Ritual für den Hausgebrauch

Gottesdienste in kleiner Gemeinschaft auch zu Hause zu feiern, hat eine lange Tradition im Christentum

Gemeinsam beten als verbindendes Element der Hausgottesdienste. (c) www.pixabay.com
Gemeinsam beten als verbindendes Element der Hausgottesdienste.
Datum:
9. März 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 10/2021 | Dorothée Schenk

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ So steht es im Matthäus-Evangelium und so singen es in der Vertonung der Jesusbruderschaft Gnadenthal die Gläubigen. Auch zu Hause Gemeinschaft in Gott zu finden, das gelingt in Hausgottesdiensten, die immer möglich sind, aber in dieser Zeit eine besondere Renaissance erfahren. 

Der Glaube braucht Rituale und diese erfordern eine gewisse Übung und Regelmäßigkeit. Das Sonntagsgebot ist für den Katholiken ein solches Ritual, das in dieser, jetzt ein Jahr dauernden Ausnahmezeit vielerorts nicht möglich und sogar mit päpstlichem Segen ausgesetzt ist. Klar ist: Auch wenn der Kirchgang nicht möglich ist, müssen Gottesdienste nicht ausfallen. Natürlich ist es schöner, wenn es einen großen gemeinsamen Raum für den Glauben gibt, aber grundsätzlich kann jedes Heim zum Gotteshaus werden.

Wie aber schafft der Gläubige, der so lange gewöhnt war, im wahrsten Sinne mundgerecht Abläufe und Andachtsformen serviert zu bekommen, den Gottesdienst im eigenen Haus zu etablieren? Gemeinden und Pfarreien haben sich inzwischen neu aufgestellt und bereiten – zum Teil anlassgebunden, zum Teil wöchtentlich – für die Gläubigen Handreichungen vor, um eine etwas „verschüttet“ gegangene Tradition wiederzuleben: die Hauskirche, die eigentlich so alt ist wie das Christentum selbst. Darunter versteht sich eine Hausgemeinschaft, eine Familie oder eine Gruppe von Menschen – wie groß diese je nach Inzidenzzahlen und Coronaschutzverordnung sein kann –, die sich regelmäßig trifft. 


Zu den symbolische Handlungen können auch Brot und Wein gehören

Der Tisch ist „gedeckt“: Vor allen, die mitfeiern wollen, stehen ein Teller mit einem Stück Brot, ein paar Trauben, ein Glas Wein oder Traubensaft. Das Licht ist auf den Anlass abgestimmt, eine Kerze ist entzündet, Bibel und Texte liegen griffbereit. Dann heißt es still werden und Gemeinschaft finden. „Sie können den Gottesdienst abends oder morgens feiern – natürlich auch an jedem Tag der Woche“, nimmt etwa Gemeindereferentin Sabine Grotenburg die Menschen der GdG Willich in ihrer „Anleitung zum Hausgottesdienst“ an die Hand. „Beginnen Sie mit dem Kreuzzeichen. Ich bin hier/Wir sind versammelt im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gott, der wie ein guter Vater, eine liebende Mutter für uns sorgt, Jesus Christus, der uns Gottes Liebe vorgelebt hat, und der Heilige Geist, der uns zusammenführt, ist bei mir/mitten unter uns. Amen.“ Damit ist der Anfang gemacht und alles Weitere ergibt sich wie selbstverständlich: Ein Tagesgebet gehört dazu ebenso wie die Lesungen, Fürbitten und das Schlussgebet. Wo die Eucharistie fehlen muss, kann das Brot zu teilen und dazu einen Schluck Wein zu trinken ein würdiges Gedenken sein. Ergänzt werden die festen Bestandteile des Hausgottesdienstes jeweils mit Impulsen zum Tag und vor allem der Anregung, miteinander über die Lesungen ins Gespräch zu kommen. Bestärkt werden die Gläubigen darin, auch ihre eigenen Fürbitten oder Gedanken zu formulieren.

Besonders für Familien mit Kindern, die erst in den Glauben hineinwachsen sollen, ist diese Form der Hausgottesdienste sicher eine gute Alternative, die einmal eingeübt auch über die Coronazeit hinaus wirken kann. Die Pfarrei St. Remigius hat beispielsweise ganz persönliche Einladungen ausgesprochen und kindgerecht aufbereitet: „Sucht euch zuhause einen gemütlichen Platz und jemanden, der euch vorlesen kann.“ In einer kurzen Einleitung werden Bildbetrachtungen und Texte vorgestellt, die zur persönlichen Andacht ebenso einladen wie zum Mittun. In der Maizeit gab es sogar eine Anleitung, wie ein kleiner Marienaltar selbst gestaltet werden kann.

Sich auf die Hauskirche rückzubesinnen ist eine perspektivische und wichtige Alternative. Sie beschränkt sich nicht alleine auf die Pandemie-Ausnahmesituation und ausfallende Messen, sondern ist auch angesichts der sinkenden Zahl der Priester von Bedeutung, wie Pfarrer Erik Pühringer aus der GdG St. Barbara Mechernich überzeugt ist. „Die Hauskirchen waren Keimzellen des Christentums. In ihnen wuchs der Glaube. Die Gemeinschaft untereinander stärkte die Teilnehmenden. Letztlich wurden sie dann zu Boten des Glaubens und sorgten für das Entstehen einer Gemeinde und die Weitergabe des Glaubens.“ So formulierte es der Eifler Hirte in einem Aufruf zur Neubelebung dieser guten Tradition, die bei den Urchristen aus der Not geboren wurde und im Verborgenen existieren musste. Sie könnte nun zu einer schönen Kür neben den kirchlichen Messfeiern werden.


Chancen aus der Tradition für die Zukunft schöpfen

Es ist eine Chance, die darin steckt, wie auch Pater Josef Költringer, Oberer der Oblaten des Hl. Franz von Sales in Jülich-Barmen unterstreicht. Es gelte „schon heute zu lernen und zu üben, was in zwanzig Jahren so und so sein wird: Gottesdienste zu Hause ohne Priester zu feiern.“ Ohne Geweihten oder Wortgottesdienstleitung auf das Wort Gottes zu hören und miteinander darüber nachzudenken und zu reden und das Brot zu teilen, so habe Kirche vor 2000 Jahren begonnen. „Vielleicht ist das auch ein neuer Anfang für uns heute“, gibt Pater Költringer zu bedenken.

„An diesen Hauskirchen können wir uns heute orientieren“, ist auch Pfarrer Pühringer überzeugt: „Auch wir können uns im Kreis der Familie, Freunde oder Nachbarn treffen, gemeinsam beten, zusammen singen und uns über einen Bibeltext austauschen. Jeder sagt den anderen, was der Text für ihn bedeutet oder was ihm gefällt. So kommen viele verschiedene Eindrücke zusammen, die jeden Einzelnen bereichern können.“ Besonderen Wert erhalten diese Gemeinschaften, wenn sie darüberhinaus Kontakt haben und das Glaubenserlebnis teilen. „Der Austausch über die Grenzen der eigenen Hauskirche hinaus, kann zusätzlich bereichern. Jetzt lassen sich auch all die Dinge ansprechen, planen und verwirklichen, die die ein- zelne Hauskirche alleine nicht schafft.“

Erik Pühringer schwärmt und träumt davon, dass im Idealfall ein Netzwerk aus vielen kleinen miteinander verbundenen Hauskirchen entstehen könnte, „das jeden trägt und stützt und in dem jeder selber auch Stütze und Halt für andere ist. Mehr noch, ich halte sie für die Zukunft unserer Kirche, unserer Gemeinschaft der Gemeinden, unserer Gemeinden. Da, wo Menschen zusammenkommen und gemeinsam über ihren Glauben reden, kann der Glaube leben und wachsen.“

Darin sieht der Seelsorger eine Perspektive, damit eine Gemeinschaft der Glaubenden Wirklichkeit werden könne, „die wir bisher in den Gottesdiensten zwar feiern, aber kaum erfahren.“ Darum hat Pfarrer Pühringer seine Gläubigen ausdrücklich zum Ausprobieren und Selbermachen eingeladen – und zum Teilen, der Erfahrungen nämlich, „damit ich eine Vernetzung mit anderen unterstützen kann, die zusätzlich bereichert. Ich bin gespannt, was passiert.“
 
Anregungen zum Herunterladen für den eigenen Hausgottesdienst unter anderem 
unter www.netzwerk-gottesdienst.at