Ob Unfall auf dem Weg zur Arbeit, chronische Krankheit oder bedingt durch das fortschreitende Alter: Jeder Mensch kann in jedem Alter von heute auf morgen pflegebedürftig werden. Die meisten Menschen möchten verständlicherweise das gewohnte Umfeld aber nicht verlassen. „Familien sind die größten Pflegedienste überhaupt, ohne Familien würden ganze Systeme zusammenbrechen“, sagt Pflegefachfrau
Gülay Baser vom St.-Antonius-Hospital Eschweiler.
Wer sich dafür entscheidet, Angehörige zu Hause zu pflegen, sollte aber stets auch vor Augen haben, dass dieser Schritt für alle Beteiligten eine tiefgreifende Lebensumstellung bedeutet – und dass die Herausforderungen und Anforderungen groß sind. „Wir möchten pflegende Angehörige darauf vorbereiten. Und ihnen auch aufzeigen, wo sie selber Hilfe bekommen, um nicht selbst unter der Belastung zusammenzubrechen“, sagt die Expertin.
Gülay Baser und ihre Kollegin Monika Conzen bilden das Team der Familialen Pflege, das Angehörige unterstützen, stärken und schulen möchte. Zum kostenlosen Angebot gehören Pflegetrainings für Angehörige und Schulungen sowie Gesprächskreise für Pflegende in der Familie, deren Angehörige mit Demenz leben. Meist wird das Team über das Case-Management oder den Sozialdienst des Krankenhauses ins Boot geholt, Angehörige können sich aber auch direkt mit Fragen und Hilfegesuchen an die Pflegeexpertinnen wenden. „Angehörige muten sich oft zu viel zu, wissen nicht, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt, wie und wo sie Hilfe bekommen können“, sagt Gülay Baser.
Ob Betreuungsdienste, die Pflege rund ums Bett, Hilfsmittel und die obligatorischen Formulare, von denen je nach Fall eine Menge auszufüllen sind: Das Team der Familialen Pflege unterstützt in Theorie und Praxis. „Wir wollen von vornherein verhindern, dass Angehörige sich zu viel zumuten – und selbst als Patienten zu uns zurückkommen“, sagt Gülay Baser. „Richtiges“ Pflegen ist mehr als rückenschonendes Arbeiten – doch die richtigen Techniken müssen erst vermittelt und erlernt werden.
„Ich war völlig unwissend. Ich hatte keine Ahnung, wie ich jemanden richtig im Bett lagere, kannte keine einzige Pflegetechnik und wusste nicht, welche Unterstützung uns überhaupt zusteht“, blickt Monika Kronenberg zurück, die bereits zwei Mal eine dreitägige Schulung für pflegende Angehörige (siehe Infokasten) absolviert hat. Als ihr Mann die Diagnose Darmkrebs erhielt, veränderte sich schlagartig das gewohnte Leben. Nach der Operation und sechs Wochen im Krankenhaus wurde ihr Mann zwar entlassen, muss aber fortan zu Hause aufgrund einer Stoma-Anlage gepflegt werden.
„Die Schulungen und die Beratungen der Expertinnen haben mir sehr viel gebracht. Ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl, einen Ansprechpartner zu haben“, empfiehlt Monika Kronenberg, keine Scheu zu haben und direkt die Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Es hat Überwindung gekostet“, sagt sie, doch umso mehr weiß sie heute, dass sich kein Mensch schämen muss, um in einer herausfordernden Situation eine helfende Hand anzunehmen.
Die Expertinnen helfen nicht nur in der Theorie, sie unterstützen Angehörige auch bei Anträgen, der Beantragung eines Pflegegerades oder einer Höherstufung und schauen sich auch das Wohnumfeld genau an, um beispielsweise das Sturz-Risiko zu minimieren oder Tipps für etwaige Umbauten und Anpassungen zu geben. So wurde beispielsweise auch bei den Kronenbergs das Bad umgebaut und barrierefrei gestaltet.
„Es muss so mancher bürokratische Kampf gekämpft werden“, bilanziert Monika Kronenberg, die aber auch Positives hervorhebt und sich neben der Familialen Pflege auch bei der Pflegeberatung der Städteregion Aachen bedankt. „Niemand muss sich alleine den Herausforderungen stellen“, unterstreicht Gülay Baser. Die Expertin verschweigt aber auch nicht, dass nicht jeder Wunsch, zu Hause gepflegt zu werden, sinnvoll umsetzbar ist. „Manchmal müssen wir auch Augen öffnen. Wir beschönigen nichts und sprechen aus Erfahrung“, sagt sie. Die Entscheidung, wie und wo Pflege gestaltet wird, liegt selbstverständlich immer bei den Patientinnen und Patienten.
Wer sich nicht sicher ist, was sich beispielsweise hinter Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege verbirgt, erhält Antworten in den kostenlosen Schulungen. Der erste Vormittag steht ganz im Zeichen der (bürokratischen) Prozedere und Antragsverfahren und vermittelt auch, welche Leistungen und Hilfsmittel Patientinnen und Patienten zustehen. Die Themen Pflege im Bett, richtige Lagerung, Hilfsmittel und Hygiene werden in Theorie und vor allem mit praktischen Übungen und Anwendungen vermittelt.
Gesundheitsförderndes Verhalten, die Unterstützung der Selbstständigkeit und die Förderung der Lebensqualität stehen ebenfalls auf dem „Lehrplan“. Stets wird dabei an die pflegebedürftigen Personen und pflegende Angehörige gleichermaßen gedacht. „Unser Ziel ist es, so zu unterstützen und zu stärken, dass die Pflege zu Hause funktionieren kann“, betont Gülay Baser.
Das Team der Familialen Pflege am St.-Antonius-Hospital Eschweiler bietet regelmäßig kostenlose Schulungen für pflegende Angehörige an. An drei Vormittagen werden in einem jeweils dreistündigen Kursabschnitt von 9.45 bis 12.45 Uhr im Elisabethheim verschiedene Themen besprochen und mit praktischen Übungen vertieft. Die nächsten Schulungstermine sind: 7./14./21. Juni, 12./19./26. Juli, 11./18./25. Oktober und 15./22./29. November.
Weitere Auskunft und Anmeldung beim Team unter Tel. 0 24 03/76-18 67 und -16 79 sowie per E-Mail an: familialepflege@sah-eschweiler.de.