Es ist der Moment, in dem es im Dom mucksmäuschenstill wird und alle gebannt mitzählen: Wie viele Schläge braucht der Goldschmied, bis sich der Bügel des Schlosses am Marienschrein öffnet und die vier Heiligtümer – das Kleid Mariens, die Windel Jesu, das Enthauptungstuch Johannes des Täufers und das Lendentuch Jesu – wieder den Menschen gezeigt werden können?
Exakt 29, lautet in diesem Jahr die Antwort. Etwa zwanzig Minuten vor acht gibt der Bügel des Schlosses unter den Schlägen des Aachener Gold- und Silberschmiedes Thomas Zintzen, assistiert vom Obersten der Aachener Gold- und Silberschmiedeinnung, Georg Comouth, nach. Zuvor hatten sich Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und Dompropst Rolf-Peter Cremer von der Unversehrtheit des Schlosses überzeugt.
Dann entnimmt Birgitta Falk, Leiterin der Domschatzkammer, die vier Heiligtümer dem Marienschrein. Sie sind sorgfältig mit farbigen Seidenstoffen umhüllt, die mit Wachs versiegelt sind. Auch ihre Unversehrtheit überprüfen Oberbürgermeisterin und Dompropst. Anschließend packen jeweils zwei Schwestern von vier Aachener Ordensgemeinschaften die Reliquien in der Sakristei aus. Dann werden sie zum ersten Mal nach neun Jahren von Mitgliedern des Domkapitels den Gläubigen zur Verehrung gezeigt.
Die feierliche Erhebung der Heiligtümer beginnt mit der Bitte des Domprops-tes Rolf-Peter Cremer an den Aachener Bischof Helmut Dieser, im Namen des Domkapitels und der Stadt Aachen die Tür des Marienschreins öffnen zu dürfen.
Andächtig und feierlich ist die Atmosphäre im Dom, unterstrichen durch die Psalmengesänge, die jeweils Bezug auf die vier Heiligtümer nehmen. Die lange Tradition der Heiligtumsfahrt, die seit 1349 alle sieben Jahre stattfindet, ist deutlich spürbar.
Parallel wurde die Erhebungsfeier auf den Katschhof übertragen, kommentiert von Pfarrer Christoph Stender und begleitet durch einen Gebärdendolmetscher. 2500 Menschen verfolgten so live die Erhebungsfeier, dazu übertrug das Domradio die Feier per Live-Stream im Internet.
In seiner Predigt rief Bischof Dieser dazu auf, Jesus bei der Heiligtumsfahrt zu entdecken. „Unsere vier Aachener Heiligtümer helfen uns, zu entdecken, worauf es ankommt, denn diese Heiligtümer spannen den gesamten Bogen unserer menschlichen Existenz auf. Sie zeigen uns, wer Christus ist und wer wir für ihn sind.“
Der Reiz der Einladung „Entdecke mich“ liegt nach Ansicht von Dieser darin, selbst von Jesus gefunden zu werden. „Wer noch unentschlossen ist, möge sich anstecken lassen von diesem faszinierenden Geschehen: Kommen Sie nach Aachen, lassen Sie sich anrühren von dem Ruf: Entdecke mich!“ Diesem Ruf folgten rückblickend auf die ersten Tage bereits mehr als 20000 Menschen.