Tierischer Erfolg

Gregor Kryk und „Panuba“ helfen Senioren aus der Sprachlosigkeit

Auf Augenhöhe: Gregor Kryk, Shetty Leica und die Bewohner des Seniorenzentrums Düren. (c) Kaya Erdem
Auf Augenhöhe: Gregor Kryk, Shetty Leica und die Bewohner des Seniorenzentrums Düren.
Datum:
23. Jan. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2018 | Dorothée Schenk
Eigentlich spricht die alte Dame nicht mehr. Sie ist dement und sehr in sich zurückgezogen. Und plötzlich sind Wörter wieder da: „Was bist du für ein kleines, feines Tier. Ich passe auf dich auf, bei mir passiert dir nichts.“

Ein Gänsehaut-Moment für Jennifer Krösin, Leiterin des Seniorenzentrums der Caritas-Trägergesellschaft West in Birkesdorf. Sie hat das Projekt „Panuba“ von und mit Georg Kryk aus Wegberg ins Haus geholt. Mitgebracht hat der gelernte Altenpfleger und Pflegewissenschaftler Kryk an diesem Tag sein Shetty Leica, das gerne Aufzug fährt, die aufgeweckte Hündin Bella, die puscheligen Kaninchen Socke, Flocke und Ninchen im Bollerwagen sowie Kleopatra, das Huhn. Begeisterung löst der 42-Jährige aus, als er seine Runde erst mit dem Pony dreht und schließlich als „Birkesdorfer Stadtmusikanten“ das Huhn auf Shetty Leica reiten lässt. Emotionale Momente. Bei vielen werden Erinnerungen wach – an eigene Haustiere oder Tiere in Nachbars Garten. Schließlich riechen die Tiere nicht nur, sie bewegen sich, sitzen nicht still: Das Huhn flattert schon mal mit den Flügeln, der Hund schnuppert an der Hand und das Kaninchen hoppelt in seinem Nest, die Ohren gehen und das Näschen wird gerümpft.

Eine Bewohnerin staunt, nimmt wahr, dass das Tier tatsächlich lebendig ist und beginnt unvermutet zu weinen – vor Freude und Rührung. „Die Begegnung hat eine unheimlich tolle Reaktion der Bewohner heraufbeschworen. Das war einmalig!“, schwärmt Jennifer Krösin. Mittlerweile ist Leica selbstständig, mit dem Strick über den Hals gelegt, zu den Bewohnern unterwegs, um „Leckerchen“ abzuholen. Ganz zart nimmt die Stute das Dargebotene von den Handflächen. Die anfängliche Skepsis ist längst dem Wunsch gewichen, auch einmal einen der tierischen Gäste anzufassen. „Du hast es jetzt lange genug gehabt“, sagt eine ältere Dame durchaus fordernd.

Tiere als „natürliche Kommunikationshelfer“ setzt Gregor Kryk seit zehn Jahren ein. Die Erfahrung schätzt Jennifer Krösin. „Er spiegelt die Senioren, weiß genau, wann er auf Augenhöhe gehen muss, wann er eine Hand führen oder durch seine Stimme für eine Beruhigung sorgen muss.“ Als einen Mann mit großer Empathie beschreibt ihn die Einrichtungsleiterin. Raum für einen kleinen Spaß ist auch immer: „Das Huhn hat heute schon sein Ei gelegt“, witzelt Kryk und sofort entspannt sich die Dame, auf dessen Schoß sich Cleopatra auf einer Decke ihr Nest „baut“. Wir hatten früher viele Tiere“, sagt sie, „wir hatten auch Hühner, aber die konnte man nicht so streicheln.“

 

Angeregt durch Fernsehsendungen über tiergestützte Arbeit in den USA

Das Zuhause der Tiere ist bei Gregor Kryk auf dem „Erlebnishof“ in Wegberg. Hier lebt Kryk mit seiner Frau, die aktiv mit eingebunden ist, drei Kindern und seinen 40 Tieren. Selbstverständlich geht hier das Lebewesen und dessen artgerechte Haltung vor. Dazu gehört, dass auf Hygiene und Impfungen geachtet und halt alles getan wird, um reibungslos mit Senioren- und Behinderteneinrichtungen arbeiten zu können. Vor zehn Jahren hat Kryk „Panuba“ ins Leben gerufen. Angeregt hatten ihn Fernsehsendungen über tiergestützte Arbeit in den USA. „Die Basis hatte ich ja, kannte Anamnese und Krankheitsabläufe“, erläutert er. Angefangen hat dann alles mit Hund Baranow, den er trainierte und ausbildete. Apropos: Der geheimnisvolle Name des Projektes hat einen ganz profanen Ursprung. Er setzt sich aus den Anfangsbuchstaben seiner sechs Hunde zusammen. In seinem Refugium in Wegberg bildet Kryk Hund, Huhn und Minischwein, Pferde und Ponys, Katzen und Kaninchen für seine speziellen Einsätze aus. Neu zur tierischen Gemeinschaft gekommen sind die Eselinnen Ella und Lotte. Die neuen „Azubis“ werden wohl im Sommer zum ersten Mal mit zum Einsatz kommen. Nicht nur Tiere bildet Kryk aus, er ist auch Lehrer an einer Schule für Altenpflege und gleichzeitig Student an der Katholischen Hochschule in Köln, wo er bald seinen Master macht.

Natürlich studierte er schon vorher die Körpersprache, besuchte Seminare, arbeitet mit Tierheilpraktikern und Verhaltenstherapeuten zusammen. „Streicheleinheiten für alle Sinne nenne ich die Quintessenz meines Angebotes, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz nachhaltig zu verbessern.“ Wie gut es geht, war in Birkesdorf gut zu spüren. Denn neu sind für die Bewohner des Seniorenzentrums am St.-Marien-Krankenhaus in Birkesdorf tierische Besuche keineswegs. Regelmäßig kommt das Tierheim mit seinen Vierbeinern. Aber die Begegnung mit den Therapie-Tieren von Kryk ist noch einmal etwas anderes. Nach der erfolgreichen Premiere hat Jennifer Krösin darum gleich für dieses Jahr weitere vier Termine gebucht.

Der nächste steht bereits im Februar wieder auf dem Programm. „Es ist uns wichtig, dass wir auch etwas für die Bewohner anbieten können, die an Festivitäten ansonsten nicht so aktiv teilnehmen können“, erklärt Krösin. Nach der Begegnung in der großen Gemeinschaft wird jetzt mit Einzeltherapien begonnen. Auch zu bettlägerigen Bewohnern wird Gregor Kryk dann gehen. „Für mich handelt es sich weniger um ein therapeutisches Angebot als vielmehr darum, ältere Menschen zu aktivieren, zu motivieren und ihre bestehenden Ressourcen zu erhalten“, sagt Gregor Kryk. Er wird beim nächsten Besuch eine Katze mitbringen. Einige Bewohner hat die Leiterin des Seniorenzentrums für Einzeltherapien besonders im Blick. Etwa eine Dame, die eine Stoffkatze auf ihrem Bett liegen hat, die sie sehr liebt. „Ich habe ihr erzählt, dass wir beim nächsten Mal eine richtige Katze mitbringen, die dann auch zu ihr darf. Sie hat angefangen zu weinen – vor Freude, weil sie so aufgeregt war.“

Mehr zum Projekt unter http://panuba.de.