Orte der Begegnung schaffen

Die Aachener Pfarrei St. Jakob bringt sich aktiv in ihr Viertel ein, um Menschen wieder stärker anzusprechen

(c) Andrea Thomas
Datum:
15. Sep. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2020

Wenn Kirchengemeinden wieder stärker eine Rolle im Leben der Menschen spielen möchten, die rund um ihren Kirchturm leben und arbeiten, dann müssen sie sich ihnen öffnen. Das reicht von offenen Kirchentüren über Orte, die sie für Aktivitäten und Begegnungen öffnet, bis zur Offenheit für das, was Menschen bewegt, was sie suchen und für ihr Leben brauchen. In der Aachener Pfarrei St. Jakob sind dazu ganz verschiedene Projekte entstanden.

Den Kirchturm von St. Jakob, der höchste in der Stadt Aachen, kann man nicht übersehen. Er ist ein optischer Fixpunkt im zu Aachen-Mitte zählenden Jakobsviertel mit seinen Geschäften, Galerien, Firmen, Einrichtungen und Wohnhäusern. Die Menschen, die in seinem Schatten leben und arbeiten, aber auch Touristen, Passanten und die Pilger, die auf dem Jakobsweg an der Kirche Halt machen, sollen hier Begegnungsorte, offene Türen und auch offene Ohren finden können, egal ob kirchennah oder kirchenfern. 
Seine Wurzeln hat das unter anderem in den Zukunftsforen der Pfarrei St. Jakob aus den Jahren 2015 und 2017 dazu, wie Glaubens- und Gemeindeleben 2025 aussehen soll. Darüber hinaus ist es denen, die sich hier haupt- wie ehrenamtlich einbringen, ein echtes Anliegen. 

Etwas, das die Pfarrei nicht alleine umsetzen kann (und auch nicht will), sondern wozu sie den Verbund und Austausch mit anderen Akteuren im Viertel sucht. Noch vor 50 Jahren sei Kirche selbstverständlicher Teil der Lebenswelt der Menschen gewesen und habe diese mitgestaltet, sagt Pastoralreferent Hannes Peters. Heute ist das vielerorts nicht mehr so, da sei in den letzten Jahrzehnten viel verlorengegangen. Heute ist Kirche ein Akteur im Stadtteil, ein Partner, der dabei ist, mitwirkt und sich einbringt, ergänzt seine Kollegin Gemeindereferentin Monika Mann-Kirwan. 


Offene Türen, die einladen einzutreten

So entstehen kleine und großes Dinge, auf denen nicht immer dick und fett „Kirche“ steht, aber viel von ihr mit drinsteckt. Menschen lernten so Kirche noch einmal in anderen Bezügen kennen und schätzen, ist Hannes Peters von der Wirksamkeit überzeugt. „Wir müssen wieder mehr mit Menschen in den Dialog gehen.“ Kirche sei nicht mehr „Hauptplayer,“ sondern Mitspieler, beschreibt es Walter Nett, der sich ehrenamtlich unter anderem in der Pilgerarbeit engagiert.

Das Forum St. Jakob ist aus den Zukunftsforen entstanden und will Kultur und Begegnung im Jakobsviertel fördern. Ein übergreifendes Jahresthema soll diese Idee noch einmal neu beleben. „Das geht jetzt mehr in Richtung Kunst-Kirche mit Konzerten, Theater, Ausstellungen, Workshops und so weiter. Im Sinne von Kunst als das bisschen ,Mehr‘ im Leben, das Menschen auch brauchen“, beschreibt es Monika Mann-Kirwan. 
Als erstes Thema hätten sie sich im Team für „Gold“ entschieden, weil darin eine so große Bandbreite und viele verschiedene Anknüpfungspunkte lägen. Wie zum Beispiel ein Foto-Spaziergang „Spuren von Gold“ durchs Viertel, ein Filmabend zu „Gold und Raubkunst“, ein 
Vergoldungs-Workshop oder zwei Ausstellungen in der Kirche, die sich auf unterschiedliche Art mit „Gold“ beschäftigen. Im Foyer des Jakobushauses, Begegnungs- und Veranstaltungsort der Gemeinde St. Jakob, hängt dazu außerdem eine Installation, an der sich Besucher beteiligen können. An goldenen Klammern sind kleine Kärtchen befestigt, auf denen man aufschreiben kann: „Was macht dich zum Goldstück?“ oder „Was ist dein Schatz im Leben?“.

Alle Angebote finden – natürlich – unter den coronabedingten Auflagen statt. Von denen sich die Organisatoren jedoch nicht völlig ausbremsen lassen wollen. Sie möchten lieber schauen, was aktuell in welcher Form möglich ist. Vorsicht und Rücksicht seien wichtig, doch Corona dürfe auch nicht auf Kosten des Zwischenmenschlichen gehen.
Die Pandemie erschwert auch einem anderen Projekt zurzeit etwas den Start. Seit Anfang des Jahres gibt es im Foyer des Jakobushauses die Kaffeebar „Jakob 143“ als Treffpunkt für alle im Viertel. Betreiber und Kooperationspartner der Pfarrei ist die Arbeiterwohlfahrt Aachen. „Ein Café ist für mich ein Gebot der Stunde,“ sagt Monika Mann-Kirwan. „In der Pfarrei, in der ich vorher war, hatten wir ein Sozialcafé als Treffpunkt. Doch das ist mit Ehrenamtlichen allein schwierig, weshalb wir uns hier einen Partner gesucht haben.“ Eigentlich sollte das Café die vorderen Räume des Jakobushauses beziehen, doch der Umbau und Einbau einer Gastro-Küche zieht sich etwas. Um nicht noch länger zu warten, hätten sie entschieden, ein vorübergehendes Café im Foyer zu starten. Das wegen Corona dann kurz nach der Öffnung schon wieder schließen musste. Auch jetzt ist die erlaubte Gästezahl noch eingeschränkt, aber nachdem die Gäste im Sommer auch draußen sitzen konnten, wird es langsam bekannter. Die Idee funktioniere auf jeden Fall, ist Monika Mann-Kirwan überzeugt. Der Rest muss jetzt wachsen.

Offen und einladend präsentiert sich seit Kurzem auch die neugestaltete Pilgerkapelle der benachbarten Jakobskirche, ein weiteres Projekt, für das Monika Mann-Kirwan inhaltlich verantwortlich ist. Hier sei ein Ort zeitgemäßer Spiritualität entstanden, erklärt Pfarrer Andreas Mauritz bei der Vorstellung, der mit seiner modernen Ästhetik nicht nur die klassischen Kirchgänger ansprechen dürfte. Statt einer Heiligenfigur oder einem Kreuz schwebt eine goldene Scheibe über einem Becken mit Kerzen. An die Wand hat Kalligrafin Silke Schmithausen die Worte „Weg“, „Wahrheit“ und „Leben“ geschrieben. Leitmotiv ist das Pilgern, nicht nur im klassischen, sondern auch im weiteren Sinn als Pilgern auf dem Lebensweg. Offen ist hier wörtlich zu nehmen. Montags bis samstags von zehn bis 18 Uhr steht die Seitentür der Kapelle offen, können Menschen reinkommen, den städtischen Trubel hinter sich lassen für ein kurzes Atemholen, ein Gebet oder um eine Kerze anzuzünden. Immer mittwochs gibt es einen kleinen Impuls zur Mittagszeit. „Wenn wir uns den Menschen öffnen wollen, geht das nur mit offenen Türen. Gerade jetzt in der Coronazeit suchen und brauchen Menschen Orte wie diesen“, ist Andreas Mauritz überzeugt. 


Grüne Oasen mitten in der Stadt

Wer eher die Stille und die Spiritualität der Natur sucht, findet seinen Ort im Kirchgarten von St. Jakob, dessen Tor tagsüber nun ebenfalls geöffnet ist. Hier gab es schon länger eine Sitzgruppe für Pilger. Die ist ergänzt worden durch ein Blumenbeet mit einem stilisierten Torbogen und Trittsteinen, die animieren sollen hindurchzugehen. Weitere gestalterische Elemente sollen folgen. Für Gemeindereferentin Maria Delheid, die dafür verantwortlich zeichnet, ist der Garten eine Einladung zum Innehalten und Pausemachen im Alltag. „Hier steht mal nicht ,Betreten verboten‘, sondern Betreten ist ausdrücklich erwünscht. Wir haben das Beet bewusst so gestaltet, dass jeder hier eigene spirituelle Erfahrungen machen kann: Weg, Übergang, Neubeginn, etwas los und hinter sich lassen…“ Aber auch sich einfach auf der Wiese niederzulassen und die grüne Oase mitten in der Stadt zu genießen, wie einige es im Corona-Sommer gemacht haben, ist möglich.

Die Sehnsucht nach etwas Grün, das vielen Menschen im Viertel fehlt, die weder eigenen Garten noch Balkon haben, war auch der Anstoß für ein weiteres Gartenprojekt, in das sich die Pfarrei mit einbringt. Hinter dem Jakobushaus soll unter anderem in Zusammenarbeit mit der Initiative „Quartier 55 plus am Westpark“ ein Gemeinschaftsgarten entstehen. Wobei Gemeinschaft und Garten gleichwertig und wichtig sein sollen, geht es dabei doch neben dem Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern vor allem um den Austausch mit anderen.

„Kirche der Menschen zu sein, heißt nicht nur Angebote machen, sondern die Möglichkeit der Beteiligung bieten“, sagt Hannes Peters. Etwas, das sich in den meisten der Projekte widerspiegele. „Gastfreundschaft im Viertel ist eine alte Pilgertradition“, sagt Walter Nett. Die hier mit den Angeboten und Projekten gefplegt werde. Darüber entstünden Kontakte, kurze Wege, und Menschen fänden hier Menschen, die zuhörten. 

Angebote der Pfarrei St. Jakob im Viertel

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