Paten mit Herz

Zwei Aachener besuchen als Psychiatrie-Paten andere kranke Menschen

Kranke besuchen Quadratisch (c) Pixabay.com
Kranke besuchen Quadratisch
Datum:
31. Mai 2016
Von:
Andrea Thomas
Immer montags geht Julia Kaffee trinken. Wer sie begleiten wird, weiß sie im voraus selten. Sie fragt im Aachener Alexianer Krankenhaus einfach, wer sonst nicht oft Besuch bekommt, und lädt ihn dann ins Café ein.
Kranke besuchen Nachricht (c) pixabay.com
Kranke besuchen Nachricht

Auch Thomas lädt andere ein, zum Wettstreit am Spielbrett oder zum Kartenkloppen beim Skat. Immer donnerstags ist Spielegruppe bei den Aachener Psychiatrie-Patinnen und -Paten. Julia und Thomas sind zwei von ihnen – und wie alle selbst betroffen. Sie haben ihre Erkrankung beide ganz gut im Griff, wissen aber noch zu gut, wie sich Krisen anfühlen. Und, wie wichtig Menschen sind, die einen dann nicht verurteilen, sondern verstehen, mit denen man reden oder schweigen, lachen oder auch mal weinen kann. Ihr sei es damals ziemlich schlecht gegangen, berichtet Julia von ihrer ersten großen Krise vor fast 20 Jahren. Einer ihrer Rettungsanker war und ist ihr Glaube. „Gott und das Gebet haben mir geholfen“, sagt die zierliche dunkelhaarige Frau. Unwillkürlich fasst sie dabei nach dem Rosenkranz um ihren Hals.

Dankbar dafür, dass es ihr besser ging, habe sie anderen in ähnlicher Situation helfen wollen. So ist sie 1997 zum gerade frisch gegründeten Verein der Psychiatrie-Paten gekommen: Betroffene helfen Betroffenen. Schnell hat sie gemerkt, dass ihr der Besuchsdienst im Alexianer liegt. „Die Meisten nehmen das Angebot gerne an und freuen sich, mal rauszukommen. Mit manchen rede ich, mit anderen schweige ich“, erzählt sie. Beides sei okay, denn egal wie, am Ende gehe es ihnen beiden meist ein bisschen besser. „Wir können helfen, weil wir die Erfahrung selbst gemacht haben. Zu 80 Prozent war jeder von uns hier im Verein schon mal in stationärer Behandlung“, sagt Thomas.

 

Anderen helfen, ihren Alltag wieder alleine zu meistern

Für ihn sei der Besuchsdienst nichts, erklärt der Mann im Karohemd, der sein Gegenüber freundlich, aber intensiv mustert. Er engagiert sich seit vier Jahren im Verein und organisiert die wöchentliche Spielegruppe – eines der Freizeitangebote der Psychiatrie-Paten. „Wir haben eine Menge Spiele und zurzeit eine Runde, denen das echt Spaß macht.“ Ohne Frage ihm selbst auch. Zurzeit nimmt er an Seminaren zum Thema „Peer Counseling“ teil, einem neuen Angebot. Andere professionell beraten zu können und ihnen zu helfen, ihren Alltag meistern zu können, das reizt ihn. Das ehrenamtliche Engagement gibt ihm – wie vielen im Verein – auch selbst ein Stück Stabilität. Sich zurückzuziehen helfe bei so einer Erkrankung nicht.

 

Mit den Patenkindern Essen, ins Kino oder Bowlen gehen

Etwas, das er auch seinen beiden „Patenkindern“ sagt. Die Patenschaften sind nicht nur Namensgeber, sondern Herzstück der Arbeit des Vereins. Auch Julia ist zweifache Patin. Sie kümmert sich unter anderem um eine Frau mit Angststörungen. „Ich begleite sie, wo sie sich alleine nicht traut.“ Das können Besorgungen sein, ein Spaziergang oder Essen gehen. Ihr zweites Patenkind ruft sie täglich an, hört ihm zu oder macht Mut. Sie ist froh, ihnen etwas Sicherheit geben zu können. „Wir gehen ins Kino oder Essen. Letztens waren wir zusammen bowlen“, erzählt Thomas von seinen Patenaktivitäten. Was man gemeinsam mache und wie oft, entscheide jeder selbst. Pro Monat und „Patenkind“ gibt es dafür vom Verein ein Budget von 30 Euro. Unbezahlbar sind die Kontakte, die darüber entstehen. Die meisten wollten einfach nicht alleine sein, weshalb die Patenschaften auch sehr gut nachgefragt seien, wie Thomas berichtet. Ein paar mehr Paten wären daher schön. Was jedoch nicht so einfach ist, da sie alle selbst erkrankt sind und nur der geben kann, der auch auf sich selbst gut acht gibt. Infos unter: www.ppev.de