Seide, Stein und Elfenbein

Drei Kostbarkeiten aus dem Aachener Domschatz machten sich auf die Reise zu einer Ausstellung in Mainz

Bereit für den – in diesen Zeiten dosierten – Ansturm der Museumsbesucher: Die Abteilung „Karl der Große“. Im Hintergrund eine der Säulen aus Aachen. (c) Radek Brunecky; Ausstellungsgestaltung Holzer Kobler Architekturen
Bereit für den – in diesen Zeiten dosierten – Ansturm der Museumsbesucher: Die Abteilung „Karl der Große“. Im Hintergrund eine der Säulen aus Aachen.
Datum:
14. Apr. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 15/2021 | Ruth Schlotterhose

Den Proserpina-Sarkophag haben die Mainzer nicht bekommen. Über die byzantinische Seide, das elfenbeinerne Weihwassergefäß und die Porphyr-Säulen ließen Birgitta Falk und Helmut Maintz mit sich reden. – Es geht hier um die Ausleihe verschiedener Kunstschätze aus Aachen nach Mainz zur Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“. 

Schon im August 2018 ging die erste Anfrage bei der Leiterin der Aachener Domschatzkammer Birgitta Falk ein. Zwar war der Ausstellungsbeginn erst für September 2020 geplant, aber eine Schau mit außergewöhnlichen Exponaten braucht natürlich eine entsprechend lange Vorbereitung. „Der Vorlauf dauert für kleinere Ausstellungen wenigstens ein Jahr; für große Ausstellungen können die Vorbereitungen durchaus auch zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen“, verrät Birgitta Falk. Im April 2019 erreichte dann Dombaumeister Helmut Maintz die Bitte um Ausleihe zweier antiker Säulen.

Birgitta Falk und Helmut Maintz berieten sich mit dem Aachener Domkapitel über die Anfragen aus Mainz. Aus konservatorischen Gründen fiel die Entscheidung gegen eine Ausleihe des Proserpina-Sarkophags. Darüber hinaus gehört dieses Objekt neben Karlsbüste und Lotharkreuz zu den wichtigsten Stücken für Aachen, die Besuchern des Aachener Domschatzes nicht vorenthalten werden sollen. Für die Ausleihe der drei übrigen Schätze gab es jedoch grünes Licht.

Also wurden Elfenbeinsitula und Quadrigastoff in den Kofferraum gepackt, die Säulen auf einen Anhänger geladen und los ging die Fahrt in Richtung Mainz? Natürlich nicht! Für den Transport solch fragiler und kostbarer Kunstwerke gibt es spezielle Speditionen. Das Bistum Aachen arbeitet da immer wieder mit der Firma Hasenkamp aus Köln zusammen, einem inhabergeführten Familienunternehmen in der fünften Generation.

Inzwischen sind deren Mitarbeiter alte Hasen, was den Transport der beiden Porphyr-Säulen samt Basen und Kapitellen angeht. Fehlen die beiden antiken Spolien doch bei kaum einer großen Ausstellung zu Kunst, Kultur und Politik des Mittelalters. Dennoch erfordert der Auf- und Abbau der Säulen jedes Mal größte Sorgfalt. Es gibt dazu einen sehr detaillierten Ablauf mit von der Dombauhütte zur Verfügung gestellten Anschlagwerkzeugen. Außerdem hat der Dombaumeister ein wachsames Auge auf alles: Er überzeugt sich am Ausstellungsort persönlich etwa davon, ob der Boden das Gewicht der Säulen trägt, ob Fixierungsmöglichkeiten zur Decke oder Wand vorhanden sind oder ob der ortsansässige Steinmetzbetrieb in der Lage ist, die erforderlichen Arbeiten auszuführen. 


Preziosen von unschätzbarem Wert

Alle entstehenden Kosten trägt der Leihnehmer. Er haftet zum Beispiel auch für entstehende Schäden. Die Aachener Porphyr-Säulen sind da mit einer Summe von 1,5 Mio. Euro pro Stück versichert. Kunstversicherungen leisten in der Regel von „Nagel zu Nagel“, heißt, dass die Kunstobjekte während der Ausstellung, des Transportes sowie bei Tätigkeiten wie Abhängen, Anbringen und Verpacken versichert sind. Grundsätzlich sind die einmaligen Kunstwerke natürlich mit keinem Geld der Welt zu ersetzen.

Von unschätzbarem Wert sind auch die beiden anderen Objekte, die von Aachen nach Mainz ausgeliehen wurden. Der byzantinische Quadrigastoff war schon zur Zeit seiner Entstehung im 8./9. Jahrhundert derart kostbar, dass es ihn gar nicht zu kaufen gab. „Solche Gewebe verließen das byzantinische Reich nur als diplomatische Geschenke von Kaiser zu Kaiser oder König“, erklärt Monica Paredis-Vroon, Textilkonservatorin der Aachener Domschatzkammer. Dem trägt die Spedition Hasenkamp Rechnung: Ihre Lastwagen sind alarmgesichert, GPS-überwacht und immer mit zwei Personen besetzt, besonders gefedert und bei Bedarf im Laderaum klimatisiert. Kostbarkeiten wie der Quadrigastoff und das Weihwassergefäß aus Elfenbein werden in stoßdämpfenden und feuerhemmenden Klimakisten fixiert auf Reisen geschickt. Ein Kurier des Leihgebers begleitet den Transport und überwacht die Aufstellung beim Leihnehmer. 

Der Quadrigastoff sollte als ein Highlight gegen Ende der Ausstellung gezeigt werden. Monica Paredis-Vroon begleitete ihn deshalb erst vor Kurzem nach Mainz, denn es ist Usus, dass Handschriften und Textilien als besonders empfindliche Preziosen nur für drei Monate ausgeliehen werden. Die byzantinische Seide aus Aachen ist in einem Rahmen aufgespannt, im Ausstellungsraum ist eine Beleuchtung von maximal 30 Lux erlaubt. Zum Vergleich: In einem durchschnittlichen Büro sollten etwa 500 Lux herrschen.
Den Vogel schoss hier allerdings der Codex Manesse ab. Die 700 Jahre alte mittelalterliche Handschrift der Universitätsbibliothek Heidelberg wurde für die Ausleihe nach Mainz mit 80 Mio. Euro versichert, unter Blaulicht transportiert und von zehn Polizisten mit Maschinenpistolen bewacht.

Die Ausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ in Mainz – www.kaiser2020.de – ist bis 13. Juni 2021 verlängert worden. Coronabedingt bleibt das Landesmuseum Mainz bis 25. April 2021 geschlossen. Zum Katalog beachten Sie bitte die KirchenZeitung Nr. 17 vom 2. Mai 2021.

Aachener Schätze auf dem Weg nach Mainz

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