„Uns liegt viel an Kirche!“

Dieter Verheyen und Herbert Schaber von der Initiative „Kirche bleibt hier“ im Interview

Haben das Netzwerk „Kirche bleibt hier“ im Jahr 2019 gegründet (v. l.): Heinz-Günter Jünger, Dieter Verheyen und Herbert Schaber. (c) Andreas Herrmann
Haben das Netzwerk „Kirche bleibt hier“ im Jahr 2019 gegründet (v. l.): Heinz-Günter Jünger, Dieter Verheyen und Herbert Schaber.
Datum:
5. Jan. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 01/2022

Seit Frühjahr 2019 versucht die Initiative „Kirche bleibt hier“ den „Heute-bei-dir“-Prozess aus dem Blickwinkel der Kirchenvorstände zu verfolgen. Die drei Gründer Dieter Verheyen, Herbert Schaber und Heinz-Günter Jünger treibt vor allem die Sorge um die Zukunft des den Kirchenvorständen anvertrauten Vermögens und der Gemeindestrukturen „vor Ort“ an. Deshalb haben sie ein Netzwerk, bestehend aus aktuell rund 270 Kirchenvorständen, im Bistum Aachen aufgebaut. 

Herr Schaber, Herr Verheyen. Der Synodale Veränderungsprozess „Heute bei dir“ hat sich 2018 auf den Weg gemacht. Warum haben Sie sich nicht im Prozess beteiligt, sondern eine eigene Initiative gestartet?

Schaber:   Ehrlich gesagt, war ich von der Vorgehensweise im „Heute bei dir“-Prozess von Beginn an nicht ganz überzeugt. Ich hatte die Befürchtung, dass wir uns im Bistum Aachen an der Trierer Entwicklung orientieren würden, die bekanntlich inzwischen von Rom in Teilen gestoppt wurde. Deshalb hat mich der Gedanke angeregt, wie ich mich alternativ für unsere Kirche vor Ort einbringen könnte. Ganz schnell konnte ich Dieter Verheyen, Heinz-Günter Jünger und den Kirchenvorstand von St. Severin Eilendorf begeistern. Inzwischen steht die Initiative „Kirche bleibt hier“ mit rund 270 Kirchenvorständen in Kontakt. So hat sich die Pfarrinitiative sehr schnell bistumsweit entwickelt. Wir sehen uns aber nicht als Widerständler, sondern wir wollen den Prozess konstruktiv und kritisch begleiten; denn uns liegt viel an Kirche. 

 

Die Ergebnisse der Basis-AG 3, die sich mit den Pastoralen Räumen beschäftigt hat, liegen inzwischen vor. Wie lautet Ihr erstes Resümee?

Verheyen:   Es ist richtig, dass wir bis Juni 2021 überhaupt keine Vorstellung davon hatten, was denn überhaupt von der Basis-AG erarbeitet wurde. Mit Blick auf die Ergebnisse können wir nur sagen: Die Basis-AG hat handwerklich solide gearbeitet. Dennoch bleiben noch viele Fragen offen. Das größte Problem, das wir sehen, ist: Es gibt einen hohen Zeitdruck und eine noch höhere Erwartungshaltung. Man kann ja kaum einen Prozess durchführen und dann am Ende keine Ergebnisse präsentieren. Ende März soll die Synodalversammlung über mögliche Ergebnisse entscheiden, wie eine künftige Struktur im Bistum Aachen aussehen soll. Viele Kirchenvorstände sehen die große Gefahr, dass einfach über ihre Köpfe hinweg entschieden werden soll. Das halten wir für den falschen Weg. 

 

Sie befürchten, dass Sie überrollt werden?

Verheyen:   Ja, und deshalb setzen wir auch auf unser Netzwerk und haben vor den Kirchenvorstandswahlen Druck gemacht, weil es sehr wichtig ist, die Kirchengemeinden an diesem Prozess in geeigneter Weise zu beteiligen. Uns war von Anfang an klar, dass wir als Eilendorfer Kirchenvorstand allein kaum wahrgenommen würden. Anders als anderen Gruppierungen im Bistum fehlt den Kirchenvorständen aber auch eine Verankerung in der Struktur. Es gibt den Diözesanrat der Katholiken, und viele andere Gruppen sind gut organisiert; doch die Kirchenvorstände können nicht auf eine übergeordnete Struktur zurückgreifen. Wir glauben daher, dass die Gründung eines „Kirchenvorstand-Rats“ in den acht Regionen und dann auch auf der Diözesanebene eine gute Idee sein könnte, um das „Nichtgehörtwerden“ in Zukunft zu vermeiden.

Die Zahlen sehen nicht rosig aus. Bis 2050, so die Erwartungen, werden sich Kirchenmitglieder und Kirchensteuerzahlungen nahezu halbieren. Das spricht doch nicht für einen „Weiter-so“-Kurs? 


Schaber:   Niemand schätzt die Situation naiv ein. Aber wir dürfen doch nicht über die langfristige Erwartung das Heute und Hier vergessen und müssen auch die nächsten zehn Jahre in den Blick nehmen. Bei uns als Kirchenvorstand St. Severin ging es zunächst darum, die Frage nach der Zukunft der Vermögensverwaltung zu betrachten. Erst später hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass mögliche Neustrukturierungen auch pastorale und verwaltungsrechtliche Dimensionen haben. Im Bistum Trier ging es zum 
Beispiel nicht nur um die pastorale Zusammenführung, sondern auch darum, Pfarreien so zu fusionieren, dass das Vermögen in neue, größere Strukturen übergeht. Dadurch entstehen vor Ort Ängste, auf die wir aufmerksam machen. Grundsätzlich sind wir nicht gegen Strukturveränderungen. Wir wollen konstruktiv und vor allem mit allen Beteiligten – auch dem Synodalkreis – überlegen, wo die Reise hingehen soll.

 

Wie lauten Ihre Forderungen?

Verheyen:   Alle Beteiligten müssen sich die Situation vor Ort jeweils genau anschauen, da es bistumsweit große Unterschiede gibt. Anfangs haben wir gedacht, dass kleine Gemeinden vielleicht nicht mehr lebensfähig sein könnten; doch eher das Gegenteil ist der Fall, wie wir es auf den von uns organisierten sieben Regionaltreffen erfahren haben. Die Kirche hat in den Großstädten ganz andere Probleme als auf dem Land. In diesen Regionen wie etwa der Eifel funktioniert oft das Gemeindeleben noch richtig gut. Durch die Regionaltreffen ist uns noch einmal deutlich geworden, wie unterschiedlich die Gegebenheiten und Herausforderungen der Kirchengemeinden wirklich sind.

Etwa 90 Prozent der Kirchenvorstände, die sich an unserem Votum zum Papier der Basis-AG beteiligt haben, wollen keine Fusionen oberhalb der heutigen Ebene der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG); das ist für sie die größte Gefahr. Dort, wo die 28 GdG bereits zu einer Pfarrei fusioniert sind, wäre unser starkes Votum: Lasst diese Pfarreien in Ruhe, denn sie haben ihren Fusionsbeitrag bereits geleistet. Andererseits haben wir noch 43 GdG, die aus bis zu 15 Pfarreien bestehen. Da denken wir schon, dass ein Zusammengehen von Fall zu Fall Sinn machen könnte; aber nicht weil dies von oben angeordnet wird, sondern weil die betroffenen Pfarreien vor Ort es so wollen. Solange aber Strukturen vor Ort funktionieren, stellt sich doch die Frage: Warum diese zerschlagen?“


Schaber:   Unsere Sorge ist, dass die Kirchenvorstände in Zukunft durch eine mögliche Zusammenlegung nicht mehr die gleiche Arbeit machen wie bisher, sondern nur noch lokale Ansprechpartner für einen großen Verwaltungsrat sind. Was würden die noch rund 2500 Kirchenvorsteher im Bistum Aachen sagen? Würden diese Personen in ein noch größeres Gremium gehen? Ich würde es nicht tun. Der Punkt ist doch: Nähe muss gegeben sein und keine Anonymität. Deswegen plädieren wir auch nachdrücklich für die Weiterentwicklung von „Laien in Leitung“, was bei den Kirchenvorständen bedeuten könnte, dass in Zukunft der Pfarrer nicht mehr automatisch der Vorsitzende des Gremiums sein muss. 


Das heißt: Sie fürchten einen extremen Aderlass bei den ehrenamtlich Engagierten, wenn sie zwar noch Ämter bekleiden, aber nichts mehr entscheiden können?

Verheyen:   Unsere Kirchenvorstände: Das sind viele aktive Frauen und Männer, die eine große Motivation für ihre Arbeit am Ort haben. Sie nehmen eine hohe Verantwortung wahr und sind auch bereit, diese weiter zu tragen. Aber: Ohne jegliche Verantwortung – gerade auch für das Vermögen – bekommen sie nicht mehr solch qualifizierte Ehrenamtliche für die Arbeit in den Kirchenvorständen, wie es sie momentan gibt. Nur noch den Hausmeister zu spielen, um eine Dachpfanne zu reparieren, wird aus unserer Sicht nicht funktionieren. Von daher unsere dringende Bitte an den Synodalkreis: Beachten Sie das Risiko, dass sich viele Kirchenvorsteher verabschieden könnten und deren unentgeltliche wertvolle Arbeit dann vor Ort wegfällt. Wir stellen uns die Frage, die wahrscheinlich viele haben: Warum den jetzigen Kirchenvorständen etwas wegnehmen, was bis heute gut funktioniert? Unserer Meinung nach können pastorale Räume neu gedacht werden, ohne funktionierende Gemeindestrukturen aufgeben zu müssen.


Schaber:   Ich glaube, dass wir uns gut überlegen müssen, wie viel Zentralisierung beziehungsweise Dezentralisierung in Zukunft notwendig sein wird und was unbedingt erhaltenswert ist. Für mich ist nicht entscheidend, was in 20 oder 30 Jahren sein wird. Niemand kann das voraussagen. Wir müssen die mitnehmen, die sich heute für die Kirche engagieren.

Das Gespräch führte Marliese Kalthoff.