Nach gut zwei Jahren Bauzeit sind die ersten Bewohner in die neue Wohnkirche
St. Johannes an der Urftstraße in Rheydt eingezogen. Nachdem die Kirche 2015 entwidmet wurde, beschloss der Caritasverband Mönchengladbach 2020, daraus Wohnungen zu machen. Ein Besuch bei Pfarrer Michael Schicks, der in eine der Wohnungen zieht.
Die Wohnung ist komplett eingerichtet. Die Bücher stehen sauber aufgereiht in den Regalen, die alte Wanduhr ist schon an die Wand montiert, die Kaffeemaschine steht in der Küche. Alles so, wie es in einer neuen Wohnung sein soll. Nur die vier Stühle ohne Tisch, die vor der Küchenzeile stehen, verraten, dass hier noch nicht alles komplett ist. „Der Tisch, Kleiderschrank und die Garderobe fehlen noch“, sagt Pfarrer Michael Schicks. Obwohl er es schon könnte, hat er noch nicht in seiner neuen Wohnung in der ehemaligen Kirche übernachtet. Das hebt er sich auf für den Tag, an dem alles komplett ist. Es dauert nicht mehr lang.
Noch führt der Weg zum Eingang durch eine Baustelle. Links und rechts stehen Bauzäune, ein Bagger parkt mitten im Sand. Aber man kann schon ahnen, wie es hier einmal aussehen wird. Das Ensemble mit der früheren Kirche St. Johannes, dem Café Hannes und dem Lädchen sowie dem Wohnhaus für alleinerziehende Teenager-Mütter wird nicht nur ein Zentrum der Begegnung. Es dürfte gestalterisch auch bald ein Schmuckstück im Quartier am Schmölderpark werden. Hier, wo nun 23 Wohnungen, 14 davon im sozialen Wohnungsbau, und eine Tagespflege mit 15 Plätzen entstanden sind, hat Michael Schicks früher mit der Gemeinde Gottesdienste gefeiert. Der Grundstein für die Kirche ist in der Eingangs-halle noch zu sehen – auch wenn das Gebäude etwas höher ist, als die Kirche es war. Das Dach wurde fundamentiert und darauf sechs Wohnungen gebaut.
Der frühere Kircheneingang ist heute der Haupteingang des Wohnhauses. Wo früher Glasfenster waren, sind heute Balkone, die einen Blick in die Straße gegenüber, auf die Schule und zum Park ermöglichen. Wer von der Straße gegenüber auf das Gebäude zugeht, kann das Kirchenkreuz darauf noch sehen.
Innen erinnert vor allem der Mangel an rechten Winkeln in den Ecken an den Kirchenbau. 1964 wurde St. Johannes als katholische Kirche geweiht. Die Architektur ist zeitlos, der Bau ist an der Front breiter als an der Rückseite. Der Kirchenraum lief zum Altar hin zusammen, so dass sich die ganze Aufmerksamkeit auf das Geschehen konzentrierte. Das zeigt sich heute in den Wohnungen.
Der Standort des Altars wird heute von einer Wand durchzogen, die den Aufenthaltsraum in der Tagespflege von den Ruheräumen trennt. Wo früher die Kirchenbänke standen, sind heute Lagerräume. Statt der Werktagskapelle gibt es nun einen Aufenthaltsraum für die Bewohner, und am früheren Standort der Orgel wird nun die große Wäsche gemacht. Was ist das für ein Gefühl, dort zu wohnen, wo man früher den Glauben gefeiert hat? Fühlt man sich hier dem Herrn näher als in der früheren Pfarrerswohnung direkt neben der Kirche Herz Jesu? „Ich glaube, das ist zu hoch aufgehängt“, sagt Schicks. Der Umzug habe für ihn nichts Mystisches, wenn er sich auch sichtlich auf die neue Bleibe freut. „Ich freue mich darauf, dass ich dann sagen kann, dass ich am Ende des Tages nach Hause gehe“, sagt er. Mit seinem neuen Balkon habe er zum ersten Mal einen eigenen Außenraum, an dem er ungestört ist.
2015 musste das Gotteshaus aufgegeben werden: die Heizungsanlage war
defekt, und die hohen Kosten für die Reparatur hätte die Gemeinde nicht aufbringen können. Also wurde der Beschluss gefasst, dass die Kirche aufgegeben wird. „Wir haben trotzdem den 50. Geburtstag der Kirche gefeiert“, erinnert sich Schicks. Dass 2013 eine polnische Gemeinde in einem freundlichen Brief schrieb, dass die Glocken von St. Johannes eigentlich ihr gehörten und im Krieg abmontiert worden seien, nennt Schicks eine glückliche Fügung. Die Glocken konnten zurückgegeben werden und läuten heute wieder. „Noch während des letzten Gottesdienstes wurden sie abmontiert und in die Kirche gebracht, so dass sich die Gemeinde verabschieden konnte“, berichtet Schicks.
Wer um die Geschichte dieses Gebäudes nicht weiß, kann keine Kirche mehr erkennen. Nur die Tafel, die noch angebracht werden muss, berichtet, wie sie zur Lebenskirche St. Johannes, einem Seniorenwohnhaus, wurde.