Die Hängepartie hat ein Ende. Nach neun Jahren, in denen die Pfarrei St. Lucia vieles versucht hat, um die Kirche St. Hermann Josef auf der Liester „an den Mann“ zu bringen, steht der Verkauf des Kirchengebäudes an die Cellitinnen-Marienborn Aachener Verein Marienborn gGmbH kurz vor dem Abschluss.
Die gemeinnützige Gesellschaft mit Hauptsitz in Köln möchte an dieser Stelle eine Wohnstätte für Menschen mit seelischer Behinderung bauen. Ein weiterer Standort ist im Stadtteil Donnerberg geplant. Insgesamt sollen 48 Menschen in Stolberg ein neues Zuhause finden.
Beide Seiten zeigten sich im Pressegespräch erleichtert und zuversichtlich, eine für alle Seiten gute Lösung gefunden zu haben.
Mit der Fusion von sechs Kirchengemeinden zur Pfarrei St. Lucia im Jahr 20210 wurde die am 19. Dezember 1967 eingeweihte Kirche auf Rot gestellt. Das heißt, für den Unterhalt des Kirchengebäudes gab es keine weitere finanzielle Unterstützung aus dem Bistum, die Pfarrei trägt die Kosten selbst. „Wir haben die Kirche nicht sofort geschlossen, sondern den Betrieb im kleineren Rahmen aufrecht erhalten“, erzählt Pfarrer Hans-Rolf Funken. Für eine Umnutzung lagen einige Überlegungen auf dem Tisch, erläutert Paul Kirch, der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands von St. Lucia. Eine Grabeskirche wäre wirtschaftlich realisierbar gewesen, aber: „eine Grabeskirche ist ein Friedhof, für die Entwicklung eines Stadtviertels ist das nicht förderlich.“
Lange im Rennen war die Idee eines Multisozialen Zentrums, das die Pfarrei und die Stadt Stolberg im Rahmen des Integrierten Handlungskonzeptes „Berg- und Talachse – miteinander für Münsterbusch, Ober- und Unterstolberg der Stadt“ gemeinsam entwickeln wollten. Innerhalb dieses Konzeptes wurde der Geschwister-Scholl-Platz vor der Kirche 2019 neu gestaltet. Dann kam Corona und – für Stolberg viel schlimmer – die Flutkatastrophe 2021. Weitere Änderungen in der Förderstruktur gaben dem Multisozialen Zentrum endgültig den Rest. Die Suche begann erneut. Auf Vermittlung der Stadt Stolberg begannen 2023 die Gespräche zwischen der Pfarrei und der Celitinnen-Marienborn Aachener Verein Marienborn gGmbH.
Die beiden Standorte in Stolberg ersetzen Wohnstätten im Stadtgebiet Aachen, die 1985 in Betrieb genommen wurden und nicht mehr den heutigen Kriterien der Barrierefreiheit entsprechen. Da es in Aachen keine Möglichkeit gab, entsprechenden Baugrund käuflich zu erwerben, ist die Gesellschaft glücklich, mit Stolberg eine Alternative gefunden zu haben, erklärt Jürgen Abel, Direktor der Cellitinnen-Marienborn Behindertenhilfe der Stiftung der Cellitinnen Köln: „Ich habe hier viele gutherzige Menschen kennengelernt, sowohl aus der Pfarrei als auch aus der Stadt.“ Die Pfarrei verkauft das Kirchengebäude sowie das Grundstück hinter der Kirche. Auf diesem Gelände sollen die Wohneinheiten entstehen.
Ein Wermutstropfen: Die Kirche wird dafür abgerissen. „Wir haben versucht, die Kirche zu erhalten, die Architekten haben es schließlich verworfen.“ Jürgen Abel ergänzt: „Für den Bau dieser Einrichtungen besteht ein Kostenrahmen, der von der Politik bestimmt wird.“ Kostenträger ist der Landschaftsverein Rheinland. Der freistehende Glockenturm bleibt erhalten und soll als Bilderstöckchen weitergenutzt werden – von Pfarrei und der Einrichtung. „Das gibt uns die Möglichkeit, darstellen zu können, dass wir auch Kirche sind“, unterstreicht Jürgen Abel. Er tue sich schwer damit zu sagen, es gebe auf der Liester keine Kirche mehr: „Es gibt eine andere Form von Kirche.“ Ebenfalls erhalten bleibt das Pfarrheim Oase, das mit dem Erlös aus dem Kirchenverkauf saniert und zum Treffpunkt für das Gemeindeleben ausgebaut werden soll.
Das Bistum Aachen habe den Prozess von Anfang an begleitet und stand der Pfarrei beratend zur Seite, erklärt Rainer Radermacher vom Fachbereich Liegenschaften Kirchengemeinden des Bistums.
Für Pfarrer Hans-Rolf Funke ist es wichtig, dass der neue Eigentümer ein katholischer Träger ist und die Zukunft auf der Liester in diesem Geist weitergeführt wird. Finanziell bedeutet der Verkauf für die Pfarrei eine Einsparung von rund 40.000 Euro jährlich, die allein für die Betriebskosten wie Heizen aufgebracht werden mussten.
Emotional wird es am 13. September werden, wenn St. Hermann Josef entwidmet wird. Der letzte Gottesdienst mit Dompropst Rolf-Peter Cremer beginnt um 18.30 Uhr. Auch Jürgen Abel wird dabei sein und mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen, auch, um Sorgen und Ängste zu zerstreuen, es würde eine forensische Einrichtung gebaut. Funke und Abel betonen: „Das ist nicht der Fall.“
Die Kirche bleibt ab dem 14. September geschlossen. Mit den Bauarbeiten wird frühestens 2026 begonnen.