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Auf den Spuren verfolgter Jüdinnen und Juden in Erkelenz

Das Originalhaus, in dem die Familien Katz und Leyers wohnten, gibt es nicht mehr. Damals war dort ein Textilgeschäft. Heute ist an der Stelle ein Reformhaus. (c) Garnet Manecke
Das Originalhaus, in dem die Familien Katz und Leyers wohnten, gibt es nicht mehr. Damals war dort ein Textilgeschäft. Heute ist an der Stelle ein Reformhaus.
Datum:
16. Jan. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 03/2024 | Garnet Manecke

Am 27. Januar wird in Deutschland der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Gerade in der Gegenwart, in der rechtsextremes Gedankengut wieder salonfähig wird, gilt es, sich an die Folgen dieses menschenverachtenden Denkens zu erinnern. Das Datum für dieses Gedenken ist nicht zufällig gewählt: Am 27. Januar 1945 wurden die Gefangenen von Auschwitz befreit. 

Das Originalhaus, in dem die Familien Katz und Leyers wohnten, gibt es nicht mehr. Damals war dort ein Textilgeschäft. Heute ist an der Stelle ein Reformhaus. (c) Garnet Manecke

Für Selma Harf kam die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 zu spät. Als die Soldaten der 322. Infanteriedivision der 60. Armee der I. Ukrainischen Front das Lager Auschwitz betraten, bot sich ihnen ein Bild des Schreckens: 7600 Überlebende, die meisten stark abgemagert und kurz vor dem Hungertod. 650 Leichen, dazu Berge von Kleidung, Schuhen, Brillen, Zähnen und Haaren. Selma Harf war da schon fast zwei Jahre tot. Sie wurde 1943 in den Gaskammern von Auschwitz ermordet.

In der Aachener Straße erinnert auf dem Gehweg vor dem Haus mit der Nummer 22 ein Stolperstein an Selma Harf. Hier hat sie zusammen mit ihrem Mann Leopold und ihren Söhnen Arthur und Ludwig gewohnt. Während es die Söhne geschafft hatten, ins Ausland zu emigrieren, blieben die Eltern zurück. Arthur ging in die USA und kehrte am 26. Februar 1945 wieder nach Erkelenz zurück: als Soldat des US-Militärs. Sein Bruder Ludwig ging nach Kolumbien und lebte in Bogota.

Insgesamt 35 Stolpersteine erinnern in Erkelenz daran, dass hier Menschen gelebt haben, die unter der Nazi-Herrschaft verfolgt, entrechtet und ermordet wurden. Diese Menschen waren Teil der Gesellschaft. So wie der Kaufmann Ernst Weinberg, der 1924 und 1929 in den Stadtrat von Erkelenz gewählt worden war. 1941 wurden er und seine Frau Johanna nach Lodz deportiert, am 12. Mai 1942 wurde das Paar im Vernichtungslager Kulmhof ermordet.

Die Familie besaß in der Stadt das größte Kaufhaus. Der Großvater von Ernst Weinberg, Anselm Weyl, gründete es 1856 an der Burgstraße 12 (damals Oerather Straße 200). 44 Jahre später eröffnete die Familie das Kaufhaus an der Kölner Straße 4 (damals Bellinghovener Straße 4), das sie 1937 verkaufen musste. Adolf Martini übernahm das Geschäft und benannte es um. Noch heute gibt es das Kaufhaus Martini im Erkelenzer Zentrum.

So manchen Stolperstein muss man suchen, denn die Messingplatten sind oft angelaufen. Zwischen den grauen Steinen sind sie kaum noch zu sehen. So ist es bei dem Erinnerungsstein an Alfred Harf, dem Bruder von Leopold. Ihr Vater schrieb Stadtgeschichte: Als erster Jude wurde er in den Stadtrat gewählt.

Auf den Spuren jüdischer Familien

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