Unter Aachens Dächern

Studierende der Katholischen Hochschule (Katho) haben sich mit Wohnungslosigkeit beschäftigt

(c) Andrea Thomas
Datum:
16. Feb. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2022 | Andrea Thomas

Der Blick über Aachens Dächer macht deutlich, wie viele Menschen hier leben und wohnen. Nicht jeder hat dabei ein schickes Dach über dem Kopf. Es fehlt an gutem und bezahlbarem Wohnraum. Und einige haben gar kein Dach. Studierende der Katho haben sich in einer Studie mit „Wohnungslosigkeit in Aachen“ beschäftigt.

(c) Andrea Thomas

Als wohnungslos bezeichnet man Menschen, die keine feste Wohnung haben, für die sie Miete bezahlen: obdachlose Menschen, die auf der Straße leben, aber auch Haftentlassene, Frauen und Kinder, die wegen häuslicher Gewalt ihre Wohnung verlassen müssen, Menschen, deren vier Wände zum Beispiel durch einen Brand unbewohnbar geworden sind, die in eine schwierige soziale Situation geraten sind, in der sie ihre Miete nicht mehr zahlen können und deshalb aus ihrer Wohnung raus müssen.

Eine Ursache für letzteres ist auch in Aachen, wie die Studierenden skizzieren, dass es an öffentlich gefördertem Wohnraum fehlt. Im Jahr 2020 konnten nur 29 Prozent der Nachfragen danach befriedigt werden. Bis 2030 wird sich die Lage wohl noch verschärfen, da 59 Prozent des jetzigen Bestands an solchem Wohnraum aus der Mietpreisbindung fallen und in den freien Markt übergehen. Auch ist der Wohnungsmarkt – besonders in großen Städten – immer mehr zum Spielfeld für Finanzspekulationen geworden. Bezahlbarer Wohnraum ohne Mängel ist oft schwer zu finden, ebenso wie Vermietende, die Menschen in schwieriger Lebenssituation eine Chance geben.

Insgesamt ist das Spektrum an Ursachen für Wohnungslosigkeit und -not in Aachen vielfältig. In ihren Interviews mit Betroffenen haben die Studierenden viele Einzelschicksale kennengelernt. Ihr Fazit daraus: Wohnungslosigkeit ist ein schichtübergreifendes Problem, das mit gravierenden Lebenseinschnitten einhergeht. Trifft eine so heterogene Gruppe in städtischen Übergangswohnheimen aufeinander, sind Konflikte vorprogrammiert. Dies wissen auch die Verantwortlichen bei der Stadt und der freien Wohlfahrtspflege, wie Caritasverband, Alexianer und Diakonie, die daher um eine konfliktarme Unterbringung und eine betreuende Begleitung bemüht sind.

Lösungsansätze diskutiert

Mark Krznaric (Caritas), Sandra Knabe (Stadt), Susanne Schulte (Wabe) und Ann-Kathrin Steibert (AK Kritische Soziale Arbeit). (c) Andrea Thomas
Mark Krznaric (Caritas), Sandra Knabe (Stadt), Susanne Schulte (Wabe) und Ann-Kathrin Steibert (AK Kritische Soziale Arbeit).

Zur Vorstellung ihrer Studie hatten die Studierenden Vertreter aus diesem Bereich ebenso wie Interessierte eingeladen, um mit ihnen die aktuelle Situation in Einrichtungen und Angeboten für Wohnungslose sowie Lösungsansätze zu diskutieren. Denn, darin sind sich alle einig, Wohnen ist ein Grundrecht. Ein Ansatz, den die Studie vor- und zur Diskussion stellt, ist „Housing first“. Wohnungslose bekommen eine eigene Wohnung, ohne an Bedingungen gebunden zu sein, und sind nicht mehr auf Not- oder Gemeinschaftsunterkünfte angewiesen. Bestehende Probleme wie Sucht, Schulden oder Arbeitslosigkeit werden in der Begleitung angegangen.

In Mönchengladbach setzt der dortige Caritasverband dies gemeinsam mit dem Verein Wohlfahrt bereits um. Die Idee wurde auch in Aachen grundsätzlich begrüßt – als eine Ergänzung zu bestehenden Ansätzen. Denn gerade bei Menschen mit Sucht- oder psychischer Erkrankung fehle es oft an Problembewusstsein. Wenn sie eine Wohnung hätten, bedeute das nicht, dass sie dann auch nötige Hilfen annähmen , erklärt Mark Krznaric, beim Regionalcaritasverband zuständig für die Angebote „Café Plattform“ und „Troddwar“. Auch Sandra Knabe, zuständige Abteilungsleiterin in der Stadtverwaltung Aachen, findet die Idee gut. Sie müsse aber gut begleitet werden, sonst seien Vermieter schnell weg.
Ein weiterer Ansatz der Studierenden: mehr Sozialarbeiter, um Menschen in den Übergangswohnheimen rund um die Uhr und gerade auch an den Wochenenden zu begleiten. Auch damit können sich die in der Praxis Tätigen schnell anfreunden, doch dafür fehlt schlicht das Geld.

Ein frischer Blick

Um Begleitung geht es auch bei Tandem-Streetwork, mobile Sozialarbeit, die ehemals Betroffene und ihre Erfahrungen einbindet. Mit ihrem Projekt „Querbeet“, das sich um öffentliche Grünanlagen kümmert, seien sie da schon nahe dran, sagt Mark Krznaric. „Wenn die Gruppe unterwegs ist, spricht sie immer wieder Menschen an, wirbt für das Projekt und die Teilnehmenden und macht mobile, niedrigschwellige Beratung.“

„Querbeet“ ist entstanden auf Anregung von Menschen, die das Troddwar am Kaiserplatz oder das Café Plattform besuchen. Es ist damit ein Beispiel für eine weitere Anregung aus der Studie, die Menschen, um die es geht, einzubinden, ihnen eine Stimme zu geben und ihre Ideen und Wünsche zu berücksichtigen. Im Café Plattform geschieht dies über das Plattform-Plenum.

In anderen Einrichtungen, wie zum Beispiel den betreuten Wohnprojekten, die in Aachen unter anderem das diakonische Netzwerk Wabe anbietet, gibt es Wohngruppenbesprechungen und gemeinsame Aktivitäten, über die ein Austausch stattfindet. Nicht alles ist neu, aber den frischen Blick der Studierenden empfanden die Verantwortlichen als hilfreich für ihre Arbeit.