Schlüsselerlebnisse

Bei In Via ist das Projekt „Endlich ein Zuhause“ angesiedelt, das Menschen vor Wohnungslosigkeit bewahrt

Ann-Christine Krechting (l) und Svenja Gielen bringen ihre Kompetenz in Sachen Immobilien ins Projekt ein. (c) Dorothée Schenk
Ann-Christine Krechting (l) und Svenja Gielen bringen ihre Kompetenz in Sachen Immobilien ins Projekt ein.
Datum:
4. Dez. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 49/2024 | Dorothée Schenk

Und plötzlich ist alles anders: Der Partner verlässt Frau und Kind, die Mutter erkrankt, die Stelle ist weg, und dann ist der Weg ein kurzer, bis die Wohnung nicht mehr bezahlbar ist. 2021 startete das NRW-Projekt „Endlich ein Zuhause!“ im Kreis Düren, das seither mit der Mission unterwegs ist, Menschen in eigene vier Wände zu begleiten. 

Sozialarbeiterin Kerstin Dohmen begleitet Mietparteien auch nach der Unterschrift unter dem Vertrag weiter. (c) Dorothée Schenk
Sozialarbeiterin Kerstin Dohmen begleitet Mietparteien auch nach der Unterschrift unter dem Vertrag weiter.

In 311 Fällen werden aktuell Wohnungen gesucht. „Wir bekommen von Vermietern gar nicht so viele Wohnungen angeboten, wie wir Nachfragen von Klienten haben“, bedauert Svenja Gielen, die die Projektleitung hat. Die Immobilienkauffrau und zertifizierte Sozialmanagerin mit Berufserfahrung in einem Geldinstitut teilt sich mit Immobilienmaklerin Ann-Christine Krechting und den beiden Fachkräften mit der Qualifikation Sozialarbeit Marco Breuer und Kerstin Dohmen das Büro in der Weierstraße 29. Hier können Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, Hilfe finden.

Das sind eben nicht nur jene, die bereits ohne Obdach sind, sondern auch jene, denen Räumungsklagen drohen, die wegen Schufa-Einträgen keine neue Bleibe finden können oder auch umziehen müssen, weil durch äußere Umstände der Mietzins plötzlich zu hoch ist. Mit dieser – und der ganzen Vielfalt von persönlichen Gemengelagen – beschäftigt sich das Quartett, das unter dem Dach von In Via firmiert.

 

Und das mit großem Erfolg: In den vergangenen vier Jahren sind 895 Haushalte „aufgenommen“ worden – also im übertragenen Sinne „aktenkundig“. Über ein Drittel davon ist erfolgreich in „Wohnraum begleitet“ worden. 928 Menschen sind auf diesem Wege vor der Wohnungslosigkeit gerettet worden. Ziel ist, die Mieter wieder attraktiver für den Wohnungsmarkt zu machen, damit sie sich in Zukunft auch wieder selber bewerben können und Erfolgschancen haben.  


Eine von ihnen ist Nancy, die mit ihrem Sohn an diesem Morgen das schmucke Büro in der Nähe des Kaiserplatzes in Düren besucht. Vor der Geburt des Kindes hatte sie gut verdient und ihr Leben im Griff. Sie wurde schwanger, der Partner verließ sie, in der Wohnung war Schimmelbefall. Sie selbst ist inzwischen krankheitsbedingt frühverrentet. „Manchmal spielt das Leben halt anders, als man sich das vorstellt und wünscht. Dann gehört man auf einmal nicht mehr zur Gesellschaft“, beschreibt sie ernüchtert ihre Situation. 

Eine neue Wohnung ermöglicht, neue Perspektiven zu gewinnen

Das Plakat steht stellvertretend für die Vielzahl der erfolgreichen Schlüsselübergaben. (c) In Via
Das Plakat steht stellvertretend für die Vielzahl der erfolgreichen Schlüsselübergaben.

Eine neue Wohnung zu finden, war entsprechend schwierig. Bis sie zufällig in der Weierstraße vorbeikam und sich zu einer Beratung entschloss. Inzwischen hat sie eine neue Wohnung und eine Perspektive. Die gelernte Kauffrau im Einzelhandel ist Anfang 30 und möchte unbedingt wieder zurück in die Berufstätigkeit. Der Anfang ist gemacht.

Allein die personelle Besetzung zeigt, dass das Projekt „Endlich ein Zuhause!“ viel mehr als nur ein Maklerbüro ist. In diesem Kümmerer-Projekt kommt Sachkompetenz zu Sachkompetenz und bietet damit ein ungewöhnliches Rundum-Paket, das Wohnungssuchenden hilft und für Vermieter ein großes Plus ist. „Ich glaube“, so Ann-Christine Krechting, „die Vermieter schätzen, dass wir Verständnis für die wirtschaftliche Situation haben und nicht auf Teufel komm raus jemanden schicken.“

Details werden im Eins-zu-Eins-Gespräch geklärt, etwa auch, wenn bestimmte Personengruppen – Beispiel: mit Suchtvorerkrankung – nicht als Mieter genommen werden. Dagegen wird auf der anderen Seite „Pate gestanden“, wenn ein Schufa-Eintrag vorliegt, der oft das Ausschlusskriterium für eine Vermietung ist. Da ist Überzeugungsarbeit gefragt. „Die soziale Arbeit ist dabei, damit Zugangshemmnisse abgebaut werden“, erläutert Kerstin Dohmen. Und als fortwährende Begleitung. Denn auch das ist nicht zu unterschätzen: Während bei herkömmlichen Abschlüssen nach der Unterschrift unter dem Mietvertrag in einem Maklerbüro alles erledigt wäre, besuchen die Sozialarbeiter weiterhin ihre Klientel. Es wird geguckt, ob zwischen Mieter und Vermieter alles läuft, aber auch, ob Möbel so platziert sind, dass Schimmelbildung – beispielsweise – vermieden werden kann.

 

Nicht immer führt der Weg durch „Endlich ein Zuhause!“ in die eigenen vier Wände. Individuell wird geschaut, welche Wohnform am besten geeignet ist. Das kann eben auch die Unterbringung in „Betreutem Wohnen“ sein, oder Familienhilfen werden installiert. Hier kommt das gute Netzwerk zum Tragen. Ein Stichwort ist auch Prävention: Menschen sollen ihre vier Wände gar nicht erst verlieren – oder sie zumindest so lange behalten, bis etwas Neues gefunden worden ist. „Wir haben ganz viele Klienten, die nicht glauben, wie lange es dauert, bis man eine Wohnung findet und wie schwierig es ist. Wir sagen immer: ‚Bitte kündigen Sie keine Wohnung. Egal, wie schlimm die Wohnung ist.’”

Bis Ende 2025 ist die Finanzierung der NRW-Landesinitiative gesichert. Ob und wie es weitergeht, weiß das Erfolgs-Quartett an der Weierstraße 29 noch nicht. Wer Wohnungen zur Vermietung anbieten möchte oder Hilfe sucht, kann zu den Öffnungszeiten das Büro aufsuchen oder unter Ruf 0 24 21/2 03 45 30 oder per Mail unter endlicheinzuhause@invia-dn.de Kontakt aufnehmen.