Nur noch schnell die Welt retten?

„Humanvoll“: Wie sich Influencer Patrick Legun dafür stark macht, mehr Menschlichkeit zu leben und wieder einen Blick für das Gute zu entwickeln. Warum? Um Gutes zu bewirken!

„Es braucht Menschen, die zeigen, dass es anders geht“, sagt Influencer Patrick Legun. (c) Julian Kerpen
„Es braucht Menschen, die zeigen, dass es anders geht“, sagt Influencer Patrick Legun.
Datum:
11. Sept. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 37/2024 | Stephan Johnen

Krieg, Tod und Zerstörung auf allen Kanälen, rund um die Uhr. Daran scheinen sich die Menschen ja zu gewöhnen, ach was, abzustumpfen. Doch wenn dann noch der DAX an einem Tag einbricht, dann ist die Welt endgültig verloren. „Die Gefahr zieht Aufmerksamkeit an, für unsere Urinstinkte ist sie wichtiger als das Gute. 

Daher ist das Schlechte oft so laut im Leben – und das Gute ganz leise, oder es ist schon gar nicht mehr zu hören“, ist Patrick Legun überzeugt, dass es sich dennoch lohnt, die Stimme für das Leise zu erheben, an das Gute zu glauben, sich für das Gute einzusetzen. „Die Menschlichkeit ist nicht gestorben. Wir müssen uns nur trauen, sie zu leben“, sagt der Influencer, der genau diese Botschaft unter dem Namen „humanvoll“ auf Insta-gram und Tik-Tok nicht nur verkündet, sondern lebt.

177 000 Menschen verfolgen allein bei Instagram, welche Aktion sich der zukünftige Religions- und Techniklehrer aus Aachen wieder ausgedacht hat. Mal bestellt er bedürftigen Menschen ein Essen, dann macht er sich, gemessen an modernen Standards, fast verdächtig, weil er einfach nur freundlich zu anderen Menschen ist, oder er überreicht im Drive-in-Schalter Blumen an die Mitarbeiterin, die seine Bestellung entgegengenommen hat – und zahlt das Essen für den Menschen im Wagen hinter sich, der deswegen länger warten musste. Kurzum: Es sind Aktionen, die zeigen sollen, dass es „das Gute“ im Menschen gibt – und es meist gar kein großer Akt ist, sich mit Menschlichkeit, Würde und Respekt im Alltag zu begegnen. Seit einiger Zeit schon macht Patrick Legun dies, offenherzig, ohne Hintergedanken, vielleicht manchmal auch etwas naiv und unbedarft. „Ich denke nicht lange nach, ich handle einfach“, sagt er.

 

>>Ich maße mir nicht an,
mit meinen Taten und Gedanken
die Welt zu retten.<<

Patrick Legun

Wann ist der richtige Moment, bei allem Negativen auch wieder das Gute in der Welt zu suchen? Jetzt! (c) Hiep Le
Wann ist der richtige Moment, bei allem Negativen auch wieder das Gute in der Welt zu suchen? Jetzt!

Angefangen hat alles in einer Zeit, in der es Patrick Legun alles andere als gut ging. „Es war eine Phase, in der ich deprimiert war und nicht mehr das Gute in der Welt gesehen habe“, berichtet er. Er schloss sich dem allgemeinen Schwarzsehen an, die Spirale drehte sich munter abwärts. Bis die Erkenntnis reifte, dass Leid an sich ja nichts Schlechtes ist, sondern hilft, Erlebtes zu verarbeiten, es einzukapseln, es zu überwinden. Wenn man diesen Schritt denn zulässt. „Entscheidend ist, was man aus dem Leid macht“, meint Legun, der sich damals die Frage stellte: „Wie kann ich Hoffnung verlangen, wenn ich selbst nicht in die Gänge komme, um anderen Hoffnung zu schenken?“ Er beschloss, etwas Grundsätzliches im Leben zu verändern: Und sah künftig beim Schlechten und Bösen in der Welt nicht weg, aber beim Guten und Schönen umso genauer hin. Und berichtete darüber, als Gegenentwurf zu Skepsis, Krieg, Zerstörung und Hoffnungslosigkeit.

Sein erster Erfolg im Netz war dem Zufall geschuldet. Er überreichte Weihnachtsgeschenke – mitten auf der Straße, an obdachlose Menschen. Seine Mutter half ihm bei der Aufnahme. „Film das mal, vielleicht findet das jemand gut und macht das nach“, hatte Legun ihr zugerufen. Das Video ging viral, mehr als 1,3 Millionen Menschen haben es bislang gesehen, abgesehen von den üblichen Hassreden und Pöbeleien im Netz, gegen die man eine Art Schutzschild entwickeln müsse, gab es vor allem positive Resonanz. Das war der Startschuss für „humanvoll“, es gibt jeden Samstag ein neues Video und viele Storys. Und seit dem 5. September sogar ein Buch.

„Es braucht Menschen, die zeigen, dass es anders geht“, sagt Patrick Legun. Eine Einschätzung, die auch seine Follower teilen. Unter allen philanthropischen Kanälen gehört „humanvoll“ mittlerweile zu den größten. „Ich maße mir nicht an, mit meinen Taten und Gedanken die Welt zu retten. Aber mein Ziel ist es schon, andere Menschen ein wenig anzuschubsen“, sagt Patrick Legun. Er möchte zeigen, wie kleine Veränderungen im Alltag unser Wohlbefinden steigern und uns ein erfülltes beziehungsweise erfüllteres Leben schenken können.

Während viele Menschen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und dem Weg zum Glück seien, würden die Antworten, die jedes Kind kenne, im Stress des Alltags zunehmend verschüttet. Legun: „Statt nach der Bestimmung des Lebens zu suchen, sollten wir uns darauf fokussieren, was wir wirklich wissen: Wir sind Menschen! Das ist unsere Bestimmung. Mitgefühl, Nachsicht, Humor, Neugier und Hoffnung – mehr bedarf es nicht.“ Kein Küchengerät, kein Sportwagen, keine Vitaminkapsel oder andere Ersatzbefriedigung könne diese „Säulen des Lebens“ auf dem Weg zu Zufriedenheit und Glück ersetzen. Vieles gehöre vielleicht zum Leben dazu, das allermeiste davon mache auf Dauer nicht glücklich. „Menschlichkeit bezieht sich nicht nur auf sich selbst. Wenn ich mich nur auf mich fixiere, kann ich diese Säulen nicht ausleben“, ist Patrick Legun überzeugt.

 

    >>Mein Ziel ist es schon,
andere Menschen
ein wenig anzuschubsen.<<

Patrick Legun

Mit „humanvoll“ möchte er dazu anregen, auf das Gute im Leben zu achten, wieder einen Blick für das Gute zu gewinnen und sich selbst weiterzuentwickeln. Nicht jede seiner Aktionen ist dabei automatisch ein Erfolg. „Ich wurde schon oft rausgeschmissen, ein paar Mal kam auch die Polizei“, berichtet er augenzwinkernd. Sein Ansatz, „es einfach zu machen“, führe beizeiten auch dazu, dass Sachen schiefliefen. Super schiefliefen. Aber auch wenn das passiere, könne er daraus etwas lernen. Beispielsweise hatte er die Idee, Rentner mit wenig Geld die Rente aufzustocken, sie im Supermarkt auf einen Einkauf einzuladen. „Ich wurde böse anguckt“, erinnert er sich. Erst später habe er kapiert, dass diese Idee zu weit ging, er eine Grenze überschritten und den Stolz von Menschen verletzt habe.

„Menschlichkeit hat jeder“, fasst Patrick Legun seine Motivation zusammen, die Menschlichkeit wieder mehr in den Fokus aller Worte und Taten zu rücken. Dass er ein gläubiger Mensch sei, sei dafür kaum die Grundvoraussetzung, wirke aber vielleicht wie ein Verstärker. Patrick Legun: „Die Grundeinstellung zum Helfen ist durch den christlichen Glauben noch einmal zentraler. Als Kind war das Evangelium wie eine Sammlung von Geschichten. Als Erwachsener versuche ich, die Glaubenssätze ins Leben zu übertragen.“

Das erste Buch ist frisch gedruckt

(c) Komplett-Media Verlag

„Humanvoll. Wie ich begann, Menschen glücklich zu machen, und dabei entdeckte, dass darin die wahre Freude des Lebens liegt“ heißt das erste Buch von Patrick Legun, das am 5. September im Komplett-Media-Verlag erschien. „Eine der Verlagschefinnen kannte meine Videos und hat mich angeschrieben. Es wurde ein Autor gesucht für das Thema Menschlichkeit und Empathie“, sagt Patrick Legun. Ziemlich sperrige Begriffe fand er: „Ich musste erst mal darüber nachdenken, wie ich diese Begriffe definieren, ob ich darüber überhaupt schreiben kann.“

Was gibt es zu sagen? Er hat es getan – und er hat es geschafft. Das Buch gibt es  unter anderem über den KiZ-Leserservice, Tel. 0241/1685211, www.domshop-aachen.de. Wer verfolgen will, was Patrick Legun sonst so macht, findet ihn unter dem Namen humanvoll bei Instagram und Tik-Tok.  

Patrick Legun: „Humanvoll. Wie ich begann, Menschen glücklich zu machen, und dabei entdeckte, dass darin die wahre Freude des 
Lebens liegt“, Komplett-Media-Verlag, München 2024, 24,– Euro