Sakramente als Geschenk

Zwei Stimmen für das Priesteramt aus der Region Heinsberg und der Region Kempen-Viersen

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Datum:
20. Juli 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 29/2022 | Garnet Manecke und Kathrin Albrecht

Der Priestermangel ist eklatant – auch im Bistum Aachen. Dazu kommt ein derzeit denkbar schlechtes Bild der Kirche in der Öffentlichkeit. Keine guten Voraussetzungen, gläubige junge Männer für ein Leben in der Kirche zu begeistern. Markus Terporten und André Vogelsang haben sich gegen den Trend trotzdem für die Priesterlaufbahn entschieden. Die KirchenZeitung hat sie gefragt, was sie dazu bewogen hat. 

 Die Menschen an Lebenswende  punkten begleiten 

St. Peter und Paul in Wegberg ist die neue Basis für Kaplan André Vogelsberg. (c) Garnet Manecke
St. Peter und Paul in Wegberg ist die neue Basis für Kaplan André Vogelsberg.

Er ist „der Neue“ im Seelsorger-Team der GdG St. Martin Wegberg. Wenn er die Kirche aufschließen will, probiert André Vogelsberg fast jeden Schlüssel am Schlüsselbund. Vogelsberg hat in Wegberg nach seiner Priesterweihe am 4. Juni die Stelle des Kaplans übernommen. Damit ist der 28-Jährige ein seltenes Exemplar in der Katholischen Kirche. Kaum jemand entscheidet sich für die Priesterlaufbahn.

28 Jahre ist Vogelsberg alt. Aufgewachsen in dem Eifelort Dahlem, der gut 4300 Einwohner hat. Zählt man nur die Kernstadt, ist Wegberg mit rund 6000 Einwohnern mit Vogelsbergs Heimatort vergleichbar. Nimmt man auch all die Dörfer drumherum dazu, die zu Wegberg gehören, kommt man auf 29893 Einwohner. Die GdG ist weitläufig, und Vogelsberg wird in seinem Berufsleben viel fahren müssen. Die GdG hat neben der Pfarrkirche noch neun Filialkirchen, in denen Gottesdienste gefeiert werden.

Vogelsberg hat sich vorgenommen, hier vielen Leuten zu begegnen, sie zu begleiten, sich Zeit für sie zu nehmen. Er hat klare Vorstellungen von Seelsorge, und das bedeutet, sich für die Menschen zu interessieren und ihnen zuzuhören – ihnen eine andere Kirche als die Skandal-Kirche in den Schlagzeilen zu zeigen.

Es hat etwas gedauert, bis sich André Vogelsberg klar war, dass er Priester werden wollte. Er ist katholisch sozialisiert worden, beide Eltern haben sich in ihrer Gemeinde stark engagiert. „Ich habe schon gemerkt, dass ich mich mehr für Kirche und Glauben interessiert habe als meine Altersgenossen“, sagt der 28-Jährige, der zusammen mit einer älteren Schwester aufgewachsen ist. Vogelsberg war gerne Messdiener und hat sich in der Jugendarbeit engagiert. „Das war alles gut, aber das hat mir auch schon gereicht.“ Seine Berufung zum Priester hat er als Jugendlicher einfach noch nicht gespürt.

Nun ist es doch die Kirche geworden. Mit Anfang 20 hat sich Vogelsberg für die Priesterlaufbahn entschieden, für ein zölibatäres Leben in einer Institution, der gerade auch viele engagierte Menschen den Rücken kehren. Warum? „Priestersein ist ja nicht nur die Theologie, sondern auch Menschen an ihren Lebenswenden zu begleiten und Sakramente spenden zu dürfen“, sagt er. „Das fand ich immer gut.“ Er möchte Seelsorge machen, den Menschen in der GdG begegnen und ihnen gerade in dunklen Stunden beistehen. Auch dann, wenn sie der Kirche eher fern sind und trotzdem die Begleitung wünschen. In Wegberg hat er von Anfang an dazu die Gelegenheit: Er war kaum da, da ging es mit Kindern und Jugendlichen zu einer Ferienfreizeit. Trauungen, Taufen und Beerdigungen stehen nun in seinem Kalender.

Dass er zu der Generation Priester gehört, die eine ganz veränderte Kirche vorfinden wird, wenn er einmal eine Leitungsfunktion inne hat, schreckt ihn nicht. Bei einem Frankreich-Aufenthalt während seiner Ausbildung hat er eine Kirche kennengelernt, die ohne Kirchensteuereinnahmen auskommen musste. Für jedes Projekt wurde extra Geld gesammelt. Ob eine Organistenstelle finanziert wird oder der Putz von der Kirchenwand bröckelt: Die Gemeinde legt zusammen. „Das erzeugt Bindung“, hat er erfahren. „Es entsteht eine Zusammengehörigkeit.“ Ein Gefühl, das er auch hier den Gläubigen vermitteln will.

Gut hinsehen, was wachsen kann, und nicht auf den Verlust gucken 

Markus Terporten hatte schon früh einen engen Bezug zur Kirche. (c) Kathrin Albrecht
Markus Terporten hatte schon früh einen engen Bezug zur Kirche.

Seit gut vier Wochen ist Markus Terporten Kaplan in der GdG Kempen-Tönisvorst. Anfang Juni hatte Bischof Helmut Dieser ihn zusammen mit André Vogelsberg zum Priester geweiht.

Sehr warmherzig sei der Empfang in der GdG gewesen. Die Begegnungen, die er jetzt erlebt, hat er während seines zweijährigen Diakonats in der GdG Herzogenrath-Merkstein oft missen müssen, denn die Zeit fiel ausgerechnet in die Lockdown-Wochen während der Corona-Pandemie.

Als „Gesellenjahre“ betrachtet Terporten die vier Jahre, die nun vor ihm liegen.  „K a p l a n – Kann alles prima, lernt auch noch“, so hatte Propst Thomas Eicker Markus Terporten am 19. Juni in Vorst und St. Tönis und am 26. Juni in St.Hubert und Kempen an seinem neuen Dienstort eingeführt – für ihn eine treffende Umschreibung. Er selbst beschreibt seine Einarbeitung so: „ankommen, kennenlernen, vorstellen“. Und dann gelte zuzuhören und abzusprechen: „Wie läuft es hier ab? Welcher Kelch wird genommen? Passt die Albe?“ Viele Gedanken macht er sich auch bei der Predigtvorbereitung: „Was möchte ich den Menschen dabei mitgeben? Die richtigen Worte zu finden, das ist eine Herausforderung.“

Das Herausfordernde seines Amtes sei auch das Reizvolle, sagt Markus Terporten. Den ersten heiligen Messen und Beerdigungen hat er bereits vorgestanden. Kürzlich wurde er auch zu seiner ersten Krankensalbung gerufen. Für ihn ein intensives Erlebnis, jetzt in der Praxis umzusetzen, worauf er sich im Priesterseminar und im Diakonat vorbereitet hat. 
In Bracht – quasi um die Ecke – aufgewachsen, hat Markus Terporten schon früh einen engen Bezug zur Kirche, war Messdiener und engagierte sich in der Jugendarbeit. Zunächst entschied er sich für eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann im Erzbistum Köln und arbeitete vier Jahre in Düsseldorf. Später wechselte er in das Verwaltungszentrum in Viersen.

„Ich wäre auch mit 19 Jahren schon gerne Priester geworden, aber ich hatte nicht den Mut.“ Im Rückblick, sagt er, brauchte er diese Zeit, um seinen Wunsch reifen zu lassen und umzusetzen. Seine Primiz-Messe feierte er in seiner Heimatgemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Bracht. Den Primiz-Segen spenden zu können, bedeutet ihm viel. 
Aus seiner kaufmännischen Zeit habe er die Sachlichkeit und den Blick für die Realität mitgenommen. Und so sieht er auch die aktuelle Situation im Bistum: „Es hat sich einiges verändert in den sechs Jahren meiner Ausbildung.“ Es sei wichtig, darauf zu schauen, was wachsen kann, und nicht so sehr auf das, was nicht mehr da ist.

Sein Freisemester hat er in Krakau verbracht: „In Polen ist die Kirche in der Gesellschaft noch ganz anders verwurzelt, wird der Glauben anders gelebt.“ Doch ob das dauerhaft so bleibt, bezweifelt er. Auch die polnische Gesellschaft würde sich zunehmend säkularisieren. Zurück im Bistum Aachen sieht Markus Terporten seine Aufgabe darin, als Seelsorger an den Wendepunkten des Lebens für Menschen da zu sein, wenn sie es brauchen, aber auch so realistisch zu sein, „dass ich Leute wieder gehen lassen kann“. 
Heute gelte es, Orte von Kirche zu schaffen, in denen sich Menschen für christliche Werte einsetzen. So sehe er auch das Spenden der Sakramente nicht als Belohnung für die Treuen, sondern als Geschenk für diejenigen, die darum bitten. „Das“, sagt Markus Terporten, „ist meine Hauptaufgabe als Priester.“