Die Mitglieder sind geflüchtete Profi-Musiker aus Syrien, dem Irak und der Türkei. Die Idee dahinter: Musik überwindet die Grenzen zwischen verschiedenen Kulturen und schafft so eine Verbindung zwischen den Völkern.
Ihre Feuertaufe haben sie mit Bravour bestanden. Mit stehenden Ovationen hat das Publikum ihnen nach ihrem ersten großen Konzert in der Heinsberger Christuskirche applaudiert. „Keiner hätte gedacht, dass die Kirche so voll würde“, sagt Ensemble-Leiterin Agnes Erkens. „Obwohl Stadtfest war.“ Einige Besucher des Stadtfestes hätten sich sogar extra die Zeit genommen, um in das Konzert zu gehen, berichtet Erdal Aslan. Für die Musiker war das die Bestätigung, dass sie auf dem richtigen Weg sind – und eine große Wertschätzung. „Es war ein Gefühl, als ob man fliegt“, fasst Sakia Mohammed ihre Erinnerung zusammen. Seit einem Jahr treffen sich die vier Profi-Musiker Adnan Shannan, Sakia Mohammed, Waqed Saadi und Erdal Aslan mit Agnes Erkens, um ihr Repertoire aufzubauen. Die Künstler stammen aus Syrien, dem Irak und der Türkei, sie verbindet ihre Liebe zur Musik und die Erfahrung, ihre Heimat unfreiwillig verlassen zu haben.
Das unter dem Titel „Sing mir dein Lied, damit ich dich besser verstehen kann“ stehende Projekt des Katholischen Forums soll nicht nur den Musikern bei der Integration in ihrer neuen Heimat helfen. Es soll auch außerhalb des Ensembles den Boden für das Verständnis und die Akzeptanz für die verschiedenen Kulturen der Geflüchteten bereiten. Die Musik ist dabei die Verbindung zwischen den Menschen. „Die Musik ist für mich Medizin und Brücke“, sagt Erdal Aslan. „Ich bin seit 1980 in Deutschland, mein Saz (ein Saiteninstrument, das „Zas“ ausgesprochen wird, Anm. der Red.) hat mich immer wie ein Freund begleitet. Ich kann damit kommunizieren, auch auf internationaler Ebene.“ Wie die Musik über Sprachgrenzen hinaus das Verständnis erleichtert, zeigt sich anschaulich in den Proben: Die Künstler haben verschiedene Muttersprachen, ihre Deutschkenntnisse sind auf unterschiedlichem Niveau. Trotzdem können sie sich über ihre Musik miteinander verständlich machen und Absprachen zu den Arrangements treffen.
Der völkerverständigende Aspekt spiegelt das Repertoire des Ensembles wider: Jeder Musiker bringt Lieder aus der eigenen Heimat mit ein. „Bei unserem ersten Konzert in der Christuskirche haben wir es so gemacht, dass Adlan auf der Orgelempore 30 Sekunden ein Lied aus seinem Land gespielt hat“, erzählt Erkens. „Dann hat Sakia 30 Sekunden gespielt, dann Waqed und Erdal. Für das Publikum waren sie zuerst alle unsichtbar, dann sind wir zusammengekommen.“ Das Publikum soll die kulturellen Unterschiede in der Musik spüren, aber auch die verbindenden Elemente erkennen. „Jeder hat seinen eigenen Programmpart“, sagt Erkens. „Am Ende aber spielen wir alle zusammen.“
Diese völkerverbindende Komponente der Musik hat vor dem aktuellen politischen Hintergrund und dem Ergebnis der jüngsten Bundestagswahlen eine noch stärkere Bedeutung bekommen. Die Gruppe setzt dabei auf einen Schneeballeffekt, der auch jene mitnimmt, die sich diffusen Ängsten ausgeliefert fühlen. „Agnes und ich haben uns schon vor vielen Jahren kennengelernt“, erzählt Erdal Aslan. „Wir waren zwei, jeder hat von dem Projekt weiter erzählt. Dann waren wir vier, jetzt sind wir fünf. Wir geben das weiter, zeigen unseren Frieden auf der Bühne und tragen unsere Botschaft so nach außen. Einige Konzertbesucher nehmen das mit und geben es weiter.“ Für die Musiker ist es ihr ganz persönlicher Beitrag zum Frieden. Das ist der Kern des Projekts und das Ziel für die Projektleiterin. Es gehe nicht nur darum, schön zu singen, betont Erkens. „Dahinter steht die Frage: Was kann ich damit machen?“ Musik sei eine universelle Sprache, die alle Menschen auf dem gleichen Level zusammenbringe. „Mit ihr wird Vielfalt als Bereicherung erlebt, Nähe und Raum geschaffen“, ist ihre Erfahrung. Wo sich Menschen näher kommen und kennenlernen, ist eben kein Platz für Vorurteile. Bevor die Gruppe Aghani, ein arabischer Ausdruck für „Lieder“, mit ihrem Programm auf die große Bühne gegangen ist, hat sie erste Auftritte bei der Eröffnung der neuen Räume des Forums in Heinsberg und einem Frühlingsfest für Flüchtlinge in der Festhalle Oberbruch absolviert. Bei diesen Auftritten haben sie nicht nur erfahren, dass ihre Musik beim Publikum gut ankommt. Auch dass die Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten mussten, sich von den Klängen getröstet fühlten, haben die Musiker deutlich gespürt. Für sie selbst ist die Musik oft Zuflucht und Trost. „Für mich ist sie oft wie ein Rausch“, sagt der Syrer Waqed Saadi. Er gilt mit seinen Sangeskünsten und seinem Können an den Saiteninstrumenten als Tausendsassa der Gruppe.
Die Sehnsucht nach ihrer alten Heimat, nach ihren Familien und Freunden, die mitunter mehrere tausend Kilometer entfernt sind, kennen die Musiker aus der eigenen Erfahrung. „Das Saz ist mein Freund“, sagt Sakia Mohammed. „Ich sage oft zu ihm: Du bist jetzt meine Familie.“ Waqed Saadi erinnert daran, dass Komponisten wie Beethoven und Chopin schon gewusst hätten, dass Musik glücklich macht. „Sie lindert den Schmerz, das haben die Komponisten gespürt“, sagt er. Diesen heilsamen Aspekt sieht auch Agnes Erkens als einen Teil ihrer Arbeit mit dem Ensemble. Die Arbeit an dem Repertoire hilft den Musikern, ihre eigene Sehnsucht und Trauer zu verarbeiten. Jeder stellt im Repertoire seine Lieder vor, die anderen begleiten dann jeweils: Sakia zum Beispiel singt oft Klagelieder. Nicht nur für Agnes Erkens ist das Repertoire eine Herausforderung, weil sie an einem Konzertabend kein Wort in Deutsch singt. Auch die anderen sprechen unterschiedliche Sprachen. Die Bedeutung der Texte müssen für alle verständlich gemacht werden, und die richtige Aussprache muss trainiert werden. „Wir üben das zusammen“, sagt Erkens. Auch das ist ein kleiner Beitrag zum Frieden.
Konzerte Das Ensemble plant weitere Konzerte und sucht dafür öffentliche Möglichkeiten wie Institutionen, Kirchengemeinden, Vereine, städtische Organisationen oder Anlässe wie Firmenfeiern oder Hauskonzerte.
Musiker Das Ensemble möchte sich auf acht Musiker erweitern: Interessierte Profimusiker werden dafür gesucht.
Informationen sind bei Projektleiterin Agnes Erkens unter der Mobilnummer 0175/7840165 oder per E-Mail: agnes.erkens@ t-online.de erhältlich.