Terror in Israel – auf einmal ist alles anders

Pilgergruppe aus Mönchengladbach kehrt erleichtert und nachdenklich zurück

In Jerusalem leben Juden, Christen und Muslime auf engem Raum zusammen. (c) Antonia Thies-Michael
In Jerusalem leben Juden, Christen und Muslime auf engem Raum zusammen.
Datum:
17. Okt. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 42/2023 | Antonia Thies-Michael

Anschläge, Raketen und Angst: Das erleben gerade die Menschen in Israel. Auch Pilgergruppen aus dem Bistum Aachen befinden sich während der Angriffe der Hamas in Israel. Unter ihnen eine 36-köpfige Gruppe um Wolfgang Funke, Pastoralreferent im Ruhestand, und Christoph Rütten, Gemeindereferent aus Mönchengladbach. Am vergangenen Freitag konnen sie sicher nach Deutschland zurückkehren – erleichtert, aber auch sehr nachdenklich. Wie sie die Reise erleben, berichtet Teilnehmerin Antonia Thies-Michael.

„Lange hatten wir uns auf diese Reise ins Heilige Land vorbereitet und gefreut. So startete unsere Gruppe den ersten Teil der Pilgerreise ins Pilgerhaus in Tabgha in Galiläa, direkt am See Genesareth. Welch ein wunderschöner Ort, nahe der Brotvermehrungskirche und dem Berg der Seligpreisungen, bei den Orten des Wirkens Jesu wie etwa Kafarnaum und Nazaret. Wir besuchten diese Orte, wanderten an einer der Jordanquellen und hatten in diesen ersten Tagen ein sehr dichtes und ausgefülltes Programm auf den Spuren Jesu, mit religiösen Impulsen, Gottesdiensten und gemeinsamem Singen. Beim Besuch von Kirchen, Moscheen und Synagogen erfuhren wir viel über die gemeinsamen Wurzeln dieser drei Abrahamischen Religionen. Wir besuchten pälästinensische Orte, in denen Muslime und Christen leben und jüdisch-israelische Orte und erlebten auch in der Begegnung mit den Menschen Verbindendes und Unterschiede, wie auch die Nöte vieler Menschen in dieser Region.

Grausamer Überfall

Dann kam der 7. Oktober, der Tag des grausamen Überfalls der Hamas auf die jüdischen Siedlungen im Grenzbereich zu Gaza. Es war der Tag unseres geplanten Quartierwechsels in das Pilgerhaus des griechisch-katholischen Patriarchats in der Altstadt von Jerusalem. Morgens hatten wir noch kaum Informationen. Wir bezogen unser Quartier und blieben in unserer neuen Unterkunft. Nach und nach erschloss sich uns das Bild dieses furchtbaren Tages, und wir erfuhren auch von Sirenenalarmen in Jerusalem und von der Kriegserklärung der israelischen Regierung. Diese Informationen verunsicherten uns sehr.

Wie sollten wir uns in dieser Krisensituation verhalten? Wir brauchten Informationen zum Umgang mit Alarmsituationen und besprachen uns mit unseren Reiseleitern in der Gruppe in engen Zeitabständen. Jeder packte eine Nottasche, für den Fall einer schnellen Evakuierung. Unseren Ängsten und Nöten gaben wir Raum in unserer Gruppe und im Gebet, das wir noch am ersten Abend spontan in der griechisch-katholischen Kirche unseres Hauses abhielten. Nachts hörten wir das Wummern der Flugzeuge im Anflug auf Gaza. Seit diesem Tag war für uns und für ganz Israel alles anders.

Wir hatten keine Möglichkeit, direkt nach Hause zurückzukehren. Unsere Familien, Freunde, Kolleginnen und Kollegen in Deutschland waren in größter Sorge um uns. Sie hatten in den Medien die schlimmen Bilder aus Gaza und den Orten der Zerstörung sowie des sinnlosen Mordens gesehen. Im Gegensatz dazu waren wir in Jerusalem, in dieser Stadt, in der Juden, Christen und Muslime auf engem Raum zusammenleben, jedoch recht sicher vor Raketenangriffen.

Trauer, Sorge und Verzweiflung

Abendstimmung am See Genesareth: Er war das erste Ziel der  Pilgergruppe Mönchengladbach. (c) Reinhard Sentis
Abendstimmung am See Genesareth: Er war das erste Ziel der Pilgergruppe Mönchengladbach.

Am Sonntag machten wir erste vorsichtigen Schritte vor die Tür unseres Pilgerhauses. Mit Vorsicht konnten wir in den folgenden Tagen noch einige Heilige Orte in Jerusalem besuchen. Wir hatten in diesen Tagen immer wieder Begegnungen mit den Menschen der Stadt, die wir in Trauer, Sorge und Verzweiflung erlebten. Das waren Menschen, die nicht zu ihren Familien konnten, da die palästinensichen Orte abgeriegelt waren. Wie sollten die Menschen zu ihren Familien kommen, wenn es keinen Weg mehr zurück zu ihrer Arbeitsstätte gab?

An vielen Orten fehlten Mitarbeitende, die gar nicht mehr aus ihren abgeriegelten Gebieten rauskamen. Wir trafen palästinensische und israelische Menschen, die um ihre Angehörigen trauerten oder sich um diese sorgten.

Am Montag erlebten wir erstmals selbst Sirenenalarme mit anschließenden Knallen der Raketenabwehr. Wir konnten uns glücklicherweise schnell in Sicherheit bringen. Diese Erlebnisse verunsicherten uns.

In Gedanken bei den Menschen in Israel und Palästina

In der Nacht zu Freitag traten wir unsere Rückreise an, mit einem mulmigen Gefühl, da wir ja noch sicher nach Tel Aviv zum Flughafen kommen mussten. Auf den Großraum Tel Aviv hatte es in den Tagen zuvor immer wieder Raketenangriffe gegeben. In dieser Nacht blieb es jedoch ruhig. Als wir mitten in der Nacht zu unserem Bus aufbrechen wollten, erfuhren wir, dass unser Koffertransport nicht kommen würde. Wegen einer Schießerei wurde die Altstadt abgeriegelt. So machten wir uns mit unserem Gepäck zu Fuß auf den Weg zum Bus.

In Frankfurt angekommen stellten wir uns nachdenklich, aber auch erleichtert mit unsere Gruppe am Gepäckband des Flughafens im Kreis zusammen und dankten Gott mit einem Lied dafür, dass wir wohlbehalten zurück in unserem friedlichen Land sind. Erleichtert fielen wir uns in die Arme.

Am Nachmittag erfuhren wir im Bus, dass eine Familie aus Gaza, die in unserem Pilgerhaus in Tabgha mit angegliederter Behinderteneinrichtung, persönlich bekannt war – der Sohn besuchte die Einrichtung – beim Angriff auf Gaza völlig ausgelöscht wurde. Man hatte die Papiere in ihrem zerstörten Haus gefunden. Wir waren zutiefst bestürzt, angesichts dieser furchtbaren Nachricht, die wohl eine von vielen ist, die uns derzeit aus Gaza erreichen.
Einerseits sind wir dankbar dafür, nun in Sicherheit zu sein, andererseits bleiben wir in Gedanken und im Gebet bei den Menschen in Israel und Palästina. Es sind Gedanken an die Menschen, die in diesem furchtbaren Krieg getötet und verletzt wurden und an ihre Angehörigen, Gedanken an diejenigen, die vor dem Krieg flüchten und an die Menschen in Gaza, die die Folgen dieser humanitären Katastrophe erleiden müssen. Wir sind auch in Gedanken bei den Menschen in Israel und Palästina, deren Existenzgrundlage nun wegbricht.

Wir sind bei den Menschen, die sich nach einem friedlichen und gerechten Zusammenleben aller Menschen in Israel und Palästina sehnen, nach einem  friedlichen Zusammenleben von Israeli, Palästinensern, von Juden, Christen und Muslimen.
Die Begegnungen mit den Menschen in Israel haben diesen Menschen ein Gesicht für uns gegeben. Wir werden daher ganz besonders in Gedanken und Gebet bei ihnen sein. Wir hoffen, dass mit Unterstützung einer gerechten Politik, die alle Menschen dieser Region in den Blick nimmt, dieses Land mit seinen Menschen bald wieder zu Ruhe und Frieden kommen kann.

Wir wünschen allen Menschen in Israel und die Palästinensische Gebiete Frieden, Schalom und Salam.“