Stets auf der Seite der Liebe stehen

Eröffnung der Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten im Dürener Muttergotteshäuschen

Die Eröffnungsprozession der Wallfahrt führte von St. Anna in der Innenstadt über die Josefskirche zum Muttergotteshäuschen. (c) Stephan Johnen
Die Eröffnungsprozession der Wallfahrt führte von St. Anna in der Innenstadt über die Josefskirche zum Muttergotteshäuschen.
Datum:
12. Mai 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2024 | Stephan Johnen

„Mensch sein – Mensch werden“ lautet das Jahresthema der Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten im Muttergotteshäuschen, die am Vorabend des 1. Mai eröffnet wurde. Mensch sein, Menschlichkeit leben – wie kann dies bei allen Unmenschlichkeiten in unserem Leben, den Kriegen und Konflikten, den Nachrichten von Rassismus, Missbrauch und Hass noch gelingen? Gerade an den Sonntagen im Mai soll daher einigen wichtigen (und positiven!) Fragen nachgegangen werden. 

Diakon Willibert Pauels, im Karneval auch bekannt als „Ne bergische Jung“, hielt die Eröffnungspredigt. (c) Stephan Johnen
Diakon Willibert Pauels, im Karneval auch bekannt als „Ne bergische Jung“, hielt die Eröffnungspredigt.

Wer oder was hilft mir, menschlich zu sein? Wie kann ich menschlich werden? Wo macht Menschlichkeit Freude? Antworten soll es im Laufe des Marienmonats geben. Die Eröffnungspredigt hielt Diakon Willibert Pauels, der auch als Karnevalist in der Bütt steht. Zur besseren „Wiedererkennbarkeit“ setzte er sich zunächst eine Clownsnase auf und schilderte, warum es kein Widerspruch ist, Karnevalist, Diakon und Kabarettist zu sein.

„Ein weiser Mensch ist, wer über sich selber lachen kann. Dann erst ist man wirklich Mensch“, betonte er mit Blick auf das Motto der Wallfahrt. Pauels: „Alle Ideologen, Fundamentalisten und Fanatiker erkennt man daran: Es gibt eine vollkommene Humorfreiheit, sie können nicht über sich selbst lachen.“ Im Garten des Lebens sei Humor der beste Dünger.

Christ sein bedeutet aber mehr, als nur Mensch zu sein. „Es bedeutet, ein christlicher Mensch zu sein“, predigte Pauels, der für die Antwort darauf, was es heißt, „christlich zu leben“, eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg erzählte. Beim Überfall auf Polen blieb der Panzer, in dem Pauels Vater Funker war, liegen – der Reparaturwagen wurde erst für den kommenden Tag angekündigt. „Mein Vater wurde losgeschickt, Proviant zu besorgen“, berichtete Pauels. Im hintersten Winkel eines Bauernhofs fand der Vater die Bauernfamilie, die sich zitternd vor Angst versteckt hatte.

 

Aufgrund der schwarzen Uniform wurde der junge Mann für ein Mitglied der SS gehalten. „Er konnte kein Polnisch, die Familie kein Deutsch, aber er wollte ihnen die Angst nehmen. Also zog er einen Rosenkranz aus der Uniformjacke“, gab Pauels die Schilderung seines Vaters wider. Der Gesichtsausdruck der Familie habe von panischer Angst zu erlöster Freude gewechselt. „Die Grenze verläuft nicht zwischen den Ländern, zwischen den Parteien oder Religionen. Die Grenze geht durch das Herz der Menschen, sie verläuft zwischen Gut und Böse, zwischen Hass und Liebe. Bemühe dich dein ganzes Leben lang, auf der Seite der Liebe zu stehen, dann bist du ein christlicher Mensch“, zitierte Pauels seinen Vater.

Der Sinn des Lebens werde für alle sichtbar, die sich auf die Kunst einlassen. „Künstler haben Werke nicht für Kritiker, sondern für Menschen gemacht, deren Herzen berührt werden sollen“, sagte Pauels. Ein Werk, das die Kraft habe, selbst Feinde beim Betrachten zu versöhnen, sei die Pietà von Michelangelo im Petersdom. Maria, die nicht als alte, gebrochene Frau, sondern als junge Mutter dargestellt wird, hat den Leichnam ihres geschundenen Sohnes auf dem Schoß. „Wer auf das Gesicht von Maria schaut, die auf ihren toten Sohn sieht, erkennt Traurigkeit, aber gleichzeitig ein Lächeln. Sie kann nur lächeln, weil sie an das ewige Leben glaubt“, predigte Pauels: „Wenn wir sterben, gehen wir nicht ins Nichts. Wir wechseln nur die Räume. Diese österliche Hoffnung ist der tiefste Grund der Freude.“

Das weitere Wallfahrtsprogramm

(c) Stephan Johnen

 Am 13. Mai gibt es eine Rosenkranzbetrachtung (18.30 Uhr), am 15. Mai eine Andacht der Frauen (15 Uhr) mit anschließendem Kaffee und Kuchen in der Paul-Kuth-Begegnungsstätte St. Josef. „Wie kann ich menschlich werden?“ ist die Festmesse zum Pfingstsonntag, 19. Mai, 9.45 Uhr, überschrieben. Pfingstmontag wird um 18.30 Uhr Gottesdienst gefeiert. Familien sind für Samstag, 25. Mai, zum Familienpilgerweg „St. Lukas be-WEG-t“ eingeladen. Von Schloss Burgau geht es ab 11 Uhr zum Muttergotteshäuschen. Antworten auf die Frage „Wo macht Menschlichkeit Freude?“ gibt es am Sonntag, 26. Mai, 9.45 Uhr bei der heiligen Messe in der Freianlage. Um 17 Uhr gestaltet der Frauenchor St. Josef ein Konzert. Die Festmesse zum Fronleichnamstag mit anschließender Prozession nach St. Josef beginnt am Donnerstag, 30. Mai, um 10 Uhr. Bei ungünstiger Witterung ist die Messfeier in St. Anna.

3 Fragen an…

(c) Stephan Johnen

… Pfarrer Hans-Otto von Danwitz (St. Lukas Düren)

Das Motto der diesjährigen Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten lautet „Mensch sein – Mensch werden“. Haben wir angesichts aller Unmenschlichkeiten in unserer Welt verlernt, menschlich zu sein?

Ich glaube nicht, dass wir es gänzlich verlernt haben. Ich bekomme bei meiner Arbeit mit, dass besonders Kinder und Jugendliche ein Gespür dafür haben, was es heißt, menschlich zu sein und den anderen als Mensch so sein zu lassen, wie er ist. Das stimmt mich positiv, gibt mir Hoffnung. Gerade, wo es so viel Unmenschlichkeit und Krieg in der Welt gibt, ist es besonders wichtig, dass wir auch als Kirche im Kleinen geschützte Orte bieten, seien es Kindertagesstätten, Jugendtreffs oder Angebote für alle Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit. Wir lassen uns unsere Menschlichkeit nicht kaputtmachen. 

 

Spielt Maria als Trösterin der Betrübten in diesen Zeiten eine besondere Rolle? 

Maria hat mit ihrem Ja die Grundlage zum Menschwerden gelegt. Wenn ich nicht erst einmal Ja sage zu jedem Menschen, wie er ist, dann zerbricht jede Menschlichkeit, geht jedes Zusammenleben kaputt beziehungsweise ist ein Zusammenleben erst gar nicht möglich. Maria spendet all denen Trost, die Unmenschlichkeit erleben – oder schwer erkrankt sind, Probleme in der Familie haben. Es gibt zunehmend Menschen, die betrübt sind, weil sie ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen. Maria hat selbst viel Betrübnis erlebt und kann zu einer Trösterin werden. 

 

Was verbinden Sie persönlich mit dem Motto der Wallfahrt?

„Mensch sein – Mensch werden“ heißt für mich, heute so zu leben, dass auch künftig noch Menschen auf der Erde leben können, dass wir das Klima nicht zugrunde richten, die Ressourcen ausbeuten. Wir haben eine besondere Würde, aber wir sind auch „nur“ Mensch – und sollten uns nicht selbst erhöhen.