Wie den christlichen Glauben in unsere plurale, demokratische, zunehmend säkulare Gesellschaft transportieren? Eine Fragestellung, die „Heute bei dir“ umtreibt. Sie ist nicht neu, Fachleute setzen sich schon lange damit auseinander. Etwa im Kita-Bereich: Dort sind hoch engagierte Erzieherinnen, Leiterinnen und Trägervertreter seit Jahren unterwegs, gezielt zu diesem Thema sprech- und handlungsfähig zu werden.
Das Vehikel dafür ist ein Qualitätshandbuch, das gemeinsam erarbeitet und vor Ort in Kraft gesetzt wird. Virginia Bertels blickt zufrieden auf eine intensive Zeit des Austausches zurück. Er wurde auf allen Ebenen geführt, mit Frauen und Männern, die für die Sache brennen. Sie haben auf die wichtigsten Bereiche der Arbeit in den Kindertagesstätten geschaut und überlegt: Wo müssen wir Standards setzen, die Qualität sichern und steigern? Die uns Richtschnur für den Alltag sind? Die unser spezifisches Profil ausmachen?
Einer der Bereiche, die das Handbuch in den Blick rückt, ist der christliche Glaube. Katholische Tageseinrichtungen werden als Orte lebendigen Glaubens verstanden. Das betrifft ihre Kultur des Miteinanders, ihre erzieherische Arbeit, ihre Vernetzung mit Kirchengemeinde und Sozialraum. Der Auftrag einer Kita ist weit gefasst, verzahnt mit gesetzlichen Vorgaben. Das betrifft auch die Frage der weltanschaulichen Offenheit. In der Aussprache über diesen Punkt habe sich gezeigt, dass dies kein unauflösbarer Konflikt oder Widerspruch ist. Kinder und Eltern seien in vielfacher Hinsicht auf der Suche nach einer religiösen Heimat, stellt das Handbuch fest. Die Kita unterbreite ihnen ein Angebot dafür. Die pädagogischen Fachkräfte eröffneten Kindern und ihren Familien die Möglichkeit, einen christlichen Weltzugang kennenzulernen. Zugleich lebe die Kita auch glaubwürdig die christlich fundierten Werte vor, etwa die Nächstenliebe, die Ehrfurcht vor dem Leben und der Schöpfung, Toleranz, Respekt sowie Friedens- und Konfliktfähigkeit. Alles auch in der Hoffnung, dass dies auf Eltern und andere Angehörige ausstrahlt.
Schaut man etwas genauer hin, bündelt sich in dem Handbuch jede Menge Leidenschaft für die christliche Botschaft und ihre wichtigste Quelle, die Bibel. Diesen Schatz zeitgemäß zu übersetzen, ist die tägliche Herausforderung. Das Erfahrungswissen aus den Kitas ist groß, wie das gehen kann, auch in respektvoller Anerkennung anderer Religionen. Das betrifft sowohl das Mitleben der christlichen Feste im Jahreskreis als auch die Auslegung des Buches der Bücher. Die Bibel ist ein unerschöpflicher Fundus an Geschichten, mit denen die Erzieherinnen nicht nur religionspädagogisch, sondern auch ganz allgemein pädagogisch arbeiten. Das Qualitätshandbuch hält auch fest, dass ebenso altersgerecht und glaubwürdig eine Kultur der Versöhnung und des Verzeihens vorgelebt wird. Die Erzieherinnen verstehen sich als Vorbilder, sie bringen den Kindern auf diese Weise das Bild des liebenden, barmherzigen und verzeihenden Gottes nahe. Dass dies im stressigen Alltag eine Herausforderung sein kann, ist allen bewusst. Genau deshalb steht es auch als Ziel im Handbuch, das die spezifische Qualität einer katholischen Kindertagesstätte sichern soll.
Auch ansonsten hat man sich auf anspruchsvolle Leitbilder verständigt, die Leitungen und Mitarbeiterinnen binden, aber auch die Träger in die Pflicht nehmen. Rund 330 Kitas gibt es im Bistum Aachen, und dort soll das Katholische eine Richtschnur auch für die Beschäftigten sein. Die entsprechende Anforderung formuliert es so: In katholischen Kindertagesstätten erhalten die Mitarbeiterinnen Unterstützung, ihren Glauben zu vertiefen beziehungsweise ihn neu zu entdecken. Wie geht das in einem Umfeld, wo Religion auf dem Rückzug ist und die Fachkräfte Mangelware werden? Es geht. Das zeigt ein Beispiel aus dem Krefelder Süden. Dort sind alle fünf katholischen Kitas vernetzt und tauschen sich über viele fachliche Fragen aus. Das Thema Glaube spielt dabei immer wieder eine herausragende Rolle. Die Leiterinnen werden dabei fachkundig und empathisch unterstützt durch die Gemeindereferentin Ursula Schön. Die gegenseitige Wertschätzung ist hoch, das spürt man im aufgeweckten Austausch. Wo oft genug die Alltagsprobleme mit Kolleginnen, Eltern oder bürokratischen Vorgaben im Fokus stehen, tut es gut, jenseits der aktuellen Tagesordnung auf die entlastenden Botschaften und Angebote der katholischen Seelsorgerin eingehen zu können.
Natürlich geht es auch hier um Anforderungen für die pädagogische Arbeit, das allgemein begrüßte Qualitätshandbuch setzt da ja wirklich anspruchsvolle Ziele. Aber es geht auch um das Miteinander der Beschäftigten, das aus dem Alltag herausgehoben wird, etwa bei gemeinsamen Oasentagen. Ein wichtiger Punkt dabei ist auch, das Tagesgeschäft hinter sich zu lassen, zu den eigenen Werten und Wünschen zu finden, spirituelle Quellen zu erschließen. Ursula Schön steht in diesen wertvollen Momenten, aber auch darüber hinaus bereit, wenn sich Mitarbeiterinnen in persönlichen Konflikten oder Krisen befinden. Sie ist Seelsorgerin durch und durch. Die Qualitätsziele des Handbuchs werden von allen als stimmig und richtig verstanden. Der Alltag in den Kitas zeigt allerdings, dass schon die grundsätzlichsten Dinge rund um den Glauben, um die biblischen Quellen, um die christlichen Feste nicht mehr selbstverständlich und richtig bekannt und verinnerlicht sind. Das betrifft nicht nur die Eltern, sondern auch viele Mitarbeiterinnen. Gerade die jüngeren haben aus ihrer persönlichen Biografie in Familie und Schule wenig Grundwissen mitgenommen. Universelle Werte sicherlich – aber kein religiöses Wissen. Hier kommt Ursula Schön die Aufgabe zu, zu vermitteln. Da Glaube mehr ist als Wissen, ist das ein längerer Prozess, in den viele offen einsteigen. Die meisten, die in katholischen Kindertagesstätten mitarbeiten, wissen um den spezifischen Auftrag und das spezifische Profil. Das fängt dann an bei Fragen wie: Was feiern wir Weihnachten, was Ostern? Was sind Heilige und welche Rolle spielen sie im Leben der Menschen? Und es geht weiter, immer wieder, wie Ursula Schön beobachtet.
Zunächst fordert es eine Menge Mut ab, aber ist das Eis erstmal gebrochen, genießen es viele, offen und ehrlich über religiöse Fragen zu sprechen. Das gilt auch für nicht-christliche Mitarbeiterinnen, erzählt die Leiterinnenrunde. Immer wieder seien sie überrascht, wie sich die Kolleginnen bei diesen Gelegenheiten öffneten, über ihren Lebensweg berichteten, Hintergründe aufmachten, Familientraditionen erzählten, so dass man sie besser verstehe. Im Alltag ist für solche einzigartigen Momente keine Zeit. Seelsorge erschließt sie. Das kommt den Mitarbeiterinnen zugute, aber strahlt letztlich auch auf die Arbeit mit den Kindern und Eltern aus. Denn nur wer auf einem gesicherten Fundament unterwegs ist, kann die Botschaften des Evangeliums glaubwürdig und authentisch vorleben und anbieten.