Nadelgleich sticht der Spitzturm der Kirche von Soller empor und setzt eine echte Landmarke in der Umgebung der Voreifel. Geweiht ist das Gotteshaus dem heiligen Gangolf, einem Edelmann aus dem Burgund, der im 8. Jahrhundert gelebt und als Heerführer und Jäger in Diensten des fränkischen Königs Pippin (714 bis 768) gestanden haben soll.
Der Gebrauch seiner Waffen ist nicht überliefert, obgleich er oft in ritterlicher Rüstung mit Schild und Lanze dargestellt wird. Dafür zeichnete er sich durch Güte und Großzügigkeit aus und hatte ein Herz für die Armen. Sein Gedenktag ist der 11. Mai. Verehrung genießt er vor allem im süddeutschen Raum; im Bistum Aachen ist Gangolf über Soller hinaus auch Kirchenpatron in Heinsberg und Ramscheid (bei Hellenthal). Er ist Patron der Kinder und hilft bei Haut- und Augenkrankheiten. Ebenso steht er bei Knieleiden und Schwierigkeiten in der Ehe bei.
Wer sich mit dem Leben des Heiligen beschäftigt, stößt lediglich auf Fragmente – doch sein Ende war übereinstimmenden Angaben zufolge tragisch. „Nach dem Ehebruch seiner Gattin verschenkte er seine Güter an das Kloster Prüm, zog sich in die Einsamkeit zurück und gab sich ganz der Buße und der Sorge für die Armen hin“, liest man in einer Quelle, die Willi Vostell, der rührige Küster der Kirche von Soller, in der Sakristei hervorholt. „Von nah und fern strömten die Menschen zu ihm und waren erbaut von seiner Güte und Frömmigkeit“, heißt es weiter. Doch gleichzeitig griff Missgunst gegen Gangolf um sich. Laut Überlieferung wurde er auf Anstiftung seiner untreuen Frau, die ihn überdies mit einem Priester betrogen haben soll, am 11. Mai des Jahres 760 ermordet. Dadurch erlitt er ein ungewöhnliches Martyrium. In welchem Alter genau er sein Leben lassen musste, ist ungewiss. Im Mittelalter zeichnete die Stiftsdame und Dichterin Roswitha von Gandersheim (um 935 bis etwa 973) seine Vita ebenso nach wie Jahrhunderte darauf der Kapuziner und Volksschriftsteller Martin von Cochem (1634 bis 1712), der den Märtyrer im Deutsch jener Jahre als „von seinem Weib getödtet“ vorstellte.
Die Kirche von Soller bewahrt ein vierfaches Angedenken an Sankt Gangolf, angeführt von einem Reliquiar mit einem Knochenstückchen in der Mitte. Es ist von einer roten Schleife und einem Bändchen mit dem Namen des Heiligen umwickelt. Links und rechts davon wacht jeweils ein silberner Engel. Ganz oben hat die gekrönte Gottesmutter Maria in einer Nische ihre Hände zum Gebet gefaltet. Um welches Knochenstück genau es sich handelt, kann weder Küster Willi Vostell noch der zuständige Pfarrer Gerd Kraus sagen.
Das Reliquiar ist aus Furcht vor Diebstahl gewöhnlich ebenso unter Verschluss wie eine auf 1815 datierte Hostienmonstranz des Dürener Goldschmieds Gottfried Wolfgang Reuter. Darin sticht Gangolf als golden glänzendes Figürchen hervor. Er trägt eine Rüstung und Schild und Lanze. Der Helm auf dem Kopf sitzt leicht schief, so scheint es. Die Nische mit dem Heiligen schließt oben ein silberner Baldachin ab, auf dem ein Engel sitzt und Trompete spielt. Pfarrer Kraus ist es zu danken, dass die Hostienmonstranz zumindest einmal im Jahr ihre sichere Verwahrung verlässt: bei der Marienoktav im September.
Jederzeit begegnet man Gangolf auf zwei anderen Darstellungen in der Kirche. Ein modernes Buntglasfenster über dem Portal zeigt ihn mit einem Heiligenschein und einem blaugrünen Umhang. Das Schwert hält er fast tänzelnd, so mutet es an, in der Rechten. In einem Seitenaltar vor dem Altarraum ist er als farbsatte Skulptur zugegen, flankiert von den kleineren Figuren des Antonius von Padua und des Jesuiten Aloisius von Gonzaga. Sankt Gangolf trägt elegante Schuhe und eine wallende Lockenpracht. Die Ganzkörperrüstung ist nur zu erahnen und tritt im Unterbereich beider Beine und an den Enden der Unterarme hervor. Der übrige Leib ist von einem rot-grün-goldgelben Gewand bedeckt. Sein Blick in den Kirchenraum hinein befremdet: Er wirkt etwas abständig, regelrecht verloren.