Paradies für Biene und Co.

Blühflächen entlang der Felder in der Region sichern Insekten (und Menschen) ihre Lebensgrundlage

So bunt sollen sie in wenigen Wochen wieder ausschauen. (c) Björn Scholz-Starke
So bunt sollen sie in wenigen Wochen wieder ausschauen.
Datum:
7. Apr. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 14/2021 | Andrea Thomas

Gerade in diesen Tagen hat der Gedanke an blühende Wiesen und Felder etwas Tröstliches und Stimmungsaufhellendes. Was unserer Seele gut tut, ist für Insekten Lebensraum und Nahrungsquelle, und auch für Vögel, Säugetiere und Amphibien bedeuten solch blühende Flächen in der Natur Lebensgrundlage.

Schilder in den Blühstreifen machen auf das Projekt aufmerksam, in der Hoffnung, aus Spaziergängern Unterstützer zu machen. (c) Björn Scholz-Starke
Schilder in den Blühstreifen machen auf das Projekt aufmerksam, in der Hoffnung, aus Spaziergängern Unterstützer zu machen.

Nicht erst seit Büchern wie „Das Leben der Bienen“, insektenfreundlichen Samenmischungen als Werbegeschenk, dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ 2019 in Bayern oder Berichten in diversen Medien ist den meisten klar: Insekten mögen ja manchmal lästig sein, aber ihr Rückgang hat ernste Folgen für Mensch und Natur. Sie sind für das Gleichgewicht der Ökosysteme unentbehrlich. Laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sorgen sie durch das Sammeln von Nektar und Pollen für die Bestäubung und den Fortbestand von weltweit etwa 90 Prozent aller Pflanzenarten. Damit stellen sie einen großen Teil der Ernährung von Menschen und Tieren sicher. Sie sind selbst eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere und wichtige Nützlinge in der Forst- und Landwirtschaft, wo sie dafür sorgen, dass sich schädliche Insekten nicht unkontrolliert vermehren.

Es ist also dringend an der Zeit, Biene, Hummel, Fliege, Libelle, Schmetterling und Co. helfend unter die Flügel zu greifen. „Balkon, Garten und Vorgarten mit insektenfreundlichen Blumen und Kräutern zu bepflanzen ist gut, aber zu wenig. Wenn man etwas erreichen will, dann muss man in die Fläche“, sagt Björn Scholz-Starke. Der Biologe ist Koordinator des 2019 gestarteten Projektes „Blütenparadies“ in Trägerschaft des Fördervereins Arbeit, Umwelt und Kultur Region Aachen. Das hat sich zum Ziel gesetzt, blühende Flächen in der Agrarlandschaft der Region zu schaffen. Nur so hätten Insektenpopulationen eine echte Chance, sich zu erholen, sagt Ideengeber und Initiator Bio-Landwirt Volker Gauchel. „Wir brauchen Flächen und Lebensräume für Insekten da, wo sie fehlen, in der Agrarlandschaft.“

Und einen unkomplizierten und unbürokratischen Ansatz, dies umzusetzen, denn das Thema bewege viele, sowohl unter den Landwirten als auch in der Bevölkerung. „Es gibt Programme, aber die sind oft mit so viel Bürokratie verbunden, dass das viele Kollegen abschreckt und die nicht genutzt werden“, beschreibt er seine Erfahrungen. Damit Landwirte bereit seien, einen Teil ihrer Flächen für Blühpflanzen zur Verfügung zu stellen, müsse man sie vernünftig mitnehmen. Was auch bedeutet, dass man ihnen einen finanziellen Ausgleich bieten muss. „Landwirte haben wirtschaftliche Zwänge“, sagt Björn Scholz-Starke. Das müsse man ganz nüchtern sehen. „Die zu bewirtschafteten Flächen werden immer weniger. Wenn sie da was anbauen, was nicht viel einbringt, ist das schwierig.“

Die Idee von „Blütenparadies“ ist einfach. Wer helfen möchte, spendet oder übernimmt eine Patenschaft für ein Stück Blühfläche. Mit dem Geld wird Saatgut gekauft und den beteiligten Landwirten ein Ausgleich gezahlt. Aus einem Euro sollen so zwei Quadratmeter blühende Fläche werden, farbenfrohe Hingucker in der Landschaft und Paradiese für Insekten.

Ungefähr zur gleichen Zeit wie Volker Gauchel, dessen Bio-Hof „Gut Paulinenwälchen“ am Rande der Soers nahe Berensberg liegt, hatte ein paar Kilometer weiter Landwirt Dieter Lanckohr, der den Geuchter Hof in den Feldern zwischen Kohlscheid und Horbach bewirtschaftet, eine ähnliche Idee. Auch er wollte dem Insektensterben aktiv etwas entgegensetzen. „Wir leben als Landwirte von und mit der Natur, daher wollte ich gerne einen Beitrag leisten, die Situation zu verbessern“, erzählt er. 
Als er erfuhr, dass es mit „Blütenparadies“ bereits ein ähnliches Projekt gab, entschied er, sich zu beteiligen. Es sei schließlich zielführender, das zusammen zu machen als jeder für sich. Aus gemeinsamen Überlegungen wurde schließlich ein Konzept, dass 2019 mit 14 Landwirten gestartet ist und dem Ziel, zehn Hektar Blühflächen in der Region zu schaffen, die räumlich vernetzt sind, damit die Insekten von Fläche zu Fläche wandern und Ersatz für wegfallende Flächen finden können. In der ersten Saison war das noch alles andere als kostendeckend, da das Projekt nicht bekannt war und es kaum Spenden gab. Die meisten Landwirte sind dennoch dabeigeblieben, weil sie von der Idee überzeugt sind. „Corona hat es im vergangenen Jahr auch nicht leichter gemacht“, sagt Volker Gauchel, „aber das muss halt wachsen“. Die Resonanz sei jedenfalls sehr positiv.

Erfahrungen sammelt das Projekt auch auf anderen Feldern, zum Beispiel beim richtigen Mix der Pflanzen. Die sollten den Insekten der Region schmecken, möglichst den Boden verbessern und an den unterschiedlichen Standorten gut gedeihen, den Vorgaben der Bio-Landwirte gerecht werden, im Kostenrahmen liegen (spezielle Samenmischungen sind teuer) und „was hermachen“, wie Björn Scholz-Starke auflistet. Auch das „wo“ ist wichtig. Die Flächen müssen für Pflanzen und Insekten passen, aber auch ins Auge fallen, um Aufmerksamkeit und Spender zu gewinnen. Doch der Aufwand lohnt sich: „Das Summen und Brummen in den Flächen ist unglaublich. Und es lockt auch viele Vögel an“, schildert Dieter Lanckohr.  Und Hingucker sind die bunt-blühenden Streifen zwischen den Feldern außerdem.

Wer das „Blühparadies“ unterstützen möchte, findet alle Infos dazu unter: www.blütenparadies.de