Traditionell findet am ersten Juli-Wochenende die Wallfahrtsoktav in Neuenhoven statt. Das kleine Dorf bei Jüchen entwickelte sich früh zu einem geistlichen Zentrum, an dem auch Gutsherren großes Interesse hatten. Ulrich Clancett, Leiter der GdG Jüchen, ist in die Wallfahrtshistorie eingetaucht und hat dabei auch Geschichten über Geld, Macht und Verbrechen ausgehoben.
Der Düsseldorfer Regierungspräsident Anton Graf von Stolberg-Wernigerode wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als den Königlichen Minister des Innern und der Polizei zu Berlin um Hilfe zu bitten. Der fackelte nicht lang und schickte Soldaten. Das in Odenkirchen stationierte achte Husarenregiment rückte in Bedburdyck ein, um die jüdische Bevölkerung vor den Angriffen ihrer christlichen Nachbarn zu schützen.
Auslöser war der Sexualmord an einem fünfjährigen Jungen, der während der Wallfahrt nach Neuenhoven 1834 geschah. Die Bevölkerung war erschüttert, und die Christen machten schnell die vermeintlichen Täter aus. Das Gerücht, dass Juden das Kind für Rituale getötet hätten, machte rasch die Runde und löste Pogrome aus. In Neuenhoven und Bedburdyck wurden Juden misshandelt, ihre Häuser und Synagogen zerstört. „Dass es so einen Pogrom gab, habe ich vor der Arbeit an dem Kirchenführer nicht gewusst“, sagt Ulrich Clancett, Leiter der GdG Jüchen. Zur kommenden Wallfahrtsoktav zu den 14 Nothelfern in Neuenhoven, die vom 2. bis 10. Juli stattfindet, hat er das 51-seitige Heft im Format DIN-A-5 geschrieben.
Ostern hat Clancett mit der Arbeit an diesem Kirchenführer begonnen. Die Idee kam auf, weil die Auflage des ersten Führers von Lothar Wingender, der von 1992 bis 1994 in Neuenhoven Pfarrer war, zur Neige ging. Clancett nutzte die Gelegenheit, das Werk neu aufzusetzen und zu aktualisieren. Dabei konnte er auf viele Quellen zurückgreifen, die Wingender noch nicht zur Verfügung standen. So ist er auch auf den „Neuenhovener Pogrom“ gestoßen.
Nichts deutet in dem kleinen Ort Neuenhoven darauf hin, dass dies einmal ein geistliches Zentrum war, zu dem tausende Menschen strömten. Der Ort liegt etwas abseits zwischen Mönchengladbach im Norden und Jüchen im Südwesten. Die Landstraße 116 durchschneidet das Dorf. Autofahrer, die von der Autobahn kommen, fahren in einer Linkskurve haarscharf am Kirchenportal vorbei. Ansonsten ist es hier sehr ruhig.
1382 wird die Wallfahrt zum ersten Mal urkundlich erwähnt. „Damals war das hier im Nichts“, sagt Ulrich Clancett und meint damit, dass hier nur eine Kapelle stand und das Haus Neuenhoven. Schon damals sind Pilger zur Kapelle gekommen, um die 14 Nothelfer zu verehren und ihren Beistand zu erbitten. Dabei gab es hier noch keine Reliquien, die man anrühren konnte. „Es kann nur an der Magie des Ortes liegen, dass er so viele Menschen anzog“, erklärt sich Clancett die Anziehungskraft. „Selbst als die Kapelle zerstört war, pilgerten immer noch Menschen nach Neuenhoven.“ Was Clancett in seinem Kirchenführer klar aufzeigt: Um die Kapelle und die Oktav wurde oft gestritten. Dabei verhielten sich sowohl Gutsherren als auch Kleriker nicht immer so fromm und christlich, wie sie nach außen erschienen. „Bei dem ganzen Hin und Her ging es immer nur ums Geld“, fasst der Autor die Motive kurz zusammen.
Ob die heutige Wallfahrtskirche St. Georg, die am 9. November 1762 geweiht wurde, auch auf dem Originalplatz der alten Kapelle stand, ist nicht sicher belegt. „Aber es ist sehr wahrscheinlich“, sagt Clancett. Er eröffnet die Wallfahrtsoktav am 2. Juli mit einem Gottesdienst. An jedem Tag werden Gottesdienste gefeiert. In diesem Jahr gibt Gemeindereferent Alexander Tetzlaff die geistlichen Impulse. Den Pilgerinnen und Pilgern werden Frühstück und eine Cafeteria angeboten.
Mit der Oktav, wie es sie bis Mitte der 1960er Jahre gab, ist die Größe heute nicht mehr zu vergleichen. Im 18. Jahrhundert entstand das „Neuenhovener Fest“, ein Jahrmarkt, der die Oktav begleitete. In der Anfangszeit gab es keine offizielle Oktav. Die Gläubigen nutzten die Tage für eine persönliche Wallfahrt.
Auf dem Markt wurden Geschäfte getätigt, Vieh und Land wechselte seine Besitzer. 1763 schließlich wurde wieder eine offizielle Oktav gefeiert, an der 24 Geistliche teilnahmen und 3000 Kommunionausteilungen registriert wurden. Das ermöglichte ein päpstlicher Ablass, den Papst Pius VI. auf die gesamte Wallfahrts-Oktav ausdehnte und den seine Nachfolger immer wieder erneuerten. Der Markt gedieh ebenfalls, 1849 wurden 360 Buden gezählt, an denen man Haushaltsartikel, Kleidung und Stoffe, Bier und Wein erwerben konnte. Erst vor knapp 60 Jahren wurde der Markt immer kleiner, bis es ihn schließlich nicht mehr gab.
„Aber bis heute hat die Wallfahrtsoktav Bestand“, sagt Clancett. „Ich bin froh, dass wir das aufrechterhalten. Für viele Pilger ist es eine Familientradition, zu den 14 Nothelfern zu gehen.“ Die Nothelfer seien eine „allumfassende Versicherung“ für alle möglichen Lebenslagen, in denen man Beistand brauche, meint Clancett. „Die kann man immer anrufen, irgendeiner wird sich schon zuständig fühlen“, sagt der Priester scherzhaft. Wer es aber genauer haben möchte, schlägt im Anhang des Kirchenführers nach. Hier werden die Nothelfer vorgestellt – inklusive der Sorgen, auf die sie spezialisiert sind.
Die Wallfahrtsoktav findet vom 2. bis 10. Juli statt. Der Kirchenführer über die Pfarr- und
Wallfahrtskirche St. Georg zu Jüchen-Neuenhoven kostet 5,– Euro und kann während der
Wallfahrtsoktav in der Kirche sowie im Zentralen Pfarrbüro Jüchen (Rektor-Thoma Str. 10, 41363 Jüchen, Tel. 0 21 65/91 31 15, E-Mail: pfarramt@katholisch-in-juechen.de)
erworben werden.