Tägliche Beziehungsarbeit

Die Jugendwerkstatt in Stolberg ist ein Beispiel dafür, was die Solidaritätskollekte möglich machen kann

Leiterin Katja Knospe (c) Andrea Thomas
Leiterin Katja Knospe
Datum:
2. Mai 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 18/2023 | Andrea Thomas

Die Jugendwerkstatt der Jugendberufshilfe Stolberg kümmert sich um junge Menschen, die aufgrund ihrer schulischen und/oder familiären Umstände schlechte Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben. Eine Aufgabe, die sie ohne die Unterstützung durch den Solidaritätsfonds, für den an diesem Wochenende wieder bistumsweit gesammelt wird, nicht leisten könnte.

Auch das gehört zum Projekt „Gesunde Ernährung“: selbst Kartoffeln anbauen und ernten. (c) Jugendwerkstatt
Auch das gehört zum Projekt „Gesunde Ernährung“: selbst Kartoffeln anbauen und ernten.

Unterstützt werden besonders die Lernförderung und das Projekt „Gesunde Ernährung“ des Bereichs Kochen/Garten. Weitere Werkbereiche sind die Holz- und die Textilwerkstatt. In jedem Bereich arbeiten zurzeit je sechs Jugendliche. Vor Corona waren es acht. Die Pandemie hat den Jugendlichen, die es eh schon schwer hatten, noch einmal zusätzlichen Ballast in ihren Lebensrucksack gepackt. Um ihnen besser und individueller gerecht werden zu können, hat das Team aus Sozialarbeiterinnen und Werkpädagogen um Leiterin Katja Knospe die Zahl verringert.

Sabine Giesker kümmert sich seit vielen Jahren um den Bereich Lernförderung. In der Zeit habe sich viel verändert: „Modalitäten, Inhalte und Jugendliche“. Früher wären die Jugendlichen nach ihrer Zeit in der Werkstatt in eine Ausbildung oder eine Berufsvorbereitung gegangen. „Heute sind unsere Jugendlichen kaum noch auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln“, sagt sie. Und das, obwohl der Facharbeitermangel gerade auch schwächeren Jugendlichen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt biete, wie Peter Effenberg, der stellvertretende Vorsitzende der Jugendberufshilfe, dem Träger der Werkstatt, erklärt. In seiner Tätigkeit für die Handwerkskammer stelle er immer wieder fest, dass auch Unternehmen auf der Suche nach Auszubildenden bereit seien, neue Wege einzuschlagen. Doch die Jugendlichen, die in die Jugendberufswerkstatt kommen, haben oft einfach zu viel persönliches Gepäck. „Wir sind die Erststufe in der beruflichen Orientierung. Zu uns kommen die Jugendlichen, wenn sie nicht wissen, wie es weitergehen kann. Wegen Corona brauchen sie derzeit noch mal mehr Unterstützung, weshalb wir bei vielen das erste Jahr verlängern“, schildert Katja Knospe. Sabine Giesker geht ins Detail: „Ihnen fehlten in der Pandemie die Möglichkeiten. So hatten die meisten keinen Zugang zu einem Computer oder Tablet, sondern nur ihr Smartphone mit einem begrenzten Datenvolumen zur Verfügung.“ Wer einmal versucht habe, mit einem Smartphone über einen längeren Zeitraum zu arbeiten, wisse, wie anstrengend das sei.

Oft habe auch ein ruhiger Ort zum Lernen gefehlt und jemand, den sie hätten fragen können, wenn sie eine Aufgabenstellung nicht verstanden hätten. „Wir hatten Jugendliche, selbst Förderschüler, die das Homeschooling ihrer kleineren Geschwister beaufsichtigen mussten“, berichtet Katja Knospe. So seien die schulischen Lücken noch größer geworden – und sind es geblieben. Auch psychisch und sozial hätten ihre Jugendlichen extrem gelitten. „Ich hatte noch nie so viele Jugendliche mit Ängsten und Schwierigkeiten in der Kommunikation sowie im Elternhaus“, sagt Sabine Giesker. Deshalb stehe Beziehungsarbeit und Einzelbetreuung gerade ganz oben. Nur dann würden auch andere Dinge möglich, zum Beispiel ohne Angst zu sagen: „Ich habe das immer noch nicht verstanden.“

Was zaubern, was allen schmeckt

In der Küche der Jugendwerkstatt wird jeden Tag das Essen für alle zubereitet, vom Hauptgericht bis zum  Nachtisch. (c) Jugendwerkstatt
In der Küche der Jugendwerkstatt wird jeden Tag das Essen für alle zubereitet, vom Hauptgericht bis zum Nachtisch.

„Immer mehr Jugendliche kommen hungrig oder haben eher ungesunde Sachen dabei“, sagt Renate Clemens-Symanzik, Werkanleiterin Kochen/Garten. Deshalb haben sie – mit Mitteln aus dem Solidaritätsfonds des Bistums – das Projekt „Gesunde Ernährung“ gegründet. Zwei Mal in der Woche bieten sie ein erweitertes Frühstück mit gesunden Sachen an. Außerdem kocht der Werkbereich jeden Tag für das ganze Werkstattteam: Sechs Jugendliche sind gemeinsam mit Renate Clemens-Symanzik verantwortlich dafür, dass um 12.30 Uhr das Essen für bis zu 25 Leute (Jugendliche, Team und Gäste) auf dem Tisch steht.

Eine echte Herausforderung, denn gekocht wird mit frischen Zutaten und ohne „Tütchen“, wenig bis gar keiner Koch-Vorerfahrung aufseiten der Jugendlichen und auch nicht immer in voller Besetzung. Da brauche es Flexibilität, „was zu zaubern, was allen schmeckt“, sagt die Küchenchefin. Sie arbeitet daher mit einfachen Rezepten, die sie so umformuliert, dass ihre jugendlichen Küchenhelfer sie nachvollziehen können. Die Zutaten bereitzustellen und Schritt für Schritt dem beschriebenen Ablauf zu folgen, müsse immer wieder eingeübt werden. Umso stolzer seien sie, wenn es den anderen schmeckt. Nicht alle seien „probierfreudig“. Auch das ist eine Herausforderung, sie neugierig zu machen. Das macht Renate Clemens-Symanzik unter anderem, indem sie deutlich macht, dass zum Kochen auch das Abschmecken gehört, oder indem sie versucht, mit ihnen Lieblingsgerichte „in gesund und frisch“ nachzukochen. Daraus entsteht jedes Jahr ein Heft mit Rezepten, um das Gelernte im Alltag anwenden zu können. Aus solchen Erfolgen schöpfen die Jugendlichen Selbstwertgefühl, das es braucht, um sich doch noch Perspektiven zu erarbeiten.

Info

In den Bistumsregionen Aachen-Stadt und Aachen-Land werden weitere Projekte 
über den Solidaritätsfonds und damit auch über die Solidaritätskollekte gefördert:

•    Frauen stärken in und für Erwerbsarbeit (KAB und St. Castor Alsdorf)
•    „Aufgemöbelt“ und „Schnittstelle“ – Aufarbeitung und Herstellung im Bereich Möbel und Textil, Begegnungsstätte „Grenzenlos“ und „Café Kostbar“ im Gebrauchtwarenkaufhaus Merkstein (Förderverein Arbeit, Umwelt und Kultur, Herzogenrath)
•    „Waschküche“ für Menschen im ALG-II-Bezug mit und ohne Migrationshintergrund, in Kombination mit niedrigschwelliger Beratung (Low-tec, Eschweiler)
•    Elternintegrationskurse (Low-tec, Aachen)
•    Projekte „Startbahn“ und „Senioritas“ (Sozialwerk Aachener Christen)
•    Jugendwerkstatt Amotima, Aachen
•    „Go! Job“ Berufsorientierung und Qualifizierung für Jugendliche (In Via, 
Aachen)
•    Anlaufstelle für arbeitslose Menschen, KAB Aachen
•    Aha 100 (Sozialprojekte Aachen-Nord)

Spenden geht nicht nur über die Kollekte in den Gottesdiensten am 6. und 7. Mai. Information dazu und zur Solidaritätskollekte unter: www.solidaritaetskollekte.de