Spielerisch in „Mine Krefeld“

Dominik Kraues zeigt beispielhaft, wie sich die virtuelle Welt mit der realen Jugendarbeit verbinden lässt

Aus Krefeld in das gesamte Bistum Aachen: Mit einem neuen Spieleserver möchte die Krefelder Kinder- und Jugendarbeit die Gemeinden im Bistum verbinden. (c) privat
Aus Krefeld in das gesamte Bistum Aachen: Mit einem neuen Spieleserver möchte die Krefelder Kinder- und Jugendarbeit die Gemeinden im Bistum verbinden.
Datum:
11. Jan. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 02/2022 | Ann-Katrin Roscheck

Man stelle sich vor, man könnte Visionen wahr machen: Mit nur einem Gedanken fliegen und aus der Vogelperspektive die Nachbarschaft erkunden, beobachten und landen, wenn Hilfe gebraucht wird. Mit nur einem Schnipsen das Wohnzimmer neu dekorieren, ohne Kraftaufwand herausfinden, wo das Sofa am besten aussieht.

Als Pastoralreferent und Schulseelsorger ist sich Dominik Kraues sicher, dass in Mine Krefeld auch religionspädagogisch große Chancen liegen. (c) privat
Als Pastoralreferent und Schulseelsorger ist sich Dominik Kraues sicher, dass in Mine Krefeld auch religionspädagogisch große Chancen liegen.

Als Schulseelsorger und Pastoralreferent in Krefeld-Süd macht Dominik Kraues gemeinsam mit einem Projektteam genau das jetzt möglich. Über eine virtuelle Plattform schafft er Jugendlichen einen Zugang zu einer Welt, die sie selbst gestalten können. „Die Idee entstand während des letzten Lockdowns“, erklärt er. „Wir überlegten, wie wir trotz geschlossener Häuser mit den Jugendlichen in Kontakt bleiben könnten und kamen dabei auf die Idee einer virtuellen Spieleplattform.“ In diesem Zuge erinnerte sich der Pastoralreferent auch an das Spiel „Minecraft“. „Wie in einem virtuellen Sandkasten können Spieler hier Blöckchen verschieben und eigene Welten bauen, in denen sie sich begegnen“, schildert er. „Egal wo sie sich aufhalten, sie arbeiten für die gleiche Sache.“

Kam „Minecraft“ als kostenpflichtiges Spiel für die Akteure nicht in Frage, fand Kraues heraus, dass in der evangelischen Kirche bereits eine ähnliche Idee umgesetzt wurde, die sogar durch öffentliche Fördergelder unterstützt wird. Seit einiger Zeit schafft die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt mit einem Open-Source-Server in der digitalen Welt ein pädagogisches Instrument. Gemeinsam bauen sich Jugendliche aus unterschiedlichen Institutionen hier ein Universum auf und werden dabei von Pädagogen begleitet. Ähnlich wie ein Spieleleiter integrieren die Fachkräfte Aufgaben oder theologische Elemente in die virtuelle Welt. Über Kopfhörer und Mikrofon sind sie gleichzeitig in einem Chat mit den Jugendlichen in Kontakt. „Ich war angetan von dem, was die Kollegen hier leisten, denn sie zeigen, wie sich Virtualität und Realität miteinander verbinden können“, schildert der Pastoralreferent. „Die Zehn Gebote werden zum Beispiel virtuell dargestellt, oder es finden Positionierungsspiele statt, über die sich Gespräche zum Beispiel zu Integrationsthemen entwickeln. Das schafft auch für uns neue pädagogische Möglichkeiten.“

Ein gutes Instrument für die Entwicklung der Persönlichkeit

Wenn Realität und Virtualität miteinander verschmelzen. (c) Ann-Katrin Roscheck
Wenn Realität und Virtualität miteinander verschmelzen.

Mit Hilfe der sächsischen Kollegen brachte Kraues schließlich selbst eine Plattform für Krefeld auf den Weg. „Hätte ich die Seelsorge nicht entdeckt, wäre ich wohl Informatiker geworden“, kommentiert er lachend seine Fähigkeiten. Schnell fand er unter dem Slogan „Mine Krefeld und Co.“ Mitstreiter in der Stadt. Jochen Scheller und Matthias Opgenoorth vom katholischen Jugendzentrum „Am Wasserturm“ in Krefeld-Hüls waren gleich vom Spieleserver angetan. „Als Pädagogen wissen wir, dass die Form des spielerischen Lernens für Kinder und Jugendliche besonders effektiv ist“, erklärt Scheller. „Unsere Aufgabe ist es, die Jugendlichen auf die Erwachsenenwelt vorzubereiten. Dafür ist das Spiel ein gutes Instrument.“ Mine Krefeld, so schildert der Pädagoge, sei niederschwellig. Selbst wenn ein Computer im Haushalt nicht vorhanden sei, könne es über das Smartphone gespielt werden. Außerhalb des Jugendzentrums fänden die Kinder so einen sicheren Raum, um sich zu treffen und auszutauschen.

Im Jugendzentrum am Wasserturm hat sich inzwischen ein fester Mine-Krefeld-Treff gebildet. Immer donnerstags bieten Scheller und Opgenoorth das gemeinsame Spielen an. Sie stellen dann nicht nur Laptops und Headsets zur Verfügung, sondern schaffen auch Angebote in der virtuellen Welt. Dafür hat das Team das Jugendzentrum online nachgebaut. Der 13-jährige Antoine sorgte dabei für die entsprechende Nachbarschaft. Nicht nur der charakteristische Wasserturm ist mit den virtuellen Blöcken konstruiert worden, sondern auch ein Fastfood-Restaurant ist auf die Straße gezogen. „Hier ist eben auch Platz für Träume“, erklärt Scheller schmunzelnd.

Diese Kulisse steht nun für das gemeinsame Spielen zur Verfügung und kann beliebig erweitert werden. Beliebt ist zum Beispiel „Hide and seek“ – ein Versteckspiel auf dem Onlineserver. „Am meisten Spaß macht es natürlich, wenn viele mitspielen“, erklärt der 13-jährige Florian. „Da hoffen wir, dass in den nächsten Monaten noch Jugendliche aus anderen Häusern dazukommen.“

Die Akteure möchten das ganze Bistum miteinander vernetzen

Wenn Kraues und Scheller von Zukunftsvisionen sprechen, dann wünschen sie sich, dass wie in Sachsen-Anhalt irgendwann das gesamte Bistum Aachen über den Server miteinander verknüpft ist. Technisch wäre das ohne weiteres möglich, es braucht aber vor allem Jugendleiter, die technisch versiert sind, sowie eine entsprechende Ausstattung in den Jugendzentren. In Krefeld hat sich nun die Stadt entschieden, das Projekt zu unterstützen. Unter dem Namen „Mint-in-Mind“ schlossen sich bereits vor einiger Zeit unterschiedliche Akteure zusammen, um das Interesse für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik von Jugendlichen zu fördern. Der Zusammenschluss unterstützt nun auch Kraues und seine Kollegen dabei, Mine Krefeld bekannter zu machen. „Mine Krefeld ist auf multiplen Ebenen interessant, und ich freue mich sehr, dass das auch die Stadt erkannt hat“, schildert Kraues. „Wir sind zum Beispiel mit Akteuren aus der Stadtentwicklung im Gespräch. Denn Mine Krefeld könnte hier ein Tool werden, um die Wünsche von Jugendlichen rund um städtische Gestaltung abzufragen.“ Auch der 13-jährige Florian hat die Stärken des Spieles schon erkannt. „Die Erwachsenen“, so schildert er, „bekommen so endlich einen Eindruck, wie wir uns die Welt vorstellen.“