Vor über 2000 Jahren strahlte eines Nachts ein besonders heller Stern am Himmel. Das eigentliche Licht war aber das Kind, das unter ihm geboren wurde: Gott war Mensch geworden! – Sich daran zu erinnern, ist in diesem Jahr, das den Menschen weltweit
einiges abverlangt hat, besonders wichtig.
Ich stehe vor dem Ende meines hauptamtlichen Dienstes in der Kirche – und schaue auf 49 Jahre im Ehren- und Hauptamt zurück. An den allermeisten Tagen bin ich froh aufgestanden und mit Freude auf viele Begegnungen in den Tag gestartet. Es gab viel „Helles“, viele persönliche Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen. Ich erinnere mich an einzelne „prophetische Worte“, die mir den Weg gewiesen haben. Rückblickend wird da manches zum Licht auf dem Lebensweg. Die Pandemie hat in diesem Jahr das Leben – auch das kirchliche – entschleunigt. Viele Aktivitäten sind ausgefallen… Dafür ergab sich Zeit und Möglichkeit, Kontakte medial zu pflegen und manche wieder aufzunehmen. Hier zeigen sich E-Mail, Whatsapp und Facebook tatsächlich als Segen. Es ist schön und „leuchtet in der Nacht“, wenn junge Erwachsene, die ihren Jugendleiterweg mit uns begonnen haben, nun selbst Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen. Gerade im Bereich der Jugendarbeit haben sich auch – insbesondere in den letzten Jahren – sehr einfache und persönliche Gottesdienstformen bewährt. Glaube als Beziehung entsteht sehr intensiv im kleinen, fast privaten Rahmen. In dieser Nähe wachsen auch menschliche Beziehungen, die trotz weiter Entfernungen lebendig und intensiv bleiben. Die Kirche Jesu Christi ist eine Gemeinschaft der Beziehung der Menschen untereinander und zu Gott, der uns trägt und hält – in leichten und in schweren Stunden! Dies täglich zu erfahren, macht das Dunkel hell und Hoffnung auf die Zukunft.
Corona fordert heraus: Menschen verlieren ihr Leben, ihre Gesundheit, ihre Arbeit, ihre Existenz, ihre Zuversicht, ihr soziales Umfeld. Das erschreckt mich. Die Art, Beziehungen zu pflegen und sich zu begegnen, hat sich verändert. Umso mehr genieße ich Beziehung und Begegnung. Das Virus hält uns den Spiegel vor: Wie gehen wir miteinander um? Wie solidarisch sind wir? Welche Werte sind uns wichtig? Was bemühen wir uns zu erhalten, was können/müssen wir verändern? Antworten auf diese Fragen zu finden, sehe ich als unsere Aufgabe an. Es geht nicht nur darum, einen Impfstoff oder eine wirksame Therapie zu finden. Die Krise sehe ich auch als Chance, etwas positiv zu verändern. Was mir Hoffnung macht: Es gibt viele Menschen, die sich einsetzen für andere durch Rücksichtnahme, Fürsorge und Hilfsbereitschaft. Gute Ideen, Initiativen und kreative Lösungsansätze entstehen. Mein Wunsch: dass wir alle – auch als Kirche – Impulsgeber werden und Veränderung wagen. Mit der Hoffnung gehe ich trotz allem zuversichtlich ins neue Jahr 2021.
Die Pandemie und der damit einhergehende Lockdown bedeuten mehr als körperliche, gesundheitliche Gefahr. Plötzliche Isolation, Abbruch sozialer Kontakte, Absage gemeinschaftlicher Veranstaltungen, sind eine besondere Herausforderung für Geist und Seele. Schnell wurde klar, was das für unsere Gäste und die Menschen aus dem Quartier heißt. Angehörige brauchen dringend Entlastung, die Gäste Aktivierung und soziale Kontakte. So kam die Idee, Telefonbesuche anzubieten. Ein Trost, der gerne angenommen wurde und wird. Viele E-Mails wurden ausgetauscht, Online-Meetings veranstaltet, unser Team wurde virtuell sehr aktiv. Der Moment, als Gäste und Team sich das erste Mal online gesehen haben, war ein Moment voll spürbarer Emotion, es liefen Tränen, Wärme erfüllte die kühl erscheinende digitale Welt… Der Moment war so rührend, dass für mich das Licht für die weitere Zeit mit Corona angezündet wurde. Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut. Manchmal bedeutet Licht nicht das pure Glück, nicht das perfekt scheinende Leben, sondern ein kleiner Augenblick, der einem die Herzlichkeit, die Freude, die Liebe Gottes vermittelt, die gerade in schweren Zeiten immer wieder zu uns Einkehr sucht. Daran wollen wir festhalten und mit Freude der kommenden Zeit entgegenblicken, in der wir uns hoffentlich bald wieder persönlich sehen können.
Was hilft mir, durch diese schwierige Zeit zu kommen? Die bewährte Struktur eines Tages beizubehalten. In meinem (Or-dens-)Leben ist das gegeben durch die Gebetszeiten, die immer zur gleichen Zeit über den Tag verteilt sind. Ich frage mich, was meine Bedürfnisse sind und suche nach Möglichkeiten, sie unter den aktuellen Gegebenheiten zu beantworten. Wie zum Beispiel das Bedürfnis nach Begegnung und Austausch. Wenn ein persönliches Zusammenkommen nicht möglich ist, telefoniere oder schreibe ich. Das ist oft ein sehr intensives Miteinander; das „Neue“ will geübt und gelernt werden. Was ist mir „Licht im Dunkeln“? Menschen, die sich locken lassen – auch und gerade durch Hindernisse hindurch – zum Leben, zum Lebendigen „hinter den Hindernissen“…
Geholfen hat bei tollem Wetter ganz viel Spazierengehen mit meiner Frau, im Kontakt mit anderen zu bleiben und sich über das Telefon auszutauschen. Lichtblicke entstehen, wo man sich austauschen und erzählen kann. Das erlebe ich auch als Seelsorger für die Malteser und im Angebot „Ansprechbar“. Es tut gut, zu geben und zu nehmen, und es ist schön zu verfolgen, dass auch Kirche da weiter aktiv bleibt. Lichtblicke sind auch alle, die sich in Kindertagesstätten und Altenheimen um andere kümmern. Ihre Arbeit inspiriert. Ich hoffe, dass vieles, was gerade kirchlich entsteht auch danach noch weitergeht.
Auf einer der Touren mit unserem mobilen Adventskranz – mitten zwischen den dunklen Feldern – teilte der ehrenamtlich Verantwortliche seine Idee mit mir: Es müsste ein Stern sein über dem Stall, schon von Weitem zu sehen. Sein Licht soll die Menschen aufmerksam machen auf das Ereignis von Jesu Geburt, nicht auf dem Marktplatz, nicht bei der Kirche soll der Stall seinen Platz haben, nein, mitten auf dem Feld, einen Fußmarsch weit entfernt… So wie damals. Und wir träfen uns dort an Heiligabend und spürten das Licht. Ich stutzte und staunte. Eine großartige Idee! Eine Vision von Kirche? – Denn es ist an der Zeit, sich neu auf den Weg zu machen und das wirklich Wesentliche zu suchen, das uns als Kirche heute auszeichnet. Was leuchtet am Himmel und zieht uns in den Bann? Wo finden wir Gottes Wort im Menschen heute? In den vergangenen Monaten haben mir Menschen wie dieser Ehrenamtliche Hoffnung gegeben. Während Etliches ausfallen musste und weggebrochen ist, gab es viele neue Ansätze, kreative Aktionen und Gottesdienste anderer Art, die ganz unterschiedlich die Botschaft Jesu als Stern in dunkler Nacht verbreitet haben. Sternstunden, für die ich sehr dankbar bin.
Ich fühle mich beschenkt und getragen durch Familie und gute Freundschaften und habe in diesem Jahr sehr bewusst das Glück genossen, Zeit in der Natur mit unserem Hund zu verbringen. Für mich sind „Licht in dunkler Nacht“ besonders die Menschen, die über den eigenen Tellerrand schauen, die Verantwortung auch für andere übernehmen und sich die Frage stellen: „Wie kann mein gesellschaftlicher Beitrag in dieser herausfordernden Zeit aussehen?“ Die große Solidarität und vielfältige Unterstützung, die wir im Rahmen unserer Corona-Projekte im D-Hof erfahren haben, durch die wir insgesamt 5600 Kochtüten ausgeben konnten, sowie mein großartiges Team, das beherzt und engagiert in diesem Jahr völlig neue Wege gegangen ist, um mit Kindern und Jugendlichen gut in Kontakt zu bleiben und besonders die zu unterstützen, die es auch schon vor Corona schwerer hatten als andere, das hat mir persönlich auch Hoffnung und Kraft geschenkt.