Tragendes Klangwerk

Die Glocken der Alten Kirche Körrenzig können nach der Sanierung wieder geläutet werden

(c) Arne Schenk
Datum:
2. März 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 09/2022 | Arne Schenk

Zehn Minuten Glockenläuten, zuerst fünf Minuten die tiefklingende Glocke, dann drei Minuten die hellere, noch einmal zwei Minuten beide zusammen, dann war der Test vorbei. „Alles bestens!“, ist das Fazit des Tragwerkstatikers Hubert Wallrafen aus Waldfeucht. Damit sind die Erwartungen bestätigt worden, dass das Geläut der Alten Kirche in Linnich-Körrenzig nach 60 Jahren bald wieder „seinen Dienst“ tun kann.

Das Läuten der Glocken wird heutzutage auf elektrischem Weg vollzogen. Ulrich Groß von der Firma Diegner & Schade kümmert sich darum, dass die Technik funktioniert. (c) Arne Schenk
Das Läuten der Glocken wird heutzutage auf elektrischem Weg vollzogen. Ulrich Groß von der Firma Diegner & Schade kümmert sich darum, dass die Technik funktioniert.

Eigentlich wurde dies bereits für Ende letzten Jahres erhofft. Doch beim ersten Läuten der Glocken nach der Sanierung im Dezember 2021 erwiesen sich drei sogenannte Knoten zwar als gelungen, der vierte gab jedoch zu Bedenken Anlass. „Und jetzt schauen wir heute mit dem Einläuten, ob der vierte okay ist“, erklärt Hubert Wallrafen zu Beginn der Aktion. Er hat sämtliche Sanierungsmaßnahmen begleitet und kennt sich mittlerweile bestens aus in Sachen Alte Kirche Körrenzig.

Der Glockenstuhl aus dem 15./16. Jahrhundert war noch original erhalten, allerdings in einem schlechten Zustand, erzählt Wallrafen. Er war mehrfach saniert und mit Stahl verstärkt worden und nicht mehr funktionsfähig. Die Kirchen-gemeinde hatte sich daher entschlossen, den Stuhl aufzuarbeiten und wieder tragfähig zu machen.

Auflage des Denkmalschutzes sei es, denkmalgerecht zu sanieren, also möglichst viel Substanz der alten Eichenhölzer und somit des alten Gebälks zu erhalten. „Das haben wir auch so gemacht“, unterstreicht Wallrafen, „nur das, was nicht mehr tragfähig war, wurde ersetzt.“ Zumal sich direkt zu Beginn der Sanierung herausstellte, dass die unterste Balkenlage, die auf dem Mauerwerk ruht, total morsch gewesen sei, wie Manfred Vieten, Vorsitzender des Vereins „Rettet die Alte Kirche Körrenzig e.V.“ bemerkt. Deshalb sei die Sanierung deutlich umfangreicher als geplant geworden.

Außerdem wurde bei den Vorgänger-Sanierungen versucht, den Stuhl mit allen möglichen Stahlteilen wie Stahlträgern, Drahtseilen oder Gewindestangen zu stabilisieren. Bei der aktuellen Sanierung seien dagegen alle diese Stahlteile zurückgebaut worden, um von Grund auf das Tragwerk wieder so herzustellen, wie es ursprünglich errichtet worden war, und gleichzeitig die Statik zu berücksichtigen, damit der überarbeitete Glockenstuhl auch seine Tragfähigkeit erhält. Diese Aufgabe lag in den erfahrenen Händen des Aachener Zimmermanns Dieter Lüttgens.

 

<<Nur das, was nicht mher tragfähig war, wurde ersetzt.>>

Hubert Wallrafen

 

Nach dem Rückbau aller Stahlteile wurde der Glockenstuhl mit altem Eichenholz verstärkt, wobei es sich um Hölzer in der Zweitverwertung handelt, die schon einmal eingebaut gewesen waren. Diese erweisen sich als trocken, widerstandsfähig und langzeitlich nutzbar. Zudem seien sie gegen Schädlingsbefall resistent. Allerdings seien derartige Hölzer schwierig zu bekommen.

Dieter Lüttgens’ Aufgabe beinhaltete unter anderem, auf engstem Raum die mitunter sechs Meter langen Bohlen so zu rangieren, dass sie ihren Zielort erreichen, um dort eingearbeitet zu werden. Dabei agierte der Zimmermann die ganze Zeit allein mit seinem Flaschenzug. Über die Arbeiten sei übrigens Buch geführt worden, so dass im Nachgang jeder einzelnen Schritt der Sanierung nachzuvollziehen ist.

„Das ist der Knoten, der uns ein bisschen Sorge machte“, zeigt Wallrafen auf ein Konstrukt aus mehreren Holzbohlen, das durch dicke Schrauben zusammengehalten wird. „Man merkte beim Läuten, dass er immer wieder nachgab.“ Ein Knoten ist der Punkt, wo sämtliche Hölzer – die alten noch brauchbaren wie auch die neu hinzugefügten – zusammenkommen. Der komplette Knoten, um den es bei der Alten Kirche Körrenzig geht, war mittlerweile aufgearbeitet worden. Nachdem die Glocken wieder im Stuhl hingen, sollten sie geläutet werden, um zu sehen, inwieweit der Glockenstuhl stabil sei. Erst danach kann das Geläut für den täglichen Gebrauch freigegeben werden. Wie bereits erwähnt, besteht das Konstrukt den Test. Die Glocken können in Betrieb genommen werden.

„Es gibt zwar noch ein paar Dinge zu erledigen, aber für heute hat es funktioniert“, bestätigt auch Ulrich Groß von der Elektromaschinenbaufirma Diegner & Schade aus Dorsten. Sie ist als Lieferant für die neuen Läutewerke zuständig. Nun wird noch ein sogenannter Anschlaghammer angebaut, der von außen auf die Glocke schlägt, beispielsweise zur Uhrzeit oder Wandlung. Die Tätigkeit, die früher Glöckner, Küster oder Messdiener ausführten, regelt dann ein kleiner Elektromotor. Infolgedessen müssen auch noch die Klöppel gegen neue ausgetauscht werden, „weil diese hier nur bedingt kompatibel sind zu der neuen Technik“, bekräftigt Groß. „Die haben eine etwas andere Form und ein anderes Gewicht.“

Knappe 100 000 Euro koste nun das Projekt, bestätigt Manfred Vieten. Zwar kämen 30 000 Euro als Zuwendung im Rahmen des NRW-Denkmalförderprogramms 2020, die restlichen 70 000 teilten sich die Pfarrei St. Peter Körrenzig und der Verein, also müssten beide jeweils 35 000 Euro aufbringen. Spender werden noch gesucht.