Mit dem Ende der Schullaufbahn beginnt – so sagt man – der „Ernst des Lebens“. Doch was heißt das eigentlich genau? Wie führt man ein Bewerbungsgespräch? Und worauf kommt es an, wenn man in einem Betrieb arbeitet? Beim Planspiel „Fit für den Arbeitsalltag“ können Krefelder Schülerinnen und Schüler das selbst ausprobieren.
Die Eindrücke sind noch frisch bei Jürgen Weiland und Evelyn Matter vom Jugendzentrum Fischeln. Die offene Einrichtung zeichnete in diesem Jahr verantwortlich für das Planspiel, an dem Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen der Freiherr-vom-Stein-Realschule Fischeln und der Gesamtschule am Botanischen Garten aus Oppum teilnahmen.
Seit über zehn Jahren wird das Planspiel vom Fachbereich Kirchliche Jugendarbeit des Bistums Aachen in der Region Krefeld-Viersen in Kooperation mit den offenen Türen der Region angeboten. Dabei war das „Café Oje“ in der Krefelder Innenstadt bislang der feste Standort gewesen. Seit einem Jahr probieren die Einrichtungen auch einen dezentraleren Ansatz aus. Premiere war dabei in Oppum. „Es macht Sinn, für Schülerinnen und Schüler etwas vor Ort anzubieten, sie kennen die Einrichtungen bereits“, erläutert Jürgen Weiland. Dabei sei die Vorbereitung dieses Angebots ein durchaus „dickes Ding“: 25 bis 30 Leute seien in die Vorbereitung der beiden Vormittage involviert, erzählt Maik Vollberg. Dabei kooperiere das Jugendzentrum mit den Schulen und mit der KJA. Die Schulen treffen dabei eine Art Vorauswahl bei den Teilnehmenden, schauen beispielsweise, wer zeitnah die Schule abschließt oder sich um ein Praktikum bewerben möchte.
Genau diese jungen Menschen sind die Zielgruppe des Planspiels „Fit für den Arbeitsalltag“. Bei diesem Angebot geht es darum, einmal selbst zu erleben, wie es ist, ein Vorstellungsgespräch zu führen und in einem Betrieb zu arbeiten. Das Planspiel wurde auf der Basis von Ralf Brinkhoffs „Fit ins Praktikum“ entwickelt. Teilnehmen können Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 an Förder-, Haupt- Real- oder Gesamtschulen.
Beim Planspiel im Jugendzentrum Fischeln standen den rund 100 Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 17 Jahren zehn „Werkstätten“ zur Verfügung, in denen die Teilnehmer in verschiedene Berufe hineinschnuppern konnten.
Das Angebot reichte von Catering über Schneiderei, Schreinerei und Sportgeschäft über Friseur, Lager und Logistik bis zur KFZ-Werkstatt und Schwimmbad-Technik. Dabei profitierten die Schülerinnen und Schüler auch von Leuten aus der Praxis: „Der Workshopleiter aus der KFZ-Werkstatt war vom Fach und gleichzeitig Sozialpädagoge“, erzählt Evelyn Matter. Auch beim Friseur und in der Schneiderei trafen die Schüler auf Menschen, die diesen Beruf auch ausüben oder ausgeübt hatten. Eine Kooperation vor Ort kam mit dem Stadtbad Fischeln zustande. Jürgen Weiland engagiert sich dort ehrenamtlich und führte den Planspielteilnehmern vor, was hinter dem Schwimmbadbetrieb steckt. „Sie haben Chlorproben genommen und erklärt bekommen, wie die Filteranlage arbeitet“, erzählt Weiland.
Die Realität so ähnlich wie möglich abzubilden, ist die Methode des Planspiels. Dazu gehört auch, dass die jungen Menschen konsequent vom Betreuerteam gesiezt werden. „Wir geben uns auch andere Namen. Wir möchten damit klar machen, das wir jetzt andere sind als die, die sie aus dem Jugendzentrum kennen“, erläutert Eyelyn Matter. Außerdem bekommen die Teilnehmer Aufgaben, die sie erfüllen müssen. Sie müssen dreimal pünktlich sein, drei verschiedene Aufgaben innerhalb ihrer Werkstatt erfüllen und ihr Berichtsheft führen. Vor jeder Teilnahme an einer Werkstatt wird ein Bewerbungsgespräch geführt; bekommen sie den „Job“, erhalten sie vom Werkstattleitenden ihre Aufgaben. Haben die Teilnehmer keine Idee, was sie ausprobieren möchten, können sie sich bei der „Agentur für Arbeit“ informieren. Auch eine Selbsteinschätzung gehört zu den Aufgaben, die die Teilnehmer erfüllen müssen. „Hier stellen wir oft fest, dass sich die Schülerinnen und Schüler häufig schlechter einschätzen, als wir das tun“, sagt Evelyn Matter.
Der Kontakt mit fremden erwachsenen Menschen, die Einschätzung und Bewertung der eigenen Fähigkeiten, das seien für die Jugendlichen oft schon große Herausforderungen, sagt Gundula Brychcy. Umso schöner sei es dann, zu sehen, wie die Teilnehmenden im Rahmen des Planspiels aufblühten, Fähigkeiten an sich entdeckten, die sie sich vorher nicht zugetraut hätten.
„Die Jugendlichen gehen oft stolzer hier raus, als sie morgens gekommen sind“, beobachtet Evelyn Matter. Auch die kooperierenden Schulen geben dem Angebot ein positives Feedback. Vielen gebe es auch zum ersten Mal eine Vorstellung, welchen Weg sie beruflich einschlagen möchten. „Viele sind überfordert mit der Vielfalt der Möglichkeiten, gleichzeitig kennen sie nur sehr wenige Berufe“, sagt Maik Vollberg. 324 anerkannte Ausbildungsberufe gibt es in Deutschland, bekannt seien oft nur eine Handvoll.
Das nächste Planspiel wird wieder in Oppum stattfinden. Vielleicht bekommt man dann nach Willicher Vorbild mehr Firmen ins Boot. Das Planspiel sei, sagt Evelyn Matter, eine „unfassbar gute Aktion“, um Jugendlichen etwas mit auf den Weg zu geben.