Ein ganzer Reigen traditioneller Choralmelodien ist im komplexen Satz verborgen, den die umtriebige Violinistin gemeinsam mit dem Norddeutschen Kammerchor nun in ein überaus erhellendes Konzept stellt. Kurz vor der Niederschrift war Bachs erste Ehefrau Maria Barbara verstorben; Bach selbst erfuhr erst nach Rückkehr von einer Dienstreise nach Karlsbad davon – da war die geliebte Gattin bereits beigesetzt. So ist es nicht verwunderlich, dass sich in der Ciaccona auch Spuren Maria Barbaras finden. Allerdings vermeidet Bach allzu platte Anspielungen zugunsten einer tief verschlüsselten Zahlenmystik. Immer wieder lässt sich der Name der Verstorbenen dechiffrieren, das Jahr ihres Todes ist ebenso zu finden wie die Namen der gemeinsamen Kinder. Und so wird die Ciaccona, die im Kreis der drei Sonaten und drei Partiten für Violine solo eine auffällige Sonderstellung einnimmt, zu einem aufwendigen Grabmal für die verstorbene Gefährtin. Als weiteren Aspekt präsentiert Gertrud Schilde mit Jan Philip Schulze zusätzlich Mendelssohns Fassung der Ciaccona mit Klavierbegleitung, die den rhythmischen und harmonischen Verlauf des grandiosen Meisterwerkes noch einmal in neuer Deutlichkeit hervortreten lässt. Und unter Maria Jürgensens kundiger Leitung erklingen die Choräle frisch und präsent.
J. S. Bach: Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004, Ciaccona und ihre Choral-Bezüge, ca. 60 Min., MDG 903 2004-6, Preis: 20,– Euro