichen Diözesen. Die Homepage wird ständig weitergefüllt unter dem Punkt „News“.

Meine zweite Aufgabe in Bezug auf die EM waren Vorbereitung und Mitwirkung beim ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der Euro 2024 in der Jesuitenkirche mitten in München. Unter dem Motto „United“ haben wir das Miteinander von Glaube, Vielfalt und Sport aufgezeigt und vor allem für die Mitwirkenden und Gäste der UEFA-Euro 2024 Gottes Segen erbeten. Unter den Gästen des Gottesdienstes befanden sich der Generalsekretär der Schottischen Bischofskonferenz, Fr. Gerard Maguiness und die Präsidenten des Deutschen und Schottischen Fußballbundes, Bernd Neuendorf (DFB) und Mike Mulraney (SFA).

Zum Abschluss des Gottesdienstes hatten wir noch eine sehr schöne Aktion: Wir haben vor der Kirche Luftballons mit Segenskarten steigen lassen als Zeichen für die Hoffnung und Gebete, die wir mit diesem Turnier verbinden.

 

In diesen Tagen wird ja gerne an das Sommermärchen 2006 erinnert …

Elisabeth Keilmann: Der Slogan der UEFA-Euro 2024 lautet in der Hoffnung auf ein großes Fußballfest: „United by football – Vereint im Herzen Europas“. Es geht da um die Botschaft von Einheit, Zusammengehörigkeit und Inklusion. Sport und Kirche können gemeinsam Großartiges bewirken, wenn es um die Umsetzung von Werten geht, die für uns alle wichtig sind, wie Fairness, gegenseitige Wertschätzung, Teamgeist und Solidarität. Ich wünsche mir natürlich ein faires und friedliches Turnier und das Erleben von Freude und Gemeinschaft. 

 

Wie stehen Sie zu Begriffen wie „Fußballgott“, „heiliger Rasen“?

Elisabeth Keilmann: Es gibt die religiösen Begrifflichkeiten wie „zum Stadion pilgern“, „Kathedrale des Fußballs“ und halt auch Symbole und Rituale in der Fankultur. Für mich bleibt Religion der Glaube an Gott. Es geht um die Inspiration aus der Kraft und dem Geist unseres Glaubens. Fußball ist für mich keine Religion und auch keine Ersatzreligion. 

 

Sind Sie als Sportseelsorgerin auch vor Ort im Einsatz?

Elisabeth Keilmann: Jetzt bei der Euro 2024 nicht, aber bei den sportlichen Groß- events. Da sind wir ein ökumenisches Seelsorgeteam, das hat Tradition seit 1972. Wir werden eingesetzt bei den Olympischen Spielen, bei den Paralympics, bei den World-University-Games (das sind die Weltspiele der Studierenden) und seit 2022 auch bei den Special Olympics, das sind die Spiele der Menschen mit geistiger und Mehrfachbeeinträchtigung. 

 

Wird das Angebot der Seelsorge von den Sportlerinnen und Sportlern angenommen?

Elisabeth Keilmann: Es ergeben sich ganz schnell sehr gute Gespräche, auch mit Menschen, die nicht der Kirche angehören. Viele sprechen sehr offen, weil die Gespräche vertraulich behandelt werden, und schätzen das Interesse an ihrer Person und an ihrem Sport abseits ihrer Leistung. Das Seelsorge-Team ist aber nicht nur für die Athletinnen und Athleten da, sondern in Chengdu (Universiade 2022, die Red.) kamen auch Trainerinnen und Trainer, Betreuerinnen und Betreuer und Familienangehörige. Bei den World-University-Games 2019 in Neapel sagte eine Sportlerin zu mir: „Seelsorge, das ist ein passender Begriff. Es ist gut, auch Trainer für die Seele dabei zu haben.“ Als Kirche wollen wir mithelfen, dass niemand ins Abseits gerät. In extremen Situationen sind wir auch als Notfallseelsorger ansprechbar. Zum Beispiel gab es 2016 in Rio den tödlichen Unfall eines Kanutentrainers.

Mein evangelischer Kollege und ich sind als Seelsorger für das Team D immer ansprechbar, darüber hinaus auch für die Familien und Freunde der Sportlerinnen und Sportler. Wir haben ein offenes Ohr und Zeit für vertrauensvolle Gespräche. Zudem möchten wir Gottesdienste und Meditationen als „Auszeiten“ im Religiösen Zentrum des Athletendorfes und im Deutschen Haus anbieten.

In Paris hat unser Seelsorgeteam gute Kontakte, dort gibt es eine evangelische und eine katholische deutschsprachige Gemeinde.  Zu guter Letzt wünsche ich mir spannende und natürlich vor allem faire und friedliche Spiele und ein gutes Miteinander aller Beteiligten. 

Das Gespräch führte Ruth Schlotterhose.

Einsatzorte

- Die UEFA-Euro 2024 wurde am Freitag, 14. Juni, in München eröffnet und endet am Sonntag, 14. Juli, mit dem Finale in Berlin.
- Die Olympischen Spiele 2024 werden vom 26. Juli bis 11. August in Paris ausgetragen.
- Die Paralympics werden vom 28. August bis 8. September 2024 ausgetragen.
- Die nächsten Special World  Games (für Menschen mit geistiger undMehrfachbeeinträchtigung) sollen 2027 in Santiago de Chile stattfinden.