Solidarisch und politisch

Das Herzogenrather Nell-Breuning-Haus hat seinen Jahresbericht „Einsichten 2022“ veröffentlicht

Seminare, Diskussionsforen und Tagungen, wie hier zum Thema „Rechtskatholizismus“, sind wichtige Bausteine der politischen Bildungsarbeit. (c) Thomas Hohenschue
Seminare, Diskussionsforen und Tagungen, wie hier zum Thema „Rechtskatholizismus“, sind wichtige Bausteine der politischen Bildungsarbeit.
Datum:
25. Jan. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2022 | Andrea Thomas

Das Herzogenrather Nell-Breuning-Haus (NBH) engagiert sich in vielen Themenfeldern und Fragen der aktuellen sozialen und ökologischen Entwicklung. Der nun veröffentlichte Jahresbericht „Einsichten 2022“ zeigt dies an ausgewählten Beispielen auf und hält Rückschau auf ein vielfältiges Jahr für das Bildungshaus.

Immer wieder bestimmen neben langfristigen Projekten und Themenschwerpunkten aktuelle Geschehnisse die Agenda des Hauses. War dies in den vergangenen Jahren vor allem die Corona-Krise, die das Bildungszentrum und Tagungshaus ein ums andere Mal vor Herausforderungen gestellt hatte, auf die flexibel reagiert werden musste, so war es 2022 der Ukraine-Krieg. „Damit hatte niemand gerechnet. Der Krieg ist zurück in Europa. Hatten wir noch Anfang des Jahres gedacht, dass wir die Corona-Einschränkungen langsam hinter uns lassen können, wurden wir durch den Überfall Putins auf die Ukraine mit einer weiteren Krisensituation konfrontiert“, schreibt Manfred Körber, der Leiter des Nell-Breuning-Hauses, im Vorwort zum Jahresbericht.

Damit rückte von einem Tag auf den anderen die Solidarität mit denen, die direkte Hilfe für die Menschen leisteten, die ihre Heimat fluchtartig verließen, in den Fokus. Dank guter Kontakte nach Ost- und Südosteuropa war schnell klar, wohin sich die Hilfe richten sollte. Befreundete Bildungshäuser in der Ukraine,

Polen und Rumänien wurden zu Auffangorten für vor dem Krieg Geflüchtete. Diese Einrichtungen wollte das Nell-Breuning-Haus unterstützen und organisierte drei Hilfstransporte mit Dingen, die dort dringend gebraucht wurden.

Wobei sie jedes Mal dazugelernt hätten. So seien Sachspenden nur dann sinnvoll, wenn sie exakt dem Bedarf entsprächen; weshalb es sinnvoller sein kann, Geldmittel zur Verfügung zu stellen, um Benötigtes direkt vor Ort kaufen zu können. Dank privater Spenden konnte das Nell-Breuning-Haus hier mit 10000 Euro helfen. Einen Teil steuerten Übernachtungsgäste des Bildungshauses mit einer Spende von einem Euro pro Nacht bei. Eine Aktion, die bis zum Herbst lief und zeigt, dass auch aus kleinen Beträgen große Hilfe werden kann. Nachdem immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine den Weg nach Herzogenrath fanden, half das NBH auch hier „mit Zimmern, Küche, Kursen“ bei deren Versorgung und Integration.

Eine feste Säule der Arbeit an der Herzogenrather Wiesenstraße ist die politische Bildung. Hier hat das NHB seinen Einsatz im verganenen Jahr weiter verstärkt. Europäische Projekte des sozialen Dialogs zum Beispiel zur Arbeitssituation von Frauen gehörten ebenso dazu wie das Thema „Nachhaltigkeit“ oder Fachtagungen zu politischen Themen mit aktuellem Bezug. Ein Beispiel dafür: die mehrtägige Veranstaltung zu „Rechtskatholizismus“. Sie schlug die Brücke von der Weimarer Zeit ins heute und nahm die Gruppe der Rechtspopulisten unter die Lupe, die sich auf christliche Werte berufen. Argumentativ und ideologisch, häufig aber auch personell und publizistisch vernetzt und verwoben zu dieser Szene seien „Grenzgänger und Weltenwanderer aus dem Kreis fundamentalistischer und radikalisierter katholischer und evangelischer Christen“. Kooperationspartner waren die Landeszentrale für politische Bildung, die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland sowie die Universität Münster.

Wertschätzung und Stärkung

Rückschau auf 2022 mit Ausblick auf 2023: der druckfrische Jahresbericht des NBH. (c) Nell-Breuning-Haus
Rückschau auf 2022 mit Ausblick auf 2023: der druckfrische Jahresbericht des NBH.

Ein wichtiger Schwerpunkt ist und bleibt die Bildungsarbeit mit wirtschaftlich und sozial benachteiligten Menschen und ihren Familien und die Fragestellung: Wie lassen sich ihre Interessen und Blickwinkel in die große Zukunftsdiskussionen in Deutschland einbinden? In den Seminaren werde sich leidenschaftlich ausgetauscht und hitzig diskutiert, aber auch Ideen entwickelt, Angst und Wut in konstruktive Aktionen umzusetzen. Zudem erfahren die Menschen in ihrer schwierigen Lebenssituation im Haus Wertschätzung und Stärkung für ihren Alltag.

Dank der Ereignisse um die Räumung von Lützerath aktuell wieder stärker im Fokus einer breiteren Öffentlichkeit: der Strukturwandel des Rheinischen Reviers. Hier engagiert sich das Nell-Breuning-Haus seit Jahren mit Projekten und Veranstaltungen. In 2022 war das unter anderem im Rahmen der „Demokratie Werkstatt Rheinisches Revier“, bei der es unter anderem um die Frage ging, wie ein friedliches Miteinander in der Zukunft aussehen kann, sowie mit der Ausstellung „Das Leben mit dem Loch“.

In seinem Vorwort zum Jahresbericht 2022 blickt Leiter Manfred Körber vor allem positiv auf das Team des Hauses. Die aktuellen Probleme und die aufziehenden dunklen Wolken am Horizont hätten erneut gezeigt, wie wichtig ein engagiertes Team sei, in der Küche, der Reinigung, der Rezeption oder der Bildungsarbeit. „Ohne dieses wäre ein Blick in die Zukunft düster – mit ihm aber liegen viele reizvolle Aufgaben und schöne Ausblicke vor uns.“

Der Jahresbericht steht unter www.nbh.de zum Herunterladen zur Verfügung.