Der Slogan klingt kämpferisch: „Stachel im Fleisch sein – biblisch, sozialkritisch, widerständig“. Unter dieser Vorgabe setzen sich am Donnerstag, 23. März, um 18 Uhr die Teilnehmer eines besonderen Kreuzwegs durch die Dürener Innenstadt in Bewegung.
Jochen Ostländer (37), Geschäftsführer des Katholikenrats der Region Düren, vertieft den Hintergrund: „Der Kreuzweg will ein Stachel im Fleisch der Wohlstandsgesellschaft sein.“ Organisiert durch ein breites Trägerbündnis, wollen Organisationen und Teilnehmer auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam und Menschen Mut machen, für ihre Belange einzutreten.
Dabei wird das Licht auf jene gelenkt, die ansonsten im Schatten stehen. Irene Mörsch (70), die Vorsitzende des Katholikenrats der Region Düren, nennt prägnante Beispiele: „Das können Langzeitarbeitslose sein, die in Armut geraten sind, oder Jugendliche, die in unserem Schulsystem keine Chance mehr haben – doch auch das sind Menschen, die eine weitere Perspektive haben müssen.“ Als Betriebsseelsorger und Geistlicher Begleiter des Katholikenrats weiß Pfarrer Ralf Linnartz (59): „Die betroffenen Menschen haben keine Lobby. Die sind verdeckt, vergessen, hintan.“
Der Oberbegriff des anstehenden Kreuzwegs als „Kreuzweg der Arbeit“ führt auf die falsche Fährte. Besser gepasst hätte „Kreuzweg gegen Ausgrenzung“. Oder „Kreuzweg für besseres Verständnis“. Oder „Kreuzweg gegen Vorurteile“. Darauf zielt Pfarrer Linnartz ab, wenn er sich mit Nachdruck gegen Verallgemeinerungen und die „populistische Sprache“ wendet, mit der manche Betroffene in den Medien oder am Stammtisch gebrandmarkt werden: „Da heißt es, alle Langzeitarbeitslosen seien Faulpelze oder Sozialschmarotzer – ohne dass man überhaupt guckt, warum sie es nicht schaffen.“
Irene Mörsch setzt hinzu: „Wir müssen immer auf den Einzelnen schauen, bevor wir über etwas urteilen, und uns fragen: Nehme ich die anderen Menschen auf Augenhöhe wahr? Man muss die Menschen selber zu Wort kommen lassen.“ Pfarrer Linnartz fällt dazu eine Bibelstelle aus dem Matthäusevangelium ein: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.“ Dann schiebt er ein weiteres Bibelzitat nach Lukas hinterher, das um eine christliche Grundtugend kreist: „Seid barmherzig, wie es euer himmlischer Vater ist.“
Das Bild vom „Stachel im Fleisch“ leitet sich von der Dornenkrone Christi auf seinem Kreuzweg ab. Der Dürener Kreuzweg wird an fünf Stationen Halt machen und folgende Aspekte in den Fokus rücken: Langzeitarbeitslosigkeit in Verbindung mit Armut, Jugendperspektiven, Rente, prekäre Arbeitsverhältnisse und Wohnen. Beteiligen werden sich unter anderem das Sozialwerk Dürener Christen, die Katholische Betriebsseelsorge, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung.
Jochen Ostländer freut sich über das breite Miteinander und die Möglichkeiten des Austauschs, der gegenseitigen Stärkung: „Man ist nicht allein. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass die, um die es im Kern geht, sich mit auf den Kreuzweg begeben werden. Dazu dürfte die Hemmschwelle für Betroffene wie Langzeitarbeitslose, Minijobber oder jene, die von Altersarmut bedroht sind, zu hoch sein. Umso mehr werden sich die anderen Teilnehmer und Vertreter der Organisationen als Sprachrohre einbringen.
„Wir kritisieren Dinge, vor denen andere Leute lieber Ruhe hätten“, gibt Pfarrer Linnartz den Weg vor und schwenkt über zur Gestalt von Christus. „Christus leidet auch hier“, sagt er. Man rede allzu viel über Strukturen, Geld und Macht – und nicht über die Menschen, „die unsere Solidarität brauchen, unser Mitgefühl“, prangert der Geistliche an. Irene Mörsch unterstreicht: „Jesus ist zu den Menschen hingegangen und hat geholfen.“ Dem müsse man nachfolgen und die, die am Rand der Gesellschaft stehen, in die Mitte holen.
Bleibt die Frage: Welche Nachwirkungen sollen von der Kreuzwegaktion haften bleiben? Irene Mörsch hofft, durch die unterschiedlichen Zeichen „auch bei treuen Kirchenbesuchern“ stärker die Augen zu öffnen: „Sie sollen sehen, wo das Leid ist und dass manche Lebens-, Wohn- und Arbeitssituationen menschenunwürdig sind.“ Die Experten hoffen unisono auf Anstöße in der Politik. „Einrichtungen sollen auf lange Zeit und nicht nur projektabhängig gefördert werden“, stellt Ostländer in den Raum. „Da muss ein Systemwandel her“, ergänzt Pfarrer Lin-nartz. Das sind große Forderungen, denen kleine symbolische Schritte vorausgehen: zunächst einmal beim Kreuzweg am 23. März.
Der besondere Kreuzweg steht jedweden Teilnehmern offen. Start ist am Donnerstag, 23. März, um 18 Uhr an der Marienkirche am Hoeschplatz in Düren. Stationen sind unter anderem das Arbeitslosenzentrum am Steinweg, der Annaplatz, der Kaufhof in der Wirtelstraße sowie der Kaiserplatz.
Im Anschluss sind alle Beteiligten zu einem gemeinschaftlichen Treffen in der Marienkirche eingeladen. Bei schlechtem Wetter findet die gesamte Veranstaltung in der Kirche statt. Ende ist gegen 20 Uhr. Bei Fragen kann man sich vorab ans Büro der Regionen Düren und Eifel/
Katholikenrat der Region Düren, Tel. 0 24 21/2 80 20, wenden.