Nur gemeinsam erfolgreich

Das 117. Aachener Hospizgespräch hat über Möglichkeiten diskutiert, dem Fachkräftemangel zu begegnen

Die Arbeit in der Hospiz- und Palliativversorgung ist Teamarbeit und lebt von einer Kultur der Wertschätzung. (c) Colourbox
Die Arbeit in der Hospiz- und Palliativversorgung ist Teamarbeit und lebt von einer Kultur der Wertschätzung.
Datum:
14. Mai 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 20/2024 | Andrea Thomas

Das Thema Personal- und Fachkräftemangel ist allgegenwärtig, besonders im Bereich der Pflegeberufe. Was heißt das für die Hospiz- und Palliativversorgung? Mit dieser Frage hat sich das 117. Aachener Hospizgespräch beschäftigt.

Zu dem bundesweiten Kongress im Museum Zinkhütter Hof in Stolberg waren rund 300 Expertinnen und Experten aus Politik, Kassenwesen, Medizin, Pflege, Ehrenamt, Seelsorge und Wissenschaft zusammengekommen, um aus multiprofessioneller Perspektive die aktuelle Situation zu reflektieren und zu diskutieren und gemeinsam an möglichen Lösungswegen und -strategien zu arbeiten.

Fazit: Zwar ist die Branche grundsätzlich von dem Problem noch nicht so stark betroffen wie andere Bereiche, weil das System immer noch mehr Zeit für die Betroffenen und deren Angehörige einplant und viele Einrichtungen personell daher vergleichsweise gut aufgestellt sind. Dennoch steht die Hospiz- und Palliativversorgung schon jetzt und vor allem mit Blick auf die kommenden Jahre vor gewaltigen Herausforderungen. „Wir haben vulnerable Gruppen im Blick. Da ist es noch einmal heftiger, wenn Stellen unbesetzt bleiben“, skizziert es Veronika Schönhofer-Nellessen, als Leiterin der Servicestelle Hospiz für die Städteregion Aachen und Geschäftsführerin des Vereins „Palliatives Netzwerk für die Region Aachen“ Gastgeberin des Hospizgesprächs. Daher sei es wichtig, bereits jetzt zu schauen, wie auch zukünftig eine gute Hospiz- und Palliativversorgung gesichert werden kann, im Sinne sterbender und schwerkranker Menschen und ihrer Angehörigen. Das Problem betreffe nicht nur die Pflege, doch die sei zentral: „Wenn sie fehlt, ist das Herzstück nicht da.“

Bürokratie abbauen, Zugänge erleichtern

Um junge Menschen für eine Tätigkeit im  medizinischen und pflegerischen Bereich zu gewinnen, braucht es gute Rahmenbedingungen. (c) Colourbox
Um junge Menschen für eine Tätigkeit im medizinischen und pflegerischen Bereich zu gewinnen, braucht es gute Rahmenbedingungen.

Das sah auch Professor Roman Rolke, Direktor der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Aachen und Ärztlicher Leiter der Veranstaltung, so. Palliativversorgung funktioniere nur im Team, erläuterte er am Beispiel seiner eigenen Klinik, weshalb eine gute Ausbildung im medizinischen und pflegerischen Bereich wichtig sei, aber vor allem auch die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Dazu gehört für Rolke ein wertschätzender Umgang, sich Zeit zu nehmen, zuzuhören und das komplette Team psychisch zu stützen sowie auch flache Hierarchien. Ganz ohne gehe es nicht, weil Anweisungen gegeben werden müssten, entscheidend sei jedoch der Umgang.
Schaue man auf die palliativen Netzwerke wie das in der Region Aachen, betonte Roman Rolke, sei der Austausch miteinander wichtig, sich auch strategisch zu unterstützen und immer wieder auch den Draht zur Politik zu nutzen. Die ist unter anderem gefragt, wenn es um den Abbau von bürokratischen Hürden und die Erleichterung von Zugängen geht, um zugewanderte Fachkräfte schneller und besser zu integrieren.

Professor Andreas Wittrahm vom Caritasverband für das Bistum Aachen verwies darauf, wie wichtig es sei, diese Fachkräfte gut zu integrieren, und das nicht nur beruflich: „Es kommen Menschen und Mitbürger.“ Für ihn ist daher ein Mix wichtig, um dem Personalmangel zu begegnen bei den Fachkräften, aber auch bei den Assistenzkräften. In letzterem Bereich könnten auch junge Menschen ohne Schulabschluss eine Aufgabe finden, wofür Brücken gebaut werden müssten. Und: „Was ist mit Kräften 50 plus? Es müssen Anreize geschaffen werden, damit Menschen möglichst lange mit Freude und Wohlbefinden in der Pflege tätig sein können.“

Ein weiterer (naheliegender) Ansatz ist, Ehrenamtliche stärker einzubinden. Die seien enorm wertvoll und unersetzlich für die Hospiz- und Palliativversorgung, doch sei das Ehrenamt nicht die Antwort auf alle Fragen und dürfe schon gar nicht zum Lückenbüßer bei Personalengpässen werden, waren sich die Teilnehmer einig. Viel entscheidender für die nachhaltige Verbesserung der Situation sei das stärkere einrichtungsübergreifende Denken und Handeln im Sinne der sogenannten „Caring Communities“, also Gemeinschaften in den Regionen, in denen Menschen füreinander sorgen und sich gegenseitig unterstützen. 

Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten

Es brauche eine Bandbreite an Maßnahmen und eine noch stärkere Vernetzung, erklärte Manuel Zimansky vom Gesundheitsamt der Städteregion. Im Rahmen der Pflegeoffensive in der Region seien viele Ideen und ein gewinnbringender Austausch entstanden. Es gebe ein hohes Interesse und Engagement der Einrichtungen, sich einzubringen. „Wir machen die Erfahrung: Austausch hilft allen.“

Das Hospizgespräch machte Veronika Schönhofer-Nellessen Mut: „Wir müssen mit dem, was an guten Ansätzen da ist, gucken, wie es gehen kann.“ Das heißt, offen zu sein für neue Projekte und Bündnisse und die Arbeit in der Palliativ- und Hospizversorgung „familien-, freizeit- und menschenfreundlicher“ zu gestalten. So ließe sich junges Personal gewinnen und vorhandenes motivieren und halten.