Statt Kirchturmdenken Zeit für Seelsorge

Mit einem Protestbrief gegen die Protestbriefe wendet sich das Team der Region Eifel an Rom und will dem Bischof den Rücken stärken

Erich Dederichs (als Vertreter der Ehrenamtlichen), der in Monschau tätige Pastoralreferent Georg Nilles und Regionalvikar Pater Wiesław Kaczor SDS (v. l.) haben den Brief unterschrieben, der auf dem Weg nach Rom ist. (c) Stephan Johnen
Erich Dederichs (als Vertreter der Ehrenamtlichen), der in Monschau tätige Pastoralreferent Georg Nilles und Regionalvikar Pater Wiesław Kaczor SDS (v. l.) haben den Brief unterschrieben, der auf dem Weg nach Rom ist.
Datum:
29. Mai 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 22/2024 | Stephan Johnen

„Wir haben den Eindruck, dass die kritischen Stimmen zum Erneuerungsprozess im Bistum Aachen oftmals sehr laut geäußert und berücksichtigt werden, während die anderen nicht gehört werden“, sagt Regionalvikar Pater Wiesław Kaczor SDS im Namen des Regionalteams Eifel. In einem Brief an das Dikasterium für den Klerus in Rom stärkt das Team Bischof Helmut Dieser beim Reformprozess den Rücken und bittet um Unterstützung für eine schnelle Umsetzung der Erneuerung im Bistum. 

Damit protestiert das Regionalteam in gewisser Weise auch gegen die vorangegangenen Protestbriefe von Initiativen wie „Kirche bleibt hier“, die unter anderem die Errichtung der 44 Pastoralen Räume als Etappe im bistumsweiten Veränderungsprozess „Heute bei dir“ kritisieren.

„Wir verstehen die Sorgen und Befürchtungen, die in diesen Schreiben zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig ist es uns ein Anliegen, neben den teilweise berechtigten Sorgen auch die großen pastoralen Chancen in den Blick zu rücken“, heißt es in dem von Pater Wiesław Kaczor, Pastoralreferent Georg Nilles und Erich Dederichs als Vertreter der Ehrenamtler unterschriebenen Brief an die vatikanische Zentralbehörde. „Seit 2017 beschäftigten wir uns im Rahmen von ‚Heute bei dir‘ mit Reformen. Alles wurde hinreichend diskutiert. Nichts wurde aus sich heraus beschlossen. Wenn wir uns jetzt noch einmal jahrelang mit Strukturen befassen, werden wir immer unglaubwürdiger, verlieren wir die Menschen“, betont der Regionalvikar: „Es wird Zeit, sich auf die Seelsorge zu konzentrieren.“

Das Regionalteam Eifel sei über Gremien, Versammlungen und Gespräche mit rund 60000 Katholiken vernetzt und in Kontakt. „Ganz klar erleben wir, dass der allergrößte Teil unserer Gemeindemitglieder nicht nur offen für Veränderungen ist, sondern diese ausdrücklich wünscht. In verschiedenen Gesprächsformaten bringen Gläubige aller Altersgruppen den Wunsch nach Reformen und Erneuerung zum Ausdruck. Sie wünschen sich zeitgemäße Gottesdienste, eine lebendig erfahrbare Gemeinschaft und ein verstärktes Engagement für Frieden und Klimaschutz“, heißt es in dem Brief nach Rom. Um dies zu ermöglichen, bedarf es der Einschätzung der Unterzeichner nach auch veränderter Strukturen. Das bisherige „Kirchturmdenken“ passe selbst in einer ländlichen Region wie der Eifel kaum noch in die Zeit. Die immer kleiner werdende Zahl der Priester führe zu kaum noch ertragbaren Belastungen.

„Deshalb unterstützen wir den Reformprozess ‚Heute bei dir‘ unseres Bischofs Helmut Dieser. Die geplanten, seit dem 1. Januar 2024 umschriebenen Pastoralen Räume bieten unserer Einschätzung nach die Chance, Priester von Leitungs- und Verwaltungsaufgaben zu entlasten und dadurch Raum für die Seelsorge und Neues entstehen zu lassen. Wir begrüßen auch den neuen, wertschätzenden Blick auf ‚Orte von Kirche‘ – Orte und Gruppierungen außerhalb der traditionellen Pfarreien, in denen das Evangelium sichtbar und erfahrbar gelebt wird. Wir sind dankbar für den Einsatz von Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten in den vielfach komplizierter werdenden Aufgaben. Und wir schätzen sehr den Einsatz engagierter Ehrenamtlicher, die in unseren Gemeinden und Gemeinschaften der Gemeinden bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Sie sind der Kirche verbunden, bringen lebendige Ideen und neue Perspektiven ein“, betonen die Verfasser des Briefes.

Die Unterzeichner wollen ihre Initiative auch den anderen Regionalteams im Bistum vorstellen. Die „vielen positiven Erfahrungen“, die sie in den vergangenen Jahren mit „Heute bei dir“ gemacht haben, das „engagierte Mitüberlegen“ so vieler Haupt- und Ehrenamtlicher, die „Chancen auf Vernetzung im Pastoralen Raum“ – all das möchten sie über die Region Eifel hinaus „dringend zu Gehör bringen“. Oder mit den Worten von Pater Wiesław Kaczor: „Es muss sich etwas bewegen, sonst verlieren wir die Menschen.“ Er könne mit Blick auf Kritiker des Reformprozesses ohnehin nicht ausschließen, dass auf dem weiteren Weg „einige abspringen, die vielleicht schon lange nicht mehr mit uns gehen“.  
Zum Hintergrund: Nach dem Eingang der Rekurse und Beschwerdebriefe nach Rom hatte der Aachener Bischof erneut zu Gesprächen eingeladen, um das weitere Vorgehen gemeinsam zu besprechen. Die in den Gesprächen gegebenen Hinweise, dass die Kommunikation noch verbessert werden könne, nahmen die Leitungsverantwortlichen des Bistums ernst. Promotorinnen und Promotoren koordinieren, unterstützen und moderieren in Zusammenarbeit mit den GdG-Leitungen, den örtlichen pastoralen Gremien und den Kirchenvorständen, den Pastoral- und Verwaltungsteams vor Ort. Begleitet werden die Beteiligten durch das Bischöfliche Generalvikariat und die Regionalteams, um weitere lösungsorientierte Entwicklungen vor Ort zu ermöglichen und mit formalen Notwendigkeiten abzustimmen.

Die Zielperspektive der acht Pfarreien im Bistum, die der Synodalkreis beschrieben hat, knüpfe an die Tradition der acht Regionen im Bistum Aachen an und stelle eine für alle plausible Entwicklungsgröße dar. Jedoch brachten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Gesprächen deutlich ihre Sorge zum Ausdruck, dass der Zeitplan auf den 1. Januar 2028 hin zu ambitioniert sei. Der Bischof argumentierte, dass es wichtig sei, die sozialräumlich orientierten Pastoralen Räume mit Leben zu füllen und die Überführung der bestehenden Pfarreien und Kirchengemeinden mit den Menschen vor Ort in einem ausführlichen Dialog zu entwickeln.

„Wir reden von einem Reformprozess, in dem alle mit einbezogen gewesen sind. Es muss sich etwas ändern, Kirche kann nicht möglichst kleinteilig bleiben“, fordern auch Georg Nilles und Erich Dederichs eine zügige Umsetzung. „Hunderte Menschen haben viel Zeit und Arbeit investiert. Es wäre schade, wenn die ganzen Gespräche und Prozesse nun blockiert, gehemmt oder schlimmstenfalls zum Scheitern gebracht werden“, wünscht sich Pater Wiesław Kaczor einen gemeinsamen und solidarischen Neuanfang anstatt einer „öffentlichen Demontage“ des Bischofs. „Kritisieren kann man immer. Aber es gab ein Höchstmaß an Beteiligung – von Anfang an. Es muss sich etwas ändern, es muss eine Verschlankung der Verwaltung geben. An dieser Erkenntnis kommt eigentlich keiner vorbei“, sagt er. 

Pastorale Räume gehen zum 1. Januar 2025 gemeinsam an den Start

Mit der Errichtung der 44 Pastoralen Räume wird eine wichtige Etappe im bistumsweiten Veränderungsprozess „Heute bei dir“ erreicht. Zum 1. Januar 2025 werden die 44 Pastoralen Räume nunmehr zeitgleich errichtet. Ursprünglich war es das Ziel, zum 1. Juli 2024 bereits mit 23 Pastoralen Räumen, die identisch mit einer GdG sind, im Übergang an den Start zu gehen. „Da in den zurückliegenden Wochen in unterschiedlichen Zusammenhängen jedoch noch viele Fragen aufgekommen sind, die es zu berücksichtigen gilt, wird dieser Schritt für alle 44 Pastoralen Räume im Übergang zum 1. Januar 2025 gemeinsam vollzogen“, sagt Generalvikar Thorsten Aymanns.

In den kommenden Monaten ist es aus Sicht des Bistums Aachen deshalb wichtig, mit den Gremien und in den Räteberatungen noch einmal intensiv auf verschiedene Themenbereiche zu schauen, um gemeinsam eine größtmögliche Sicherheit für die Umsetzung 2025 zu gewinnen. Dabei geht es ausdrücklich nicht um vermögensrechtliche Fragen, sondern um eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Rechtsform des Pastoralen Raumes und den Leitungsmodellen. Die bisherigen Erfahrungswerte der vielen haupt- und ehrenamtlich Engagierten, die die Pastoralen Räume vor Ort Schritt für Schritt etablieren und mit Leben füllen, werden in den Beratungsprozess integriert und für die weitere Entwicklung dynamisch genutzt.