Stille Nacht – hektische Nacht?

Vom Küster bis zum Bischof: Der Heilige Abend ist für viele Menschen im Bistum Aachen auch ein Arbeitstag. Die KirchenZeitung hat sich umgehört, wie zwischen den Terminen gefeiert wird und welche Traditionen es in den Familien gibt

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Datum:
21. Dez. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 51-52/2023

Die Kinderkrippe unter dem Last-Minute-Weihnachtsbaum

(c) privat

Die Adventszeit ist für Nike Stuhlsatz schön und stressig zugleich. Schön, weil sie adventliche Traditionen wie das obligatorische Plätzchenbacken mit Freunden, vielen Förmchen und noch mehr Dekoration liebt. Stressig, weil sie als Sängerin des Mädchenchors am Aachener Dom in dieser Zeit viele Messen und Konzerte singt. Dieses Jahr gestalten die Sängerinnen an Heiligabend die Christmette um 18:30 Uhr. „Obwohl wir viele Messen übers Jahr singen, ist dieser Abend etwas ganz besonderes. Die Atmosphäre im Dom ist einfach atemberaubend“, berichtet die 13-Jährige.

Nach der Messe findet daheim die Bescherung statt – auch in diesem Jahr wahrscheinlich wieder im Glanz des windschiefen Last-Minute-Baums mit dem kunterbunt zusammengewürfelten und selbstgebastelten Baumschmuck. Auf keinen Fall fehlen darf die Haba-Holzkrippe mit einem großen, über die Jahre angewachsenen Engelchor. „Die haben mein Bruder und ich schon aufgestellt, als wir noch ganz klein waren“, schmunzelt Nike. Fast noch schöner als das Auspacken der Geschenke findet sie etwas anderes: „Diese besinnliche Zeit eignet sich gut, um mehr mit seiner Familie zu machen. Und wir sollten nicht vergessen, worum es an Weihnachten wirklich geht: Es ist das Fest der Freude über die Geburt Jesu. Deshalb sollte uns nichts mehr im Weg stehen, diese Weihnachtsfreude zu genießen!“ 

„Anstrengend, aber auch sehr bereichernd“

(c) Dorothée Schenk

Heiligabend bin ich als Diakon zunächst in den Altenheimen von Nörvenich und Vettweiß unterwegs und besuche alle Menschen, die besucht werden möchten. Um 9 Uhr morgens starte ich im Seniorenheim Maria Hilf und gehe von Zimmer zu Zimmer und bringe den Segen mit. Dort feiert ein Ehrenamtlicher den Gottesdienst. Um 11 Uhr besuche ich die Einrichtung am Schloss und feiere auch einen Gottesdienst, gleiches gilt für die Seniorenresidenz Binsfeld, wo ich ab 14 Uhr sein werde. Um 16 und 18 Uhr unterstütze 
ich bei der Christmette – ab 20 Uhr bin ich zu Hause. 
Die Besuche an Heiligabend sind anstrengend, aber auch sehr bereichernd für mich. Wenn ich am Bett der Menschen stehe, die vielleicht kaum noch Kraft haben, um aufzustehen, gebe ich ihnen einen kleinen Segen, wie sie es sich gewünscht haben. Es ist förmlich zu spüren, wie diese Menschen mit der Weihnachtsbotschaft und der Frohen Botschaft in Berührung kommen. Da kommt etwas zustande, wo der Heilige Geist auf einmal wirkt, ohne dass ich mit meinen Worten etwas beisteuere. Einfach nur, weil eine Begegnung stattfindet. Ich tue ja nicht viel, halte eine Hand, mache ein Kreuzzeichen, verteile die Kommunion. Aber die Menschen werden ganz ruhig und 
innig, sind dankbar und erfreut. Deswegen mache ich diese Besuche so gerne, weil sie mehr als sinnvoll sind.

Mit der Familie wird bei uns immer am ersten Weihnachtstag gefeiert. Es kommen immer alle zu uns, auch jetzt, wo es zwei Enkelkinder gibt. Jeder bringt etwas zu essen mit, aber das wichtigste sind Gesellschaftsspiele, die wir jedes Jahr zu Weihnach-ten spielen, oft weit über Mitternacht hinaus. Als Überraschung gibt es das „Spiel des Jahres“, das auch gleich ausprobiert wird. Für die Enkelkinder ist der Opa ganz wichtig, weil er der Geschichtenerzähler ist, mit dem sie auch spazieren gehen und die Welt erkunden können.  
Weihnachten erzähle ich mit Hilfe einer Franziskus-Puppe immer die Geschichte vom Schuster Martin. 
Diakon Martin Schlicht

Die Familie genießt die gemeinsame Stunde beim Essen am Heiligen Abend

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„Zwischen 22 und 23 Uhr.“ In der Zeit feiert Janusz Kobylecki, Küster in „Christus unser Friede“ in Herzogenrath-Kohlscheid, mit seiner Familie Heiligabend. Am 24. herrscht bei ihm Hochbetrieb, von 8 Uhr morgens bis in die Nacht hinein. Der gebürtige Pole ist für zwei der fünf Kohlscheider Kirchen zuständig, darunter die Pfarrkirche St. Katharina. Das heißt, Krippenfeiern inklusive Krippenspiel am Nachmittag und Christmetten am Abend, die alle vor- und nachbereitet werden wollen, einschließlich des einen oder anderen Sonderwunschs aus dem Pastoralteam.

Einfacher macht die Festplanung auch nicht, dass seine Frau ebenfalls als Küsterin in St. Jakob in Aachen tätig ist. „Das ist seit Jahren so. Die Familie leidet, aber ist das auch gewohnt. Wir machen das Beste daraus“, sagt Janusz Kobylecki. Die gemeinsame Stunde beim Weihnachtsessen genießt die Familie, bevor sie zur Mitternachtsmesse der polnischen Gemeinde nach Aachen fährt. Das sei eine feste Tradition, an der sie festhielten, egal wie erschöpft sie seien. Eine weitere Tradition ist das Essen: Karpfen, Knödel, verschiedene Soßen und Rote-Bete-Suppe. Ein Stück polnische Heimat, das auch nach über 30 Jahren in Deutschland gerade an Weihnachten besonders wichtig ist. „In Polen ist Weihnachten ein besonderes Fest, in der Kirche, aber vor allem in der Familie.“ Die steht bei ihnen am zweiten Feiertag im Mittelpunkt, wenn der Teil der Familie, der in Aachen lebt, zusammenkommt, um gemeinsam zu essen und zu feiern.

„Es ist für mich wichtig, Weihnachten in Gemeinden zu feiern und musikalisch zu gestalten.“

Für Regionalkantorin Holle Goertz gehört der Dienst an der Orgel zum Fest. (c) Andreas Drouve
Für Regionalkantorin Holle Goertz gehört der Dienst an der Orgel zum Fest.

Traditionell ist der Heiligabend für die Eifler Regionalkantorin Holle Goertz durch Musik bestimmt. In  drei Kirchen rund um Kall sitzt sie an der Orgel. „Ich finde es schön, wenn die Menschen sich so freuen und ich zur weihnachtlichen Atmosphäre beitragen kann.“ Das ist nicht erst so, seit sie im Beruf steht. „Das habe ich schon als Jugendliche so gemacht“, erzählt die Kirchenmusikerin. „Es ist für mich wichtig, Weihnachten in Gemeinden zu feiern und musikalisch zu gestalten.“ In diesem Jahr beginnt der Festtag um 14 Uhr mit einem Kleinkindergottesdienst. Es folgt in Keldenich um 15.30 Uhr die erste Christmette und in Kall um 19 Uhr eine zweite Mette, der eine halbstündige Einstimmung vorausgeht. Dort bringt Holle Goertz die Choralkantate „Nun komm, der Heiden Heiland“ von Johann Sebastian Bach zu Gehör. „Ich bereite mich tatsächlich schon viele Wochen früher auf das Fest vor“, sagt die Organistin schmunzelnd.

Das Familienfest feiert Holle Goertz am 25. Dezember: „Am ersten Feiertag nach der letzten Messe fahre ich zu meiner Familie und treffe Verwandte wieder, die ich sonst nicht so häufig sehe. Da freue ich mich immer riesig drauf.“ Im Kreise der größeren Familie mit Eltern, Geschwistern, Tanten und Onkeln wird dann Gemeinschaft gefeiert, und neben den kulinarischen Vergnügen gehört in ihrer Familie immer auch die Musik dazu.  Holle Goertz selbst greift wieder in die Tasten, Geige und Flöte stimmen mit ein. „Ein Wiedersehen und zusammen musizieren – das ist Weihnachten.“ 

Zu Weihnachten wird ein Krimi-Dinner serviert

(c) privat

Auch die Zwillinge Emanuel und Simon Heyne (18) feiern Weihnachten immer mit der Familie, allerdings ist das Fest „mit viel Arbeit verbunden“. Der Grund: Die Mutter ist dann oft als Sängerin gebucht, die beiden Jungen singen im Aachener Domchor. Und obwohl das „auswärtige“ Singen bereits eine große Rolle spielt, ist nicht ausgeschlossen, dass noch einmal im privaten Kreis gesungen wird. An Heiligabend nach den Messen kommen auch die beiden großen Schwestern zur Bescherung nach Hause. „Ein festgelegtes Essen haben wir nicht, meistens suchen wir zwischen Raclette, Sauerbraten oder Fondue aus“, erzählt Emanuel. Am nächsten Morgen stehen wieder Auftritte auf dem Programm, bevor die Oma besucht wird. Die Gemeinschaft mit der Familie ist den Brüdern sehr wichtig, Traditionen dagegen sind es nicht so sehr. „Wir verbringen einfach gemeinsam die Tage und versuchen, uns vom sonstigen Stress zu erholen. Dieses Jahr probieren wir etwas ganz Neues aus, nämlich ein Krimi-Dinner. Ich bin mal gespannt, wie das wird“, verrät Simon. 

„Wir können verreisen, so lange eine katholische Kirche vor Ort ist!“

(c) privat

Als Messdiener und Lektor der Indener Pfarrei St. Josef ist Len Kreutz (15) ein regelmäßiger Gottesdienstbesucher. Ehrensache also, dass der Gang zur Kirche zum weihnachtlichen Pflichtprogramm gehört. Obwohl, als Pflicht würde er das gar nicht bezeichnen. Für den Schüler des Gymnasiums Haus Overbach ist ein Heiliger Abend ohne Christmette undenkbar. „Innerhalb der Familie haben wir schonmal überlegt, über Weihnachten zu verreisen. Meine Antwort lautete: Können wir machen, so lange eine katholische Kirche in der Nähe ist – mit Glockengeläut, Weihrauch und Orgel!“ Bayern und Österreich kämen für Len in Frage, der Norden oder die Karibik dagegen nicht.

Nach der Kirche kommt die ganze Familie zusammen: Neben den Eltern und dem Bruder sitzen dann die beiden Omas, der Opa und die Tante mit unterm Tannenbaum. Der Teenager findet das toll. Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag werden Verwandte oder Freunde besucht, manchmal unternimmt die Familie auch eine Wanderung. Am 27. Dezember kommen die Paten der Kinder zum Frühstück. „Bei uns gibt es quasi einen dritten Weihnachtstag“, lacht Len. „Ich würde nichts an diesem Programm ändern wollen.“ 

„Ohne Gottesdienst und Gesang kein Weihnachten. Es ist schön, das mit anderen zu teilen.“

(c) Uwe Rieder

Claudia Meuser, Gemeindereferentin in der Pfarrei St. Remigius Viersen, begleitet an Heiligabend Menschen, die um Angehörige trauern. Vormittags ist Kaffeetrinken im Maximilian-Kolbe-Haus, denn der Vormittag ist die schwierigste Zeit, weil die Menschen dann wirklich allein sind“, erklärt sie. Oft begleitet sie danach den Gottesdienst des Don-Bosco-Kinderheimes, den die Kinder und Jugendlichen mit vorbereiten und der „etwas unkonventioneller“ abläuft. Danach beginnt für sie Weihnachten, sie feiert mit ihrer Familie, und der Besuch eines Gottesdienstes gehört dazu. „Ohne Gottesdienst und Gesang kein Weihnachten.“

Es sei diese besondere Stimmung, mit anderen die Erwartung zu teilen. Gott wird Mensch mit der Geburt Christi. Vielleicht ist es das, was für viele Weihnachten so wichtig macht. Claudia Meuser: „Eine Geburt und die Freude darüber ist für viele ganz konkret. Wir sehen das Kind im Kinderwagen. So ist es, denke ich, auch mit dem Kind in der Krippe, wir sehen hinein – und werden zurück angesehen.“ 

Für Marco Lennartz ist es sein erstes Weihnachtsfest als Priester

(c) Foto: Bistum Aachen/ Andreas Steindl

Im Mai dieses Jahres wurde Kaplan Marco Lennartz in Aachen zum Priester geweiht. Es ist sein erstes Weihnachten, an dem er auch den heiligen Messen vorsteht und selbst predigt. Das tut er in der Krefelder Innenstadtpfarrei Papst Johannes XXIII. Er finde in diesen Wochen aber auch Zeit für sich, sagt er. Diese Zeit nutzt er zur bewussten Vorbereitung dazu, sich darauf zu besinnen, was Advent eigentlich bedeutet. An sich sei das ein großes Paradoxon: „Wir warten auf etwas, was eigentlich schon da ist. Jesus ist bei uns und mit seiner Geburt schenkt er uns sein Leben.“ Gemeinschaft ist für ihn Weihnachten, dass alle mit anpacken, auch beim Schmücken der Kirche und beim Aufbau der Krippe. Weihnachten ist auch die Zeit für Freunde und Familie, auch, wenn es davon in diesem Jahr weniger gibt. Um für andere da sein zu können, brauche es einen gut gefüllten Rucksack. Da helfen Freunde und Familie, sagt Marco Lennartz. Und ein Ritual gibt es auch: „Seit Jahren schaue ich den Film ‚Kevin allein zu Haus‘.“ Das wird auch in diesem Jahr so sein.

Und wie feiert eigentlich der Aachener Bischof Weihnachten?

Der 24. Dezember steht für Bischof Helmut Dieser ganz im Zeichen der Weihnachtsvorbereitungen auf die Christmette im Aachener Dom. Der Heilige Abend/die Heilige Nacht ist dann eine Zeit der Ruhe und des Durchatmens. „Ich verbringe den Abend in meiner Wohnung mit Musikhören, Abendessen und Gebet“, sagt Helmut Dieser. Der erste Weihnachtstag startet mit einem festlichen Weihnachtsfrühstück vor dem Hochamt im Aachener Dom. Am Nachmittag des Christtages nutzt der Aachener Bischof die Gelegenheit, an der Feier von Sant‘Egidio mit Bedürftigen in der Citykirche Alter Markt in Mönchengladbach teilzunehmen. Nach der Weihnachtsvesper um 18 Uhr im Aachener Dom ist dann Zeit für die Familie in Heimbach-Weis mit der Bescherung am Abend des Christtages. „Ich feiere in meiner Heimatpfarrkirche in Heimbach-Weis die Festmesse am 26. Dezember, hl. Stephanus, und verbringe einige freie Tage in meiner Heimat“, erzählt der Aachener Bischof.

Es sind nur wenige freie Tage: Am 30. Dezember steht die Aussendung der Sternsinger im Bistum Aachen an. Diese feiert Helmut Dieser am 30. Dezember in der Krefelder Kirche St. Anna. Den Jahreswechsel verbringt der Bischof in Aachen.