Ein ehemaliger Friseursalon auf dem Remigiusplatz, im Schatten der Viersener Remigiuskirche, ist seit einem Jahr Anlaufstelle für Menschen, die sonst nicht wissen, wohin.
Im „Himmelsstübchen“, getragen von der Pfarrei St. Remigius, finden Menschen ein offenes Ohr und niedrigschwellige Hilfe. Eine Reihe von Erlebnissen führten Pfarrer Roland Klugmann, Leiter der Pfarrei St. Remigius, zu diesem Schritt: Da war die Frau im Einwohnermeldeamt, die, weil sie die deutsche Sprache nicht gut genug beherrschte, Hilfe beim Ausfüllen der Formulare brauchte, aber für die sich offenbar niemand zuständig fühlte. Da waren die älteren Menschen beim Seniorentreff, die ihm mit hochrotem Kopf gestanden, dass sie oft nicht mehr wüssten, wie sie die Rechnungen von Heizung und Strom bezahlen sollten.
Im April vergangenen Jahres öffnete das Himmelsstübchen zum ersten Mal seine Türen. Wer hier Rat sucht, wird von einem Zweierteam empfangen. Im hinteren Bereich des großzügigen Raums ist auch Platz, um einfach nur eine Tasse Kaffee zu trinken und zu klönen. Für Gespräche, die vertraulicher vonstatten gehen sollen, gibt es einen weiteren Raum, separiert vom Durchgangsverkehr. An fünf Tagen in der Woche, für jeweils zwei bis drei Stunden, bietet die Pfarrei diese Gesprächsmöglichkeit an. An diesem Mittwochnachmittag sind Ursula Ley und Elmar Steinhausen vor Ort. Die beiden gehören zum rund 30-köpfigen Team von ehrenamtlich Engagierten, die im Himmelsstübchen bei Problemen ansprechbar sind.
17 beraten aktiv, die übrigen stehen als Ansprechpartner telefonisch bei Fragen zur Verfügung. Elmar Steinhausen war 40 Jahre als Sozialarbeiter tätig, ist seit 2020 im Ruhestand. Das Engagement im Himmelsstübchen passte da gut rein. Ursula Ley hatte sich vorher schon in der Gemeinde an verschiedenen Stellen engagiert. „Jeder hat hier so seine Nische“, sagt Elmar Steinhausen. „Wir sind das einzige Angebot dieser Art in Viersen“, sagt Ursula Ley.
Doch nicht nur Viersener kommen zum Gespräch, auch von weiter her suchen Menschen das Himmelsstübchen auf. Zu Beginn des Jahres sei es etwas ruhiger gewesen, doch so langsam ziehe es wieder an. Vor allem Probleme mit der Miete, mit Strom-, Gas- und Wasserrechnungen brennen den Ratsuchenden unter den Nägeln. Andere kommen mit Formularen, weil sie Probleme beim Ausfüllen haben. Wie die junge Mutter, die den Antrag auf Kindergeld versehentlich statt auf den Namen der Tochter auf ihren eigenen Namen ausgefüllt hatte. Das Jobcenter zahlte das Kindergeld so erst einmal nicht aus. „Wir versuchen, jedes Problem zu klären“, sagt Ursula Ley.
Allerdings gibt es Grenzen, denn ehrenamtlich Engagierte dürfen nicht rechtsverbindlich beraten. Wo das Team an seine Grenzen stößt, vermittelt es weiter, zum Beispiel an die Sozialberatung der Caritas oder an die Antrags- und Formularhilfe gleich um die Ecke. Doch auch, dass viele Ehrenamtliche aus Berufsfeldern kommen, die oft auch bei Problemen nachgefragt werden, hilft. „Wir sind gut vernetzt“, unterstreichen Ursula Ley und Elmar Steinhausen. Die Arbeit im Hintergrund koordiniert Gemeindereferentin Claudia Thivessen. Sie ist auch Ansprechpartnerin für Menschen, die seelsorgerische Begleitung benötigen. Wie die alte Dame und ihr psychisch kranker Sohn. Jetzt zeichnet sich bei der Mutter eine beginnende Demenz ab, die Anforderungen wachsen ihr langsam über den Kopf. „Ansonsten sorge ich dafür, dass es rund läuft und dass der Kaffee nicht ausgeht,“ sagt die Gemeindereferentin lachend.
Außerdem koordiniert sie Treffen mit den im Beraterteam Engagierten, schaut mit ihnen gemeinsam, was gut läuft, was besser laufen könnte. Sie versteht, warum ein Angebot wie das Himmelsstübchen gefehlt hat: „Ich nehme selbst wahr, dass Gesprächsbedarfe gewachsen sind. Das ist seit Corona schlimmer geworden. Menschen sind zunehmend einsamer.“
Auch die Kostenexplosion, vor allem bei Gas oder bei Lebensmitteln, verursacht durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, habe bei vielen dazu geführt, „dass am Ende des Geldes viel Monat übrig ist. Die steigenden Energiekosten treffen vor allem Geringverdienende und Alleinerziehende.“ Für viele sei der Name einfach charmant, und es sei wichtig, dass die Menschen hier unkompliziert Hilfe bekommen. „Bei den übrigen Beratungsangeboten muss man zuerst einen Termin machen. Das ist für viele schon eine Hürde“, weiß Claudia Thivessen. Das übernimmt bei Bedarf auch das Himmelsstübchen.
Positiv überrascht ist die Gemeindereferentin darüber, wie viele sich beim Himmelsstübchen engagieren. Denn oft seien es keine einfachen Gespräche. Das berichten auch Ursula Ley und Elmar Steinhausen. „Man bekommt viele Schicksalsschläge mit“, sagt Elmar Steinhausen. Aber dann sind da auch andere Begegnungen, wie der alte Herr aus dem Altenheim, mit dem Elmar Steinhausen regelmäßig Schach spielt: „Der zockt mich immer noch ab.“
Neue Kolleginnen und Kollegen im Team sind immer willkommen. „Sie sollten empathiefähig sein und für nix fies, wie wir hier sagen“, zählt Ursula Ley auf. Denn bei allen schweren Schicksalen ist die Arbeit unheimlich bereichernd. „Wir können etwas von dem Guten, was uns widerfahren ist, an andere weitergeben“, sind sich Ursula Ley und Elmar Steinhausen sicher.
Aktuell ist das Himmelsstübchen,
Remigiusplatz 12, 41747 Viersen, zu folgenden Zeiten geöffnet:
montags und dienstags: 10.00 – 12.00 Uhr
mittwochs: 16.00 – 18.00 Uhr
donnerstags: 14.00 – 16.00 Uhr
T. 02162-2 68 12 12 E-Mail: hilfe@st-remigius.de