„Friederike? Bist du es?“ Erst ungläubiges Staunen in der Kathedrale, dann ein freundliches Hallo, gefolgt von einem gemeinsamen Mittagessen. Es bedarf keines Abschlusses in Wahrscheinlichkeitsrechnung, um einen „Wahnsinnszufall“ als solchen zu erkennen – und sich darüber zu freuen.
Friederike Hollenberg hat sich am 11. Juni auf dem Weg nach Santiago de Compostela gemacht, mit dem Fahrrad. Dass sie mitten in Frankreich eine Freundin traf, die ihrerseits zu Fuß einige Etappen auf dem Jakobsweg unterwegs war: purer Zufall. Aber umso schöner. Dieses Treffen zweier Freundinnen wird nur eine von vielen Geschichten sein, die die 68-Jährige nach ihrer Rückkehr erzählen kann.
Die am Fahrrad befestigte Jakobsmuschel ist wie ein Reisepass, der überall akzeptiert wird und Türen öffnet. An einem Samstag saß Friederike Hollenberg beispielsweise in einem kleinen französischen Städtchen in einem Café und beobachtete das Marktgeschehen. Bis ein älterer Mann die Muschel sah. Es folgte eine Einladung, ein Kennenlernen der Familie, ein Plausch.
Irgendwann wurde es auch wirklich Zeit, dass die Fahrt beginnt. Probepacken, Fahrrad auf Vordermann bringen, warmlaufen – die Wochen vor Pfingsten war Friederike Hollenberg in ihrer Freizeit damit beschäftigt, sich auf eine besondere Fahrradtour vorzubereiten. Allein sechs Monate hat sie sich mit der Routenplanung befasst, Quartiere gebucht, Pläne wieder verworfen, die Strecke angepasst. Das Ziel: Santiago de Compostela, rund 2500 Kilometer entfernt. Läuft alles nach Plan, will Friederike Hollenberg dort am 12. Juli ankommen. Bislang verliefen die ersten 1000 Kilometer wie am Schnürchen. Wetter, Fahrrad, Muskelkraft und Akku-Ladung spielten mit.
Es ist keine klassische Wallfahrt, auf die sich Friederike Hollenberg begeben hat. Auch wenn sie sich selbst als gläubigen Menschen beschreibt. Vielmehr ist es eine Tour der Dankbarkeit, bei der sie unter dem Motto „Tour de Neuro“ Spenden für das Zentrum für Neuroonkologie am Universitätsklinikum Düsseldorf sammeln möchte. Als ihr heute 37 Jahre alter Sohn vor einigen Jahren an einem Gehirntumor erkrankte, fühlte sich die ganze Familie in der Neuroonkologie medizinisch und persönlich sehr gut betreut. Die Operation verlief gut, ihr Sohn ging nach drei Monaten wieder arbeiten, heiratete 2021, wurde Familienvater. Bis im vergangenen Jahr die Nachricht kam, dass er sich ein weiteres Mal operieren lassen musste.
„Schon vor der zweiten OP habe ich für mich den Entschluss gefasst, dass ich mich aufs Fahrrad setze und nach Santiago fahre, wenn er es gut übersteht“, blickt sie zurück. Mit dem Entschluss, die Fahrt mit einer Spendenaktion zu verbinden, möchte sie auch etwas zurückgeben, die Krebsforschung unterstützen, ihre Dankbarkeit und Erleichterung ausdrücken, dass es ihrem Sohn heute wieder gut geht. Gedacht, geplant, getan.
Die Idee der Windenerin war es, pro Kilometer einen Euro zu sammeln, also 2500 Euro. Bei einem von ihr ausgerichteten Golf-Turnier wurde mit 800 Euro der Grundstock gelegt, schon vor dem Start sind über 3000 Euro Spenden zusammengekommen.
„Mein Sohn hat schon gesagt, ich bräuchte gar nicht losfahren“, scherzt die 68-Jährige. Heute sind schon 4800 Euro im Spendentopf. Zunächst war sie allein unterwegs. Ihre Route führte sie durch die Ardennen nach Luxemburg, über Arnaville bei Metz, Troyes, Limoges und Bordeaux weiter nach Saint-Émilion. Von Saint-Jean-Pied-de-Port aus wird sie die Pyrenäen überqueren und weiter zur spanischen Stadt Burgos fahren. Dort stößt ihr Mann zu ihr, der sie bis Santiago begleiten wird. Für die letzten sechs Etappen schließt sich in Leon auch die in Hamburg lebende Tochter den Eltern an.
Die Route hat sie mit einer App geplant, die Unterkünfte sind gebucht, die Etappen so ausgesucht, dass Muskelkraft und E-Bike-Akku ausreichen sollten. „Ich bin schmerzfrei und werde mir etwas überlegen, wenn etwas nicht klappt wie geplant“, sagt die Fahrradfahrerin, die seit Jahren jeden Urlaub nutzt, um auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Im Prinzip ist sie sich sicher, dass die Tour mehr Kraft gibt als kostet. Denn auch darum geht es: Wieder Kraft tanken, den Kopf frei für andere Gedanken bekommen, für neue Gedanken. Friederike Hollenberg: „Vielleicht wird es ja doch eine Wallfahrt, wenn man ins Grübeln kommt, plötzlich Zeit hat, über grundsätzliche Dinge nachzudenken. Auf dem Rad kann man sich aus den Zahnrädern lösen, aus dem Alltagstrott herauskommen.“
Wer Friederike Hollenberg auf ihrer Reise nach Santiago de Compostela folgen möchte, hat dazu auf Instagram die Chance: https://www.instagram.com/tour_de_neuro. In regelmäßigen Abständen postet sie Eindrücke von ihrem Weg und berichtet über ihre Erfahrungen. Über die soziale Crowdfunding-Plattform www.goodcrowd.org sammelt Friederike Hollenberg Spenden für das Zentrum für Neuroonkologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.