Seit 25 Jahren Sterbenleben

Hospizbewegung Düren-Jülich bietet zum silbernen Bestehen eine Reihe von Begegnungen

Hartmut Prüss, Gerda Graf, Ulla von  Gagern, Martin Franke und Hans-Heinrich Krause (v. l.) stellen das Programm des Jubiläumsjahres vor. (c) Stephan Johnen
Hartmut Prüss, Gerda Graf, Ulla von Gagern, Martin Franke und Hans-Heinrich Krause (v. l.) stellen das Programm des Jubiläumsjahres vor.
Datum:
13. Feb. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2018 | Stephan Johnen
Es ist gar nicht so lange her, dass Sterben im Verborgenen stattfand. Sterben sollte nicht stören. Patienten, die in einem Dreibettzimmer eines Krankenhauses lagen, wurden beispielsweise ins Stationsbad gebracht.
Für sterbende Menschen da sein, das sehen die Ehrenamtlichen als ihre Aufgabe an. (c) www.pixabay.com
Für sterbende Menschen da sein, das sehen die Ehrenamtlichen als ihre Aufgabe an.

Sterben wurde zudem auch bei unheilbar kranken Patienten institutionalisiert, es geschah zunehmend in den Kliniken, nicht mehr zu Hause im Kreis der Familie. „Die Umstände, unter denen gestorben wurde, waren zum Teil unwürdig“, blickt Hans-Heinrich Krause, damals Chefarzt für Anästhesie am Krankenhaus Düren, ein Vierteljahrhundert zurück. Der Chefarzt war damals mit seinem Unmut nicht allein. „Wir wollten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Sterben zum Leben dazugehört – und die Umstände verbessern, unter denen gestorben wird“, erinnert sich Gerda Graf, vor 25 Jahren Pflegedienstleiterin im St.-Augustinus-Krankenhaus Lendersdorf. Am 27. Oktober 1993 versammelten sich 73 Menschen im Dürener Haus der Stadt, es war die Geburtsstunde der heutigen Hospizbewegung Düren-Jülich. „An ein stationäres Hospiz war damals nicht zu denken. Wir aber wollten Ehrenamtliche schulen, um den Patienten zu ermöglichen, möglichst nah am Zuhause ,dran‘ zu sterben“, sagt die damalige Krankenschwester und Vorstandsmitglied Ulla von Gagern.

Denn auch wenn keine Heilung mehr möglich ist, können die Ehrenamtler dennoch eine Menge tun, um Lebensfreude und Lebensqualität zu schenken. Die Idee wurde aufgegriffen – und Schritt für Schritt umgesetzt. Die Hospizbewegung im Kreis Düren gehörte bundesweit zu den ersten. „Wir waren Pioniere. Und haben gerne Pionierarbeit geleistet“, urteilen der heutige Vorsitzende Martin Franke und seine Stellvertreterin Gerda Graf. Im Januar 1994 begann das erste Ausbildungsseminar für die Ehrenamtlichen in der Cafeteria des Dürener Krankenhauses. Das Konzept führte im Juni 1995 zur Errichtung des stationären Hospizes im Lendersdorfer St.-Augustinus-Krankenhaus, wo ab August die ersten ehrenamtlichen Kräfte eingesetzt wurden. Die Palliativmedizin machte Fortschritte, die Patienten wurden zudem spirituell und psychosozial begleitet, die Ehrenamtlichen immer weiter geschult. Die Hospizbewegung hat sich stets auf die Fahnen geschrieben, Aufklärungsarbeit zu leisten, Menschen dafür zu sensibilisieren, sich mit dem eigenen Leben und Sterben auseinanderzusetzen. Dabei setzt sie früh an. 2005 machte die Hospizbewegung mit ihrem Projekt „Hospiz macht Schule“ selbst Schule. Im geschützten Umfeld werden in der dritten Grundschulklasse die Themen Abschied, Tod und Sterben kindgerecht thematisiert. Nach einer erfolgreichen Erprobung wurde das Dürener Konzept bundesweit von Hospizbewegungen übernommen.

Eine weitere Pioniertat war die Erstellung einer Ethikcharta für die kreisweite Initiative Sorgekultur entlang der Rur. Bausteine waren unter anderem ein Sorgekompass, der über alle Hilfsangebote in Stadt und Kreis Düren Auskunft gibt, und die Etablierung von Sorgebeauftragten in jeder Kommune. Für die Hospizbewegung ist die Arbeit mit unheilbar kranken Patienten und deren Angehörigen ein klarer gesellschaftlicher Auftrag, der nur gemeinsam gestemmt werden kann. Ein wichtiger Meilenstein in den vergangenen 25 Jahren war der Zusammenschluss der Hospizbewegungen in Düren und Jülich im November 2009 zur Hospizbewegung Düren-Jülich. Der Verein hat aktuell 540 Mitglieder. Mitgliedsbeiträge und Spenden bilden das Fundament der Arbeit, die Begleitung Sterbender ist für die Betroffenen und deren Angehörige generell kostenlos. Inzwischen begleiten die Ehrenamtlichen jedes Jahr 80 bis 120 Menschen während der Erkrankung bis zum Lebensende. Bis Ende 2017 haben 202 Frauen und Männer eine einjährige Ausbildung als Hospizhelfer absolviert.

Im Rahmen der täglichen Arbeit wurde schnell spürbar, dass es noch weiterer Angebote bedarf. Ein zukunftsweisendes Projekt ist „Komma“. Die Abkürzung steht für „Kommunikation mit Angehörigen“. In einer dreijährigen Studie werden bis März 2019 praxisbezogene Erfahrungen wissenschaftlich analysiert. Die konkreten Bedürfnisse der Angehörigen von Menschen mit geringer Lebenserwartung werden mit dem Ziel erfasst, den Angehörigen eine noch bessere Lebens- und Alltagsberatung zu ermöglichen. „Die Angehörigen bewerkstelligen alles, aber sie werden nur selten gefragt, was sie selber brauchen, wie sie unterstützt werden können“, sagt Gerda Graf. Sprang früher die Gemeindeschwester der Gemeinde helfend ein, sind Angehörige heutzutage oft sich selbst überlassen. „Ein Teil dieses Defizits können wir auffangen“, ist Martin Franke überzeugt.

Die wissenschaftliche Analyse soll die Bedürfnisse von Angehörigen auf einer breiten Basis besser erfassen, um passgenaue Unterstützungsangebote entwickeln zu können. Arbeit gibt es auch für die kommenden 25 Jahre genug – und die Hospizbewegung Düren-Jülich möchte weiterhin Pionierarbeit leisten. Anstatt einer Festschrift hat die Hospizbewegung ein Buch herausgegeben, in dem alles nachzulesen ist, was die Mitglieder damals wie heute beschäftigt. „Sterbenleben – Gedanken und Erfahrungen aus der Hospizarbeit“ heißt das Werk von Mechthild Hüsch, das von Heinrich Hüsch illustriert wurde. Die Geschichten und Erfahrungen haben Ecken und Kanten, mit großem Ernst, aber auch mit Humor. Das Buch aus dem Verlag Hüsch & Hüsch gibt es zum Preis von 12,80 Euro im gut sortierten Buchfachhandel und bei der Hospizbewegung Düren-Jülich.