Perspektivwechsel

In Mönchengladbach trafen sich hauptamtliche Kirchenmusikerinnen und -musiker zu einem Chortag

Der Stift ist immer dabei: Die meisten Sänger machen sich Notizen in ihre Noten. (c) Garnet Manecke
Der Stift ist immer dabei: Die meisten Sänger machen sich Notizen in ihre Noten.
Datum:
21. Nov. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 47/2023 | Garnet Manecke

Im Alltag sind Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker oft Einzelkämpfer. Sie begleiten Gottesdienste, leiten Chöre, organisieren Konzerte und Orgelreisen. Manchmal aber kommen sie mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Regionen zusammen, um gemeinsam zu musizieren und sich auszutauschen. In Mönchengladbach trafen sie sich zu einem Chortag mit abschließender Begleitung des Abendlobs. 

Wenn man so allein auf der Orgelempore sitzt, um einen Gottesdienst zu begleiten, darf man nicht schüchtern sein. Im Gegenteil: Es hilft, wenn man gerne vor Pulikum auftritt. Denn es kommt gar nicht so selten vor, dass die Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker die einzigen sind, die singen. Gerade dann, wenn unter den Gottesdienstbesuchern nur wenige sind, die regelmäßig kommen und die Lieder entsprechend kennen.
Da liegt es nahe, dass die Kantorinnen und Kantoren einmal zusammenkommen, um gemeinsam zu musizieren. Schon bevor man die Tür zum Pfarrzentrum von St. Vitus Mönchengladbach erreicht, hört man die Stimmen „Lobet ihn, den Herrn“ singen.
Einen ganzen Tag zusammen singen, sich austauschen und sich kennenlernen: 21 Frauen und Männer haben im Halbkreis in dem Pfarrsaal Platz genommen. 

Für Alexander Müller (r.), seit September Regionalkantor in Heinsberg, war der Tag sein Einstand in den Kreis der Kollegen. (c) Garnet Manecke
Für Alexander Müller (r.), seit September Regionalkantor in Heinsberg, war der Tag sein Einstand in den Kreis der Kollegen.

In der Mitte steht ein Flügel, von dem aus Alexander Müller die Gruppe durch das Stück führt. Und wieder einmal zeigt sich: Singen und Dirigieren sind Sportarten, die den ganzen Körper fordern.  „Es ist ein Versuch, die Leute zusammenzubringen“, sagt Michael Hoppe, Kirchenmusikreferent im Bistum Aachen, über den Chorprojekttag für hauptamtliche Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker.
Für Alexander Müller, der erst seit September Regionalkantor der Region Heinsberg ist, ist der Tag auch sein Einstand in die Runde. Mit seinem Kollegen Thomas Linder (Regionalkantor Aachen-Stadt) und Marianne Zangl-Bartsch (Kantorin der Pfarrei Hildegundis von Meer, Meerbusch) sitzt er in der Pause bei einer Suppe. Mit dem Zwischenergebnis der Probe ist Müller sehr zufrieden. „Das sind ja alles Profis“, sagt er.
Normalerweise arbeitet er, wie seine Kollegen, in den Kirchenchören mit Laien. Die Ergebnisse seien zwar auch gut, aber hier fange man jetzt auf dem Niveau an, bei dem man mit den Laien aufhöre, sagt ein Kollege. Perspektivwechsel: Statt Chorleiter nun in der Rolle der Chorsängerinnen und -sänger Wie anders es ist, wenn Profis ein Stück einstudieren, zeigt sich auch daran, dass fast jeder neben den Notenblättern einen Stift zur Hand hat. Kaum ein Notenblatt ohne Notizen. „Ich gehe zu solchen Veranstaltungen ganz gerne. Es ist ja mal interessant, wie die Einstellungen der anderen zu den Stücken sind“, sagt Linder.

Sauber gebunden sind die Noten des Abendlobs, das am Ende des Tages in der Citykirche erklingt. (c) Garnet Manecke
Sauber gebunden sind die Noten des Abendlobs, das am Ende des Tages in der Citykirche erklingt.

Auch neue Ideen lerne man dabei, sagt Müller. „Ich halte es für wichtig, wenn man selbst Chorleiter ist, dass man auch mal wieder auf der anderen Seite sitzt“, sagt Zangl-Bartsch. Das schärft das Verständnis für so manches praktische Problem in der Arbeit mit den Kirchenchören. „Wenn man als Chorleiter eine Ansage macht, dann kommt das oft in der letzten Reihe gar nicht an. Man fragt sich, warum das nicht umgesetzt wird“, nennt sie ein Beispiel. „Wenn man dann selbst in der letzten Reihe steht, merkt man, dass das dort wirklich nicht ankommt.“ 
Vier Kollegen teilen sich die Rolle des Chorleiters für das Abendlob, das am Ende des Abends in der Mönchengladbacher Citykirche zu hören ist. „Wir haben gebangt, ob das überhaupt stattfinden kann“, sagt Friederike Braun, Regionalkantorin von Kempen-Viersen. Fünf Absagen habe es auf die letzte Minute gegeben: Die Erkältungswelle verschont auch die Kirchenmusiker nicht. Aber schließlich waren sie doch noch 21 Sängerinnen und Sänger. Jede Stimmlage ist besetzt, auch wenn im Sopran die erste und zweite Stimme nur jeweils von zwei Sängerinnen getragen wird. 

Niklas Piel (l.) schätzt den Perspektivwechsel vom Chorleiter zum Chorsänger. Sebastian Nehmzob will Kirchenmusik studieren. (c) Garnet Manecke
Niklas Piel (l.) schätzt den Perspektivwechsel vom Chorleiter zum Chorsänger. Sebastian Nehmzob will Kirchenmusik studieren.

Sebastian Nehmzob ist mit seinen 18 Jahren noch kein studierter Kirchenmusiker. Aber er steht kurz vor dem Beginn des Studiums. „Das steht für mich fest, seit ich klein war“, sagt er. „Es bedeutet mir viel, einen Teil der Verkündigung mit zu übernehmen.“
Wie die anderen in diesem Raum hat er schon vorab die Stücke im stillen Kämmerlein geübt. Jetzt wird am  Feinschliff gearbeitet.
Die Vorgehensweise beim Einüben von Stücken ist ganz individuell. Während sich Nehmzob direkt am Klavier begleitet, bevorzugt Niklas Piel (Regionalkantor Krefeld) es, erstmal ohne Instrument zu singen. Das macht er auch als Chorleiter mit seinen Chören so. „Ich lasse sie erst mal ein- oder zweimal singen, damit sie sich sortieren können.“ 
Den wesentlichen Unterschied zwischen seiner Rolle als Chorleiter und der als Sänger sieht Niklas Piel in der Fokussierung. „Als Chorleiter hört man das große Ganze, man selbst singt ja nicht mit“, sagt er. „Als Sänger ist man vor allem auf seine Stimme fokussiert.“