Nord hilft Süd

GdG-Nachbarschaftshilfe in der Städteregion

In Kornelimünster ist neben vielen Häuser auch die Propsteikirche St. Kornelius „abgesoffen“. (c) Andreas Möhlig
In Kornelimünster ist neben vielen Häuser auch die Propsteikirche St. Kornelius „abgesoffen“.
Datum:
4. Aug. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 31/2021 | Andrea Thomas

Gut drei Wochen ist es jetzt her, seit das Hochwasser die Aachener Region hart getroffen hat. Die Spuren der Zerstörung sind immer noch sichtbar – und werden es auch noch eine ganze Zeit bleiben. Von dem, was es mit den Menschen gemacht hat, die zum Teil vor den Trümmern ihrer Existenz, ihres Leben, stehen, ganz zu schweigen. 

Das Ausmaß der Katastrophe, wie hier in Stolberg-Mühle, ist groß, die Hilfsbereitschaft auch. (c) Bistum Aachen/Andreas Steindl
Das Ausmaß der Katastrophe, wie hier in Stolberg-Mühle, ist groß, die Hilfsbereitschaft auch.

Ein kleiner Lichtblick in der schweren Zeit war und ist die Solidarität und Hilfsbereitschaft, die die Opfer erfahren. Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn und oft auch Menschen, die sie gar nicht oder nur flüchtig kannten, haben angepackt. Sie haben geholfen beim Saubermachen und Aufräumen, dabei, zerstörten Hausrat vor die Tür zu stellen, haben ihre Waschmaschinen zur Verfügung gestellt, eine warme Mahlzeit oder Trost gespendet. Die Zahl der Sachspenden war so überwältigend, dass die Lager vor Ort schnell voll waren und auch die finanzielle Hilfsbereitschaft ist groß.

Wer nicht selbst betroffen war, den haben die Bilder aus Stolberg, Eschweiler und Kornelimünster betroffen gemacht. Die Menschen in der Städteregion zeigen, dass sie zusammenstehen, wenn ihre Nachbarn in Not sind. Das gilt auch in den Gemeinschaften der Gemeinden (GdG). Auf Initiative von Pfarrer Rainer Gattys, Leiter der Pfarrei St. Sebastian in Würselen, haben die Pfarreien und GdG aus dem Norden der Städteregion – die GdG Alsdorf (St. Castor und St. Johannes XXIII.), die GdG Baesweiler St. Marien, die GdG Herzogenrath-Kohlscheid „Christus unser Friede“, die GdG Herzogenrath-Merkstein St. Willibrord und die GdG Würselen St. Sebastian – Patenschaften für die Pfarreien und GdG im Süden der Städteregion in Stolberg, Eschweiler und Aachen-Kornelimünster/Roetgen übernommen. „Nachbarn in Not hilft man, Punkt. So habe ich das von zuhause gelernt“, sagt Rainer Gattys. Seine GdG-Leiter-Kollegen und ihre Pastoralteams hätten keine Sekunde gezögert, auf seine Idee einzugehen.

„Wir haben in der Region Aachen-Land einen guten Kontakt zueinander und da lässt es einen nicht kalt, wenn zehn Kilometer entfernt das Inferno tobt“, sagt er. Zudem gibt es viele persönliche Kontakte, wie zwischen den Pfarrern Heinz Intrau aus Merkstein und Hans-Rolf Funken aus Stolberg-Mitte, der Pfarrei St. Sebastian zu ihrem ehemaligen Kaplan Andreas Möhlig, jetzt Leiter der GdG Himmelsleiter Kornelimünster/Roetgen oder der Pfarrei „Christus unser Friede“ zu ihrem ehemaligen, langjährigen Pfarrer Michael Datené in Eschweiler. 

Für all die Menschen, die durch sämtliche Maschen fallen

Daraus hat sich dann auch die Zuordnung der Patenschaften ergeben. „Christus unser Friede“ in Kohlscheid bittet um Spenden für die GdG Eschweiler, und da ganz speziell für zwei Außenwohngruppen des Hauses St. Josef der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, die schwer von den Wassermassen getroffen wurden. St. Sebastian sammelt für die Menschen in der GdG Himmelsleiter. Für die besonders schwer heimgesuchten Menschen in den Stolberger GdG gibt es mehrere Paten: die GdG Merkstein St. Willibrord und Baesweiler St. Marien für die GdG Stolberg-Nord St. Lucia und die GdG Alsdorf St. Castor/St. Johannes XXIII. für die GdG Stolberg-Süd-Zweifall-Vicht. Das soll es auch denen, die spenden, einfacher machen, zu sehen, wo ihre Unterstützung hingeht.

Ein „Stück Licht in all dem Elend“ wollen sie damit sein, den Menschen, die so viel innerhalb weniger Stunden verloren haben, die stärkende Erfahrung schenken: „Wir lassen euch nicht im Stich, wir kümmern uns“. Erreicht werden sollen so vor allem die Menschen, „die durch alle Maschen fallen“, wie Rainer Gattys erklärt. „Die Erstkommunionkind-Familie, die vor dem Nichts steht, die alte Dame, die ihr halbes Leben in ihrem Haus verbracht hat, das nun unbewohnbar ist, die Menschen, deren Existenz wegspült wurde und die keine Elementarversicherung haben.“ Die Schicksale berühren, auch, weil die Menschen in Kohlscheid, Merkstein, Würselen, Alsdorf und Baesweiler wissen, dass sie es in erster Linie ihrer günstigeren geografischen Lage verdanken, dass ihnen diese Katastrophe erspart geblieben ist. So ist die Resonanz auf die Solidaritäts-Aktion durchweg positiv. Der Wunsch, zu helfen ist groß.

Wie nötig die Hilfe ist, berichtet Christiane Hartung, Gemeindereferentin in Stolberg-Süd: „Vicht und Zweifall sind schwer betroffen und der Wiederaufbau wird sehr, sehr viel Geld kosten. Viele Menschen haben keine Elementarversicherung und diejenigen, die eine haben, spüren schon jetzt, wie die Versicherungsgesellschaften sich drehen und winden, um Ansprüche klein zu rechnen.“ In beiden Orten mussten nicht nur Häuser leergepumpt und entrümpelt werden, nasse Böden, Putz und ganze Wände mussten rausgerissen werden. Die Häuser müssen getrocknet werden und dann werden Handwerker in großer Zahl gebraucht. „Manche Familien rechnen damit, dass der Wiederaufbau zwei Jahre dauern wird“, berichtet Christiane Hartung.

Anderenorts sieht die Lage ähnlich aus. Hinzukommen kaputte Straßen und eine beschädigte Infrastruktur. Neben vielen Wohnhäusern sind auch zahlreiche Geschäfte, besonders in den Innenstädten von Eschweiler und Stolberg, zerstört worden. Die Aufräumarbeiten am St.-Antonius-Krankenhaus in Eschweiler sind, dank vieler engagierter Helfer, schon kurz nach der Katastrophe gut vorangekommen, doch bis wieder alles wie vorher ist, wird es lange Zeit dauern. Viele Arztpraxen und Apotheken vor Ort sind betroffen, ebenso Schulen, Kindergärten und mehrere Kirchen, wie St. Kornelius in Kornelimünster, St. Mariä Himmelfahrt in Stolberg-Mühle oder St. Rochus in Stolberg-Zweifall. Es bleibt noch viel zu tun.

Wie dieses Chaos bewältigen?

Generalvikar Andreas Frick beim Besuch  in Stolberg im  Gespräch mit Pfarrer Hans-Rolf Funken (l.) und anderen. (c) Bistum Aachen/Andreas Steindl
Generalvikar Andreas Frick beim Besuch in Stolberg im Gespräch mit Pfarrer Hans-Rolf Funken (l.) und anderen.

Für die gezeigte Solidarität sind die Menschen vor Ort daher umso dankbarer. Pfarrer Hans-Rolf Funken beschreibt es sehr gut auf der Internetseite von St. Lucia: „Nachdem das Unwetter seinen Lauf genommen hatte und wir die Schäden in Augenschein nahmen, dachte ich, wie soll man dieses Chaos bewältigen? Aber es rollte spontan eine so große Hilfswelle an, mit der ich im Leben nicht gerechnet hätte. Eine solche Solidarität habe ich in diesem Umfang noch nie erlebt, sie treibt mir die Tränen in die Augen.“

Infos zur Spendenaktion:
www.sankt-sebastian-wuerselen.de
www.christus-unser-friede.de
www.gdg-alsdorf.de
www.pfarrei-st-willibrord.de
www.st-marien-baesweiler.de