Öffentlichkeit schaffen

Zum Jubiläum von Solwodi Aachen ging es um die Entwicklung der Antoniusstraße im Sinne der Frauen

Diskutierten über den Sozialraum Antoniusstraße: v. l. Martina Schäfer, Marianne Genenger-Stricker (beide Katho), Frauenseelsorgerin Annette Jantzen, Sabine Rompen von Solwodi (vorn), Anke Reermann fürs Bistum und Stadtbaurätin Frauke Burgdorff.i (c) Andrea Thomas
Diskutierten über den Sozialraum Antoniusstraße: v. l. Martina Schäfer, Marianne Genenger-Stricker (beide Katho), Frauenseelsorgerin Annette Jantzen, Sabine Rompen von Solwodi (vorn), Anke Reermann fürs Bistum und Stadtbaurätin Frauke Burgdorff.i
Datum:
2. Nov. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 44/2021 | Andrea Thomas

Die Antoniusstraße – passend nach dem Schutzpatron des/der Verlorenen – gehört zu Aachen dazu. Mit all den Problemen und Reibungsflächen, die sich daraus ergeben. Im Rahmen des Zehnjährigen von Solwodi in Aachen hat sich eine Podiumsdiskussion mit der Frage beschäftigt: „Rot/Licht und Schatten – Wem gehört die Stadt?“

Die Sozialarbeit in der Antoniusstraße ist, seit die Beratungsstelle von Solwodi (Solidarität mit Frauen in Not) ihre Arbeit aufgenommen hat, einer ihrer Schwerpunkte. Regelmäßig sind Leiterin Sabine Rompen und ihre Kolleginnen vor Ort, seit 2016 mit einer Anlaufstelle direkt in der Straße und seit Kurzem auch alle zwei Wochen abends. Sie sensibilisieren und klären auf, vermitteln Arzttermine, begleiten die Frauen und sind ansprechbar. In der Pandemie hat Solwodi mit dem Gesundheitsamt der Städteregion eine Impfaktion angeboten. Außerdem helfen sie mit juristischer Unterstützung bei Fragen und Problemen rund um Ausländer- und Aufenthaltsrecht. Wichtige Partner sind neben anderen Beratungsangeboten und der Stadt auch das Bistum und die Frauenseelsorge Aachen.

Der überwiegende Teil der Frauen komme aus Osteuropa und sei aus Armut zur Prostitution gezwungen. „Sie wurden angelockt von falschen Voraussetzungen, haben gehofft, hier zum Beispiel in der Gastronomie arbeiten zu können“, berichtet Sabine Rompen. Vor Corona gab es 120 Verrichtungsplätze, Tagesmiete um die 130 Euro. Die Pandemie hat die Situation der Frauen noch verschärft und sie zum Teil in die Illegalität getrieben. Demgegenüber stehen die Männer (und wenige Frauen), die diese Dienste in Anspruch nehmen. Mit protzigen Autos, laut, angetrunken und ohne jeden Respekt vor den Frauen, aber auch den Menschen im Viertel um den Büchel, beanspruchen sie die Stadt für sich.

Achtsam und mit offenen Augen 

Prostitution ist kein schönes Gewerbe, doch wo es sie gibt, braucht es zumindest Qualitätsstandards für die, die sie ausüben (müssen). (c) www.pixabay.com
Prostitution ist kein schönes Gewerbe, doch wo es sie gibt, braucht es zumindest Qualitätsstandards für die, die sie ausüben (müssen).

Im Zuge der geplanten Neugestaltung des Quartiers geht es daher auch darum, wie sich ein Rahmen schaffen lässt, der die Frauen schützt, für die (noch) kein Ausstieg möglich ist. Dazu gehört, dass es weiterhin hier einen Raum für Prostitution gibt und die nicht an den Stadtrand gedrängt wird. „Es ist kein schönes Gewerbe, aber es braucht Öffentlichkeit“, macht Frauenseelsorgerin Annette Jantzen deutlich. Um notwendige Qualitätsstandards zu schaffen, brauche es auch eine Gesellschaft, die diese einfordere und achtsam und mit offenen Augen auf das Viertel schaue, betont auch Stadtbaurätin Frauke Burgdorff.

Die Frauen direkt einzubinden ist schwierig, doch sie haben in Solwodi und dem Arbeitskreis Prostitution, in dem auch Vertreterinnen der Kirche sind, starke Fürsprecherinnen. „Es ist wichtig, ihnen das Gefühl zu geben: Da entsteht etwas – wie die Beratungsstelle. Über Räume können auch Gespräche entstehen“, sagt Anke Reermann für das Bistum. Daran soll im Sinne aller weitergearbeitet werden, denen die Stadt gehört – den Menschen, die hier leben.